Kann man rückwirkend die Differenzbesteuerung anwenden?

1 Antwort

Hallo lieber/ liebe Oldtimerhändler/ Oldtimerhändlerin,

deine Fragestellung, ob man die Differenzbesteuerung rückwirkend anwenden kann, beantworte ich im Folgenden gerne.

Kurze Erläuterung um was es bei der Differenzbesteuerung geht (nachzulesen in der Norm § 25a UStG):

Ein gewerblicher Händler (sog. Wiederverkäufer) kann für die Lieferung bestimmter Gebrauchtgegenstände nur die Differenz zwischen seinem Verkaufspreis und dem eigenen Einkaufspreis der Umsatzsteuer unterwerfen. Voraussetzung für die Anwendung der sog. Differenzbesteuerung ist, dass der Wiederverkäufer aus dem Erwerb der Gebrauchtgegenstände keinen Vorsteuerabzug geltend machen konnte.

Umsätze, für die die Differenzbesteuerung angewandt wird, sind stets mit dem allgemeinen Steuersatz zu versteuern. Die Anwendung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen ist im Rahmen der Differenzbesteuerung ausgeschlossen.

Alle übrigen Steuerbefreiungen können Anwendung finden. Prüfung im Einzelfall erforderlich.

Der Wiederverkäufer darf in seiner Rechnung die enthaltene Umsatzsteuer nicht offen ausweisen.

Liegen diese Voraussetzungen bei Dir vor, also bist Du Wiederverkäufer und verkaufst bestimmte Gebrauchtgegenstände?

Wenn Du mit Oldtimer handelst, bist Du Wiederverkäufer i.S.d. Differenzbesteuerung. Das passt schon mal.

Die Differenzbesteuerung ist nur für Gebrauchtgegenstände anwendbar, die Du z.B. von Privatpersonen, Kleinunternehmer i.S.d. UStG oder von einem anderem Wiederverkäufer, unter Anwendung der Differenzbesteuerung, eingekauft hast. Bitte prüfe hier für jeden einzelnen Fall, ob Du diese Voraussetzung erfüllst. Im Folgenden gehe ich mal davon aus, dass Du alle Deine Oldtimer von den genannten Personen gekauft hast. Falls das nicht der Fall ist, ist nur für den Einzelfall, wo Du einen Oldtimer z.B. einmal von einem Unternehmer mit 19% Umsatzsteuer eingekauft hast, die Differenzbesteuerung nicht anwendbar. Für alle anderen Fälle ist sie anwendbar.

Unter den genannten Voraussetzungen kannst Du somit die Differenzbesteuerung anwenden. Nun hast Du leider, weil Du 7% Umsatzsteuer in deinen Rechnungen ausgewiesen hast, damit auf die Anwendung der Differenzbesteuerung verzichtet. Der Verzicht kann bei jedem einzelnen Liefervorgang gewählt werden.

Die gute Nachricht ist, Du kannst den Verzicht auch wieder zurücknehmen. Das geht solange Dein Umsatzsteuerbescheid noch änderbar ist. In der Regel steht auf Deinem Umsatzsteuerbescheid, dass dieser „unter Vorbehalt der Nachprüfung“ ergangen ist. Dann bedeutet dies, dass der Bescheid für Dich noch änderbar ist. Hast Du keinen Bescheid bekommen oder nur eine Mitteilung, ist eine Änderung auch noch möglich. Ich habe Dich so verstanden, dass das Finanzamt Dir bereits signalisiert hat, dass Du den Verzicht zurücknehmen kannst. Also kannst Du noch rückwirkend deinen Verzicht auf die Differenzbesteuerung zurücknehmen.

Wie bekommst Du das nun hin?

Das Finanzamt will sicherlich sehen, ob Du auch spezielle Aufzeichnungen gemacht hast. Diese sind nämlich Voraussetzung für die Anwendung der Differenzbesteuerung. Hierbei musst Du für jeden Gegenstand getrennt Verkaufspreis, Einkaufspreis und die Bemessungsgrundlage (also die Differenz zwischen Verkaufs- und Einkaufspreis) aufschreiben. Es reicht auch aus, wenn sich die Angaben aus der Buchführung ergeben. Steht alles in § 25a Abs. 6 Satz 2 UStG.

Diese Aufzeichnungen kannst Du nun auch noch nachholen. Eine zeitnahe Aufzeichnung ist nicht notwendig (lt. Finanzgericht Berlin Aktz. 7 K 5176/98, EFG 2000, S. 522).

Zudem musst Du alle Deine Verkaufsrechnungen aus 2016 ändern, indem Du die Umsatzsteuer auf den Rechnungen wegnimmst und dafür keine Umsatzsteuer (kein Umsatzsteuersatz und keinen Umsatzsteuerbetrag) ausweist. Du weist nur noch den Nettobetrag aus. Diese neuen Rechnungen legst Du dann mit deinen speziellen Aufzeichnungen beim Finanzamt vor und stimmst Dich mit denen ab. Dann schuldest Du dem Finanzamt nur noch die Umsatzsteuer in Höhe von 19% auf die Differenz zwischen dem Verkaufspreis und dem Einkaufspreis deiner verkauften Gebrauchtgegenstände. Deine bereits gezahlte Umsatzsteuer wird sicherlich damit verrechnet.

Zudem musst Du aber auch die Einfuhrumsatzsteuer, die Du auf die Gebrauchtgegenstände als Vorsteuer an das Finanzamt zurückzahlen bzw. verrechnen lassen. Wenn das nicht so viel ist, könnte es sich für Dich lohnen rückwirkend die Differenzbesteuerung anzuwenden.

Antwort auf Deine Frage:

Ja, du kannst die Differenzbesteuerung für jeden einzelnen Verkaufsfall noch rückwirkend anwenden, sofern dein Umsatzsteuerbescheid noch änderbar ist. Für 2016 sollte dies nach deinen Schilderungen zu urteilen noch der Fall sein.

Mach Dir auf jeden Fall vorher eine Berechnung der steuerlichen Auswirkungen, um nicht negativ überrascht zu werden.

Bei Rückfragen kannst Du Dich gerne nochmal an mich wenden.

Viel Erfolg und viele Grüße,

Jens Mansholt

Vielen Dank für die ausführliche Antwort!!!

Die ganzen grundsätzlichen Dinge sind klar, seit Beginn 2017 wende ich auch bereits die Differenzbesteuerung an. Laut Steuerprüfung ist damit alles in Ordnung - es geht lediglich um das Jahr 2016, in dem (fälschlicherweise) die 7% ausgewiesen wurden.

Im §25a (2) steht: Der Wiederverkäufer kann spätestens bei Abgabe der ersten Voranmeldung eines Kalenderjahres gegenüber dem Finanzamt erklären (...)

...und genau das ist jetzt das Problem der Steuerprüferin: ich hätte es laut ihr zu Beginn 2016 erklären müssen, dass ich die Differenzbesteuerung anwenden möchte.

Die Rechnungen zu ändern wäre ebenfalls kein Problem, sämtliche Käufer waren privat bzw. wurde bei keinem Fahrzeug die Vorsteuer gezogen.

Mir geht es wirklich rein um das (entscheidende) Argument, sodass Sie es sozusagen rechtfertigen kann, dass ich die Differenzbesteuerung rückwirkend anwenden kann. Sofern ich das kann - so das Signal - ist es von ihrer Seite aus wohl möglich...

Laut Ihrer Sicht ist also der Knackpunkt der USt-Bescheid. Ist dieser noch änderbar, kann ich auch rückwirkend den Verzicht zurücknehmen und somit wäre die Differenzbesteuerung möglich.

Aber nochmal die Frage von oben: laut USt-Gesetz hätte ich es VORHER erklären müssen, dass ich die Differenzbesteuerung anwenden möchte...

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@Oldtimerhandel

Hallo lieber/ liebe Oldtimerhändler/ Oldtimerhändlerin,

der § 25a Abs. 2 UStG betrifft besondere Fälle. Wir müssen mal gucken, ob Du da überhaupt dazu gehörst. :-)

Nach § 25a Abs. 2 UStG kann der Wiederverkäufer mit Beginn des Kalenderjahres, in dem er eine entsprechende Erklärung abgibt, die Differenzbesteuerung auch anwenden, wenn er

  • Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten selbst eingeführt hat oder
  • Kunstgegenstände vom Künstler selbst oder von einem anderen Unternehmer, der kein Wiederverkäufer ist, erworben hat und dafür Umsatzsteuer geschuldet wurde.

Bei Dir trifft evtl. nur der erste Punkt zu. Schauen wir mal weiter.

Die Begriffe Kunstgegenstände und Sammlungsstücke sind nach den gleichen Merkmalen wie für Zwecke der Steuerermäßigung nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG abzugrenzen. Vgl. auch die Nrn. 53 und 54 sowie Nr. 49 Buchst. f der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UStG.

Wenn Deine Steuerprüferin Deine Umsätze also nicht dem ermäßigten Steuersatz von 7%, sondern dem Regelsteuersatz unterwerfen möchte, ist das schon das Ausschlusskriterium für die Anwendung des § 25a Abs. 2 UStG. Denn dann hat die Steuerprüferin die Gegenstände, die Du verkaufst, nicht als Kunstgegenstände, Sammlungsstücke oder Antiquitäten klassifiziert.

Falls Du noch weitere Fragen hast oder Hilfe bei der Argumentation brauchst, melde dich gerne bei mir.

Wenn ich Dir weiterhelfen konnte, bin ich über eine positive Bewertung sehr dankbar.

Viel Erfolg und viele Grüße,

Jens Mansholt

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Das Problem hier dürfte aber sein, dass mittlerweile die Rechnungen gestellt worden sein dürften, womit wir - abseits der Differenzbesteuerung - mal schnell im 14c sind.

Es dürfte also darauf ankommen, ob die Rechnungen berichtigt werden können.

Das ist ein praktisches Problem und nicht eins aus dem Steuerberaterexamen. Das lernt man aber mit der Zeit.

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@EnnoWarMal

Hallo EnnoWarMal,

vielen Dank für Deine Bewertungen. Nur so kann finanzfrage.net gut funktionieren. Vielen Dank auch für deinen Kommentar.

Zu deinem Kommentar:

Das Problem hier dürfte aber sein, dass mittlerweile die Rechnungen gestellt worden sein dürften, womit wir - abseits der Differenzbesteuerung - mal schnell im 14c sind.

Wir sind hier definitiv im § 14c UStG! Grund ist, dass auf den Rechnungen Umsatzsteuer ausgewiesen worden ist, die dann auch geschuldet wird, sog. unberechtigter Steuerausweis i.S.d. § 14c Abs. 2 UStG. Die Umsatzsteuer ist auch bereits an das Finanzamt abgeführt, so wie ich Oldtimer verstanden habe. Es geht aber Oldtimer meines Erachtens darum, ob und wie man das berichtigen und rückwirkend die Differenzbesteuerung anwenden kann, obwohl er Anfang des Jahres nicht explizit die Differenzbesteuerung beantragt hat. 

Die Umsetzungsschritte hierzu habe ich in meinen Antworten beschrieben.

Es dürfte also darauf ankommen, ob die Rechnungen berichtigt werden können.

Die Rechnungen können nach § 14c Abs. 2 Satz 3 UStG noch berichtigt werden. Dies ist aber Abstimmungsbedürftig mit der Finanzverwaltung, im vorliegenden Fall über die Betriebsprüferin, wie von mir in meiner Antwort beschrieben. 

Das ist ein praktisches Problem und nicht eins aus dem Steuerberaterexamen. Das lernt man aber mit der Zeit.

In meiner Antwort habe ich die Umsetzungsschritte in der Form beschrieben, wie ich es schon des Öfteren in der Praxis mit Erfolg gelöst habe. Ich denke, dass Oldtimer mit den Informationen etwas anfangen kann und es ihm weiterhilft. Darauf kommt es an. Falls etwas nicht auf Deinen Fall anwendbar ist, Oldtimer, frage ruhig nochmal nach. :-) Ich sehe gute Chancen, dass Du mit deinem Fall durchkommst.

Viele Grüße,

Jens Mansholt

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