Entrümpeln, nicht nur den Haushalt, auch das Grundbuch
Der Eigentümer einer Immobilie sollte die Bereinigung des Grundbuchs von löschungsreifen Eintragungen nicht den Erben zumuten; er sollte die Bereinigung beizeiten selbst in die Hand nehmen und damit dem Erben zeitaufwendige Suchaktionen und eine Menge Kosten ersparen. Gleich vorweg: Zur Löschung im Grundbuch bedarf es der Bewilligung des Gläubigers/Berechtigten und des Antrags des Eigentümers, beide Erklärungen i.d.R. in notariell beglaubigter Form.
Die Haltedauer einer Wohnimmobilie beträgt in Deutschland durchschnittlich 28 Jahre. In dieser Zeit geht es mit der Immobilie mitunter recht turbulent zu. Ihr Schicksal ist, ähnlich wie bei uns Menschen, geprägt von Belastungen und Entlastungen. Einige Beispiele für Eintragungen im Grundbuch:
Für den Bau eines Gebäudes werden Hypotheken und Grundschulden bestellt,
dem Veräußerer wird eine Restkaufgeldhypothek und ein Ankaufsrecht eingeräumt,
die Eltern/der Ehepartner erhalten ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnrecht eingeräumt,
einem Kind wird ein zeitlich begrenzter Nießbrauch gewährt,
für einen Nachbarn wird ein Geh-und Fahrrecht eingetragen.
Es sticht nicht, lärmt nicht und verursacht auch keine laufenden Kosten. Kurzum, es ist eher unauffällig. Und trotzdem kann es die Erben einer Immobilie „belästigen“. Die Rede ist von gegenstandslosen Einträgen im Grundbuch. Im Laufe der Jahre erledigen sich Lasten und Beschränkungen durch den Wegfall der Geschäftsgrundlage, entweder durch Tilgung, Verzicht, Aufrechnung, Erlass, Zeitablauf oder Tod des Berechtigten.
Manche Eintragung könnte im Grundbuch längst gelöscht sein, ist sie aber nicht. Die Gründe der Unterlassung sind in der Wirkung gleich: der Eigentümer wartet ab, oder verdrängt die Notwendigkeit oder vergisst sie oder meint sogar, sie sei nicht erforderlich. Wer einmal als Erbe ein Nachlassgrundstück von gegenstandslosen (= löschungsreifen) Lasten und Beschränkungen „entrümpeln“ durfte, kennt den Aufwand und die Höhe der Kosten der Aktionen.
Für die Bewilligungen zur Löschung müssen teils uralte Instituts-Gläubiger ermittelt werden, die mittlerweile einen anderen Namen tragen als im Grundbuch verzeichnet sind, z. B. durch Umwandlung, Veräußerung oder Verschmelzung mit einem anderen Institut. Schließlich gibt es natürliche Personen als Gläubiger/Berechtigter, die längst verstorben sind und deren Erben in der ganzen Welt verstreut wohnen und erst mühsam ermittelt werden müssen. Oder es fehlt die Sterbeurkunde eines vor Jahrzehnten verstorbenen Berechtigten eines Wohnrechts oder Nießbrauchs usw. Es kommt hinzu, dass Kreditinstitute erledigte Darlehensunterlagen nach Ablauf bestimmter gesetzlich vorgegebener Aufbewahrungszeiten vernichten.
Nicht selten hat der Eigentümer die Löschungsbewilligungen sogar erhalten, er hat sie aber nicht an das Grundbuchamt zum Vollzug der Löschung weitergereicht. Oftmals hat er die Bewilligungen der Gläubiger so sicher irgendwo aufbewahrt, dass sie für den Erben unauffindbar bleiben. Um sich dann Gewissheit zu verschaffen, sind Erkundigungen bei Gläubigern und Berechtigten und Auskunftsersuchen beim Handelsregister, Personenstandsregister, beim Standesamt, Einwohnermeldeamt usw. erforderlich.
Erben, die nicht unter Zeitdruck stehen, beauftragen regelmäßig einen Notar mit der Bereinigung des Grundbuchs. Die Notarkosten von ein paar hundert Euro stören sie nicht und Verzögerungen nehmen sie in Kauf. Anders sieht es indes aus, wenn der Erbe in Zeitnot gerät, z.B. wenn er erhebliche Fremdmittel zur Auszahlung von Miterben kurzfristig besorgen muss. Oder wenn er zur
Finanzierung von dringend anstehenden Modernisierungs- oder Sanierungsmaßnahmen des Bauwerks Darlehen aufnehmen muss. Darlehnsgeber verlangen zur Besicherung ihrer Darlehen eine sichere, meist erste Rangstelle im Grundbuch. Und die ist, wie vor beschrieben, belegt und blockiert mit altem „Ballast“.
Es gehört zur Hauptleistungspflicht des Veräußerers, für die Grundbuch-Reinheit zu sorgen. Der Veräußerer gerät oftmals in Leistungsverzug, wenn noch alte Belastungen wegzufertigen sind.
Die Erkenntnis lautet also:
Nicht nur das Haus rechtzeitig von altem Zeug entrümpeln sondern auch gegenstandslose Grundstücksbelastungen beizeiten löschen lassen.
Das Argument der Bank/Sparkasse/Bausparkasse, die Grundschuld nicht zu löschen sondern sie als Sicherungsgrundlage für späteren Kreditbedarf zu erhalten, greift nur in selten und birgt zudem Gefahren des Missbrauchs. Kreditinstitute sind grundsätzlich daran interessiert, einen leistungsstarken, zahlungsfähigen und auch zahlungswilligen Kunden mit einer beleihungswürdigen und auch beleihungsfähigen werthaltigen Immobilie zu halten. Was läge näher, als dem Kunden nach Rückführung des Darlehens zu empfehlen, die Grundschuld nicht löschen zu lassen sondern sie zur Besicherung künftiger Darlehen (z.B. für Erneuerung, Sanierung, Anbau)) aus dem selben Hause „vorrätig“ zu halten. Hierbei wird vordergründig mit der Kosteneinsparung argumentiert. Der (bequeme) Eigentümer wird bei künftigem Kapitalbedarf vermutlich zunächst bei ihm nachfragen und auch eher bereit sein, ein paar Zehntel Zinsmehrbelastung in Kauf nehmen, spart er sich doch Arbeit und einige Euro an Notar- und Grundbuchkosten für die Neubestellung der Grundschuld.
Ich hingegen bin ein Anhänger der Entrümpelung des Grundbuchs, sobald die Belastungen löschungsreif sind. Den künftigen Kapitalbedarf mit Grundschuldsicherung deckt der Grundstückseigentümer durch einen Kreditgeber seiner Wahl, mit Darlehenshöhe, Zinsen und Nebenleistungen gemäß neuem Darlehensvertrag ohne Abtretung der alten Grundschuld, ohne evtl. Zinsänderung und Änderung der Nebenleistungen, ohne der Aufhebung der Brieferteilung (bei Briefgrundschuld), ohne Umschreibung der Vollstreckungsklausel auf den neuen Darlehensgeber und sonstiger Verrenkungen und Änderungen.
Bei dieser Gelegenheit sei noch der Hinweis erlaubt, dass der Eigentümer mit der Löschungsbewilligung die Grundschuld nur löschen kann, für die Abtretung an ein anderes Institut benötigt er stattdessen eine löschungsfähige Quittung in grundbuchmäßiger Form. Letztere wird in machen Darlehensbedingungen ausgeschlossen.
Im übrigen verjährt der Anspruch auf Rückgewähr der Grundschuld in 10 Jahren (§ 196 BGB).