Darf/muss das Finanzamt gewerbsmäßigen Betrug anzeigen?
Angenommen, das Finanzamt macht eine Betriebsprüfung. Steuerlich ist alles in Ordnung, aber dem Prüfer fällt auf, dass die Firma einen gewerbsmäßigen Betrug begeht.
Darf (oder muss sogar?) das Finanzamt deswegen eine Strafanzeige gegen die Firma erstatten? Oder zumindest die Geschädigten darauf hinweisen?
Oder muss das Finanzamt dazu schweigen, wegen des Steuergeheimnisses?
7 Antworten
Steuergeheimnis
(1) Amtsträger haben das Steuergeheimnis zu wahren.
(2) Ein Amtsträger verletzt das Steuergeheimnis, wenn er
1. Verhältnisse eines anderen, die ihm
a) in einem Verwaltungsverfahren, einem Rechnungsprüfungsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen,
b) in einem Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder einem Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit,
c) aus
anderem Anlass durch Mitteilung einer Finanzbehörde oder durch die
gesetzlich vorgeschriebene Vorlage eines Steuerbescheids oder einer
Bescheinigung über die bei der Besteuerung getroffenen Feststellungen
bekannt geworden sind, oder
2. ein fremdes Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis, das ihm in einem der in Nummer 1 genannten Verfahren bekannt geworden ist,
unbefugt offenbart oder verwertet oder
3. nach
Nummer 1 oder Nummer 2 geschützte Daten im automatisierten Verfahren
unbefugt abruft, wenn sie für eines der in Nummer 1 genannten Verfahren
in einer Datei gespeichert sind.
(3) Den Amtsträgern stehen gleich
1. die für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteten (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 des Strafgesetzbuchs),
1a. die in § 193 Abs. 2 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannten Personen,
2. amtlich zugezogene Sachverständige,
3. die Träger von Ämtern der Kirchen und anderen Religionsgemeinschaften, die Körperschaften des öffentlichen Rechts sind.
(4) Die Offenbarung der nach Absatz 2 erlangten Kenntnisse ist zulässig, soweit
1. sie der Durchführung eines Verfahrens im Sinne des Absatzes 2 Nr. 1 Buchstaben a und b dient,
2. sie durch Gesetz ausdrücklich zugelassen ist,
3. der Betroffene zustimmt,
4. sie
der Durchführung eines Strafverfahrens wegen einer Tat dient, die keine Steuerstraftat istMit der Sache bist du bei einem Anwalt oder Steuerberater sicher besser aufgehoben. Solche Sachen löst man nicht in Heimarbeit.
Das Finanzamt wird, wenn sie einen Hinweis auf eine Straftat entdecken, die Staatsanwaltschaft informieren. Diese wird dann die Polizei mit der Ermittlung beauftragen.
Die Idee, das falle unter das "Steuergeheimnis" ist wirklich kindisch.
Aber Betrug ist doch ein Antragssdelikt?
D. h. der Geschädigte müsste erst eine Strafanzeige stellen. Aber darf das Finanzamt den Geschädigten überhaupt informieren, dass die Firma z. B. die bestellte und bezahlte Ware gar nicht vorhat, auszuliefern?
Ein Betriebsprüfer muss bei einem Gewerblichen Betrug Anzeige erstatten...du musst differenzieren, zwischen Betrug und Gewerblichem Betrug. Und zwischen dem Nachbarn, der euch dabei erwischt und einer Offiziellen Betriebsprüfung.
Da irrst Du.
Betrug ist ein ein relatives Antragsdelikt. In nur wenigen sehr begrenzten Fällen ist ein Strafantrag erforderlich - wenn er geringfügig ist, oder im familiären Umfeld.
Ansonsten wird es wie ein Offizialdelikt behandelt. Also wird das Finanzamt die Staatsanwaltschaft informieren und und diese wird ermitteln müssen.
Das Steuergeheimnis greift in einem derartigen Fall nicht, siehe § 30 Absatz 4 Abgabenordnung.
Und genau welcher Punkt greift hier?
Der Punkt (4).4 greift nicht, weil es noch gar kein Verfahren wegen einer Straftat gäbe.
Der Punkt (4).5 greift wohl auch nicht, denn darunter fallen nur Wirtschaftsstraftaten, die die wirtschaftliche Ordnung erheblich stören können. Eine einzelne betrügende Firma dürfte nicht darunter fallen.
Was habe ich übersehen?
Meinst Du Ziffer 5b)? Die scheint mir auf kleine Betrüger, die nur wenige Millionen abzocken, nicht anwendbar.
Allerdings frage ich mich, was mir die Vorschrift nützt, wenn der Sachbearbeiter rechtswidrigerweise doch die Staatsanwaltschaft davon informiert hat, dass ich Einnahmen aus Betrug oder Erpressung versteuert habe.
Es besteht eine Anzeigepflicht von Seiten des Betriebsprüfers.
Aber Betrug ist doch ein Antragsdelikt, also müsste der Geschädigte (und nicht der Prüfer) eine Strafanzeige machen?
Nicht bei Gewerbsmäßigem Betrug.
Es 30 Abs. 4 Nr. 5 lit. a AO
Die Offenbarung der nach Absatz 2 erlangten Kenntnisse ist zulässig,
[...] soweit für sie ein zwingendes öffentliches Interesse besteht; ein
zwingendes öffentliches Interesse ist namentlich gegeben, wenn Verbrechen [...] verfolgt werden oder verfolgt werden sollen.
§ 12 Abs. 1 StGB
Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr oder darüber bedroht sind.
§ 263 Abs. 1 StGB
In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter [...] gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt [...].
Somit darf der Betriebsprüfer nicht gegen das Steuergeheimnis verstoßen, da gewerbsmäßiger Betrug kein Verbrechen im Sinne des StGB ist, sondern nur ein Vergehen. § 30 Abs. 4 Nr. 4 AO greift im Übrigen auch nicht, da der Betriebprüfer kein Steuerstrafverfahren führt.
Es sei denn natürlich, es läge ein Fall des § 263 Abs. 5 StGB vor...
Aber setzt das nicht ein bereits laufendes Strafverfahren voraus?
Denn sonst würde der Punkt (5) keinen Sinn machen - dort sind nämlich genau Straftaten aufgelistet, bei denen die Offenbarung auch ohne ein laufendes Strafverfahren zulässig ist.