Wie hoch ist die Zinsbelastung bei deutschen Produkten?

2 Antworten

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Es kommt auf die Produkte an. Bei Äpfeln ist eine Zinsbelastung im wesentlichen durch die Spanne zwischen Produktion und Endverkauf gegeben, d.h. sie werden sich im Bereich von 0,5-1% pro Monat bewegen.

Bei Investitionsgütern ist die Kette von Zulieferern und einzelnen Cashflows etwas komplexer und langwieriger. Hier kann durchaus durch Kumulation der einzelnen Finanzierungskosten bei beteiligten Betrieben von den Rohstoffen bis zur fertigen Anlage ein Zinsanteil von 10-15% zustandekommen.

Software hat relativ geringe Zinsanteile, da wenig Produktionsmittel benötigt werden und die meiste Software nicht von Null an erstellt, sondern auf Änderungsentwicklungen zurückzuführen ist.

Mieten für Immobilien haben einen Zinsanteil von 70-80%, wenn sie fremdfinanziert sind.

Je komplexer ein Produkt und je länger es von den "Rohstoffen" bis zum Endverkauf benötigt, desto höher wird der "Zinsanteil" des Produkts sein.

Rechnest Du allerdings die Finanzierungskosten für Forschung und Entwicklung mit ein, so kann diese Position alleine schon bei sehr langlaufenden Entwicklungsprozessen (z.B. in der Pharmaindustrie, Automobilbau, Anlagenbau) durchaus bei vollständig kreditfinanzierter R&D einen Anteil von 30% und mehr am Endprodukt erreichen.

Steuern sind in diesem Fall nicht wirklich als Zinsbelastungen einzubeziehen, da sie nur zu einem Anteil von ca. 20-25% wirklich Zinsen repräsentieren, die ein Staat zahlen muss. Schlägt man diesen Anteil noch oben drauf, so findest Du Produkte, die einen sehr geringen Zinsanteil (z.B. die Äpfel vom Bauern um die Ecke) oder einen sehr hohen Zinsanteil (z.B. Mieten) haben.

DerFreidenker 
Fragesteller
 25.10.2011, 10:09

Diese Zusammenhänge sind mir klar. Dennoch hast du das sehr schön erklärt. Mich interessiert es, wieviel Prozent des Kaufpreises im Schnitt dem Zinssystem zuzurechnen ist. Ich höre so oft den Wert 30-40%, aber nirgendwo kann ich finden wo dieser hergeleitet wird, oder auch nur grob abgeschätzt wird. Ich hab ja versucht das gesamte Privatvermögen in Deutschland von 5 Billionen mit 5% Zinsen zu verrechnen, und es auf die eine Billion Binnenumsatz abzuwälzen. Damit kommt man auf ca 25% durchschnittliche Zinsbelastung. Aber ich Frage mich, z.B. Wieso der Wertzuwachs (BIP) doppelt so groß ist wie der Umsatz, und ob ich nicht das BIP für die Abschätzung hernehmen muss. Desweiteren frag ich mich, wieviel an Zinslast durch die Staatsschulden zusätzlich entsteht, da ja manche Privatanleger auch deutsche Bundesanleihen haben. Daher kann ich auch nicht einfach 2 BIllionen draufzählen, sondern es muss etwas weniger sein. Ebenso kann ich in keinster weise Abschätzen, wieviel Vermögen in der Hand deutscher Unternehmen ist, das ja ebenfalls verzinst wird. Ich bin einfach überfordert mit der Frage, aber sie interessiert mich brennend, denn damit kann man sehr gut das Prinzip der beschleunigten Vermögensumverteilung von Arm zu Reich zeigen.

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gandalf94305  25.10.2011, 10:32
@DerFreidenker

Ich beginne zu verstehen, was Du berechnen möchtest.

Du sagst:

  • Z ist die Summe aller Zinsbelastungen in Deutschland, d.h. Kupons auf Staatsanleihen, Zinsen auf Darlehen, Gaps bei Refinanzierungskosten, Finanzierungsverluste bei Zahlungszielen von mehr als Null, ...

  • P ist der Umsatz an allen Produkten und Dienstleistungen eines Landes.

Die mittlere Zinslast ist nun Z/P.

Bedenke, daß P nicht das BIP ist. Für Z könnte man irgendwelche Geldmengendifferenzen hernehmen, aber ich glaube, daß das nicht alles umfassen wird. Bedenke auch, daß Anleger auch Empfänger von Zinszahlungen sind, d.h. vielleicht wäre von Nettozinsen auszugehen, die Einnahmen und Zahlungen berücksichtigen.

Wie das allerdings eine Vermögensumverteilung aufzeigen soll, ist mir schleierhaft. Hierzu müsste man eher die Nettovermögensverteilung auf Haushalte untersuchen bzw. deren Korrelation zu Unternehmensvermögen.

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DerFreidenker 
Fragesteller
 25.10.2011, 19:18
@gandalf94305

Die Zinseinnahmen möchte ich explizit nicht mit einberechnen, weil die kann man dann Anhand von Fallbeispielen vorrechnen. Wenn die Zinslast bei Produkten im Schnitt 30% ist, und ich ein netto einkommen von 1000 euro hab, das ich auch monatlich ausgebe, dann habe ich eine Zinslast von 30%

Wenn ich allerdings noch ne million aufm konto hab, dann mach ich natürlich über das Zinssystem ein Plus! Aber dafür muss ich erstmal wissen, wieviel des Produktprieses im schnitt auf Zinsen zurückzuführen sind, die im gesamten Land so anfallen.

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gandalf94305  25.10.2011, 19:25
@DerFreidenker

Na, dann stelle mal einen Warenkorb zusammen, der repräsentativ ist. Für diesen kann die entsprechende Zinsbelastung berechnet/geschätzt werden.

Bedenke, daß Produkte mit hoher Zinsbelastung (z.B. Investitionsgüter, Automobile, Anlagen) in einem Land wie Deutschland exportiert werden, d.h. ein Teil der Zinsbelastung eigentlich von ausländischen Kunden getragen wird.

Daher halte ich diese Rechnung nicht für durchführbar, wenn man nicht einen konkreten Warenkorb definiert, auf den dann bezogen auf bestimmte Unternehmen als Hersteller/Lieferanten/Dienstleister die Zinsbelastung berechnet wird.

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DerFreidenker 
Fragesteller
 25.10.2011, 22:51
@gandalf94305

Naja ber der Exportüberschuss von Deutschland ist doch überschaubar.. Deutschland exportiert vielleicht 200-300 milliarden mehr, als es importiert. Natürlich ist die Zinsbelastung von den importierten waren nidriger als bei den exportieren, weil wir ja den Wert der importierten Waren erhöht haben. Ich denke also, dass das nicht so groß entscheidend ist.. Man könnte um dem gerecht zu werden ja zb 500 milliarden zu der 1 milliarde Umsatz hinzuzählen. damit hätte man dann 1,5 Billionen an Produktwert pro Jahr, auf die die Zinslast abgewältst wird. Wenn ich jetzt mal mit 7 Billionen Geldvermögen bei 5% Zinsen rechne, dann komme ich auf 350 Milliarden. Bei 1,5 Billionen sind das 23% Zinslast. Ein guter Wert für eine untere Schranke, da es wohl mehr als nur 7 Billionen Vermögen in Deutschland gibt, und der durschnittliche Zinssatz wohl eher über 5% liegt.

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Du vergisst bei deiner Überlegung, das die meisten Gläubiger der Bundesrepublik die deutschen Anleger, Versicherung und Banken sind. Die bekommen Zinsen für die Staatsschulden. Die Steuer ist im Vergleich zu früher wesentlich niedriger.