Insolvenzverfahren - Kindergeld - Bafög - Halbwaisenrente - Nettoeinkommen
Hallo,
ich befinde mich derzeit in dem Insolvenzverfahren, studiere und beziehe aus diesem Grund Bafög, erhalte Kindergeld und Halbwaisenrente. Diese drei Einkommensquellen, sofern es welche sind, kann ich nennen. Ich möchte gern nebenbei arbeiten, ich würde nicht mehr als 300 Euro verdienen, würde jedoch über 1150 Euro Einkommen haben.
Ich habe bereits Recherche betrieben, jedoch ohne jeglichen Erfolg. Das Kindergeld gilt als unpfändbar und wird dem Nettoeinkommen nicht angerechnet. Ist diese Regelung auch zutreffend, sofern das Kind das Kindergeld bezieht und Insolvent ist ?
Sofern es als Nettoeinkommen anzurechnen ist, es jedoch auf das Konto meines Elternteils eingehen würde, wäre dies dann folglich noch als Nettoeinkommen des Kindes anzurechnen?
Ich würde mich sehr freuen, wenn ich hier aufschlussreiche, ernstgemeinte und wissentliche Antworten erhalten könnte.
Liebe Grüße Anonym
3 Antworten
Die Frage hat es durchaus in sich. Eine gesicherte Erkenntnis kann ich dir momentan auch leider nicht geben. Ich denke nur mal laut:
Grundsätzlich steht das Kindergeld ja den Eltern zu. Bei diesen ist es nach § 54 SGB I unpfändbar, es sei denn, das Kind selbst will wegen seiner gesetzlichen Unterhaltsansprüche gegen die Eltern pfänden. Daraus kann man schon ableiten, dass der Gesetzgeber eigentlich nur die Eltern mit dem Pfändungsschutz privilegieren wollte, um den Unterhalt des Kindes nicht zu gefährden.
Der Bundesgerichtshof hat in einer Entscheidung (Aktenzeichen VII ZB 20/05) ausgeführt:
Das Kindergeld ist nicht als Lohnersatz anzusehen, sondern dient dem Ausgleich der aus dem Familienunterhalt folgenden Belastungen
Im Klartext: Die Eltern werden bezüglich des Kindergeldes geschützt, damit sichergestellt ist, dass sie ihre Unterhaltspflichten gegenüber dem Kind erfüllen können.
Wenn das Kindergeld aber an das Kind in Form von Unterhalt weitergegeben wird, müsste der Pfändungsschutz damit entfallen, denn der Schutzzweck des Gesetzgebers ist ja damit erreicht. Kindergeld ist ja nicht als solches dauerhaft pfändungsgeschützt.
Ich würde daraus ableiten, dass das Kindergeld dann, wenn es beim Kind angekommen ist, als "Einkommen" pfändbar ist.
Leiten dir deine Eltern das Kindergeld weiter oder wird es durch die Familienkasse direkt an dich gezahlt?
Das ist wohl wahr. Sollte ich noch was dazu rausfinden, schreibe ich es als Kommentar.
Vielen Dank Herr Keller, wenn das Kindergeld auf das Konto meines Elternteils eingehen würde, ändert es den Sachverhalt und würde begünstigt dazuführen, dass ich nicht weniger als 4 Euro die Stunde verdiene ?
Haben Sie einen schönen Tag.
Mit freundlichen Grüßen. A.
Wenn das Kindergeld bei Ihren Eltern eingeht dann wäre zunächst einmal das Problem aus der Welt. Wenn Ihre Eltern Ihnen aber dieses Kindergelds als Unterhalt wieder zahlen, dann käme es natürlich auch als solcher wieder bei Ihnen an und würde damit bei der Berechnung des pfändbaren Einkommens mit einfließen.
Sind die Eltern gesetzlich dazu verpflichtet einem Volljährigen das Kindergeld weiterzuleiten ?
Nein, das sind sie nicht.
Wo kann das nachlesen?, würde mich freuen, wenn Sie mir eine Quelle nennen könnten. Liebe Grüße A.
Ich hab noch mal nachgeschaut, weil mich das Thema selbst interessiert hat.
Grundsätzlich steht das Kindergeld ja den Eltern zu. Ausnahme:
§ 1 II BKGG
Kindergeld für sich selbst erhält, wer
in Deutschland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat,
Vollwaise ist oder den Aufenthalt seiner Eltern nicht kennt und
nicht bei einer anderen Person als Kind zu berücksichtigen ist.
In der Kommentierung zur ZPO von Zöller wird zur Frage der Pfändbarkeit ausgeführt: (Stöber in Zöller, 29. Aufl., § 850 i, Rn 39):
Eigenkindergeld, das der Leistungsberechtigte für sich selbst erhält (so ein Vollwaise, ein Kind, das den Aufenthalt seiner Eltern nicht kennt, § 1 II BKGG), ist nicht pfändbar (folgt aus § 54 V SGB I).
Zur Unpfändbarkeit des Kindergelds bei den Eltern bitte § 54 SGB I lesen (finden Sie hier : http://dejure.org/gesetze/SGB_I/54.html)
Ergo: Wenn das Kindergeld nicht wegen einer der oben in § 1 II BKGG genannten Gründe an das Kind gezahlt wird, müsste es pfändbar sein.
Schwierige Materie, aber ich hoffe, es wurde jetzt etwas transparenter. Über eine Bewertung der Antwort würde ich mich freuen.
Wiedermals haben Sie mir aufschlussreiche Informationen zukommen lassen.Vielen dank Herr Keller. "Kindergeld für sich selbst erhält, wer in Deutschland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat,..."
Ich habe meine eigene Wohnung. Bedeutet dies, dass es unpfändbar ist ? Wenn es unpfändbar ist, wird es noch dem Nettoeinkommen zugerechnet ?
Ich bin auf einen für mich möglicherweise interessanten Paragraphen gestoßen, nämlich (http://dejure.org/gesetze/ZPO/850b.html , §850b Abs. 1 Satz 4):
Bezüge aus Witwen-, Waisen-, Hilfs- und Krankenkassen, die ausschließlich oder zu einem wesentlichen Teil zu Unterstützungszwecken gewährt werden, ferner Ansprüche aus Lebensversicherungen, die nur auf den Todesfall des Versicherungsnehmers abgeschlossen sind, wenn die Versicherungssumme 3 579 Euro nicht übersteigt.
Die Halbwaisenrente könnte demnach unpfändbar sein. Sofern dies der Fall ist, wird es noch als Nettoeinkommen berücksichtigt ?
Das mit dem gewöhnlichen Aufenthalt reicht nicht für sich alleine aus. die Voraussetzungen
- in Deutschland einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat,
- Vollwaise ist oder den Aufenthalt seiner Eltern nicht kennt und
- nicht bei einer anderen Person als Kind zu berücksichtigen ist.
müssen alle erfüllt sein, damit man selbst das Kindergeld erhält.
Wenn etwas unpfändbar ist, wird es nicht dem Nettoeinkommen hinzugerechnet.
Offen gesagt hatte ich in der Praxis noch keinen Fall von Halbwaisenrente. ich müsste das mal in der Kommentierung nachlesen. Der Wortlaut von § 850 b ZPO spricht zunächst aber deutlich dafür, dass die Halbwaisenrente nicht pfändbar ist.
PI und Studium? das soll gehen? Ansonsten ist es prima, wenn du mehr Geld monatlich zurückzaheln kannst als nur das Minimun. Das ist doch auch gefordert, oder?
Wenn eine Haftpflichtversicherung bei einem Unfall nicht zahlt, kommt dies unweigerlich so zustande. Ihre Antwort beantwortet nur leider mein Problem nicht, ich bedenke mich dennoch, verbleibe jedoch in der Hoffnung eine Antwort auf meine Frage zu bekommen.
Vielen Dank dafür, dass Sie sich die Zeit und Mühe gemacht haben eine so detailierte Antwort zu verfassen. Die Familienkasse leitet es direkt an mich weiter.
Ich würde gern nebenbei arbeiten, jedoch würde sich mein Studenlohn, aufgrund von möglichen Pfändungen, um die Hälfte reduzieren. Es drängt sich somit die Frage auf, ob es unter diesen Umständen sinnfrei wäre einer Tätigkeit nachzugehen (neben dem Studium).