„Wehrt euch nicht, wenn euch jemand Böses tut! Wer euch auf die rechte Wange schlägt, dem haltet auch die andere hin" - findet ihr das sinnvoll und moralisch?


19.08.2021, 08:03

Es klingt erst mal schön und wirkt so „liebevoll“.

Aber ich sehen hier 3 große Probleme:

  1. Es ist so gut wie unmöglich das in der Realität umzusetzen, da man ja auch nicht der Herr über deine Emotionen ist.
  2. Es kann, wie in dem Beispiel oben erwähnt, auch das Leben anderer gefährden.
  3. Das wäre das Gegenteil einer Abschreckung, d.h es würde andere Täter wohl dazu animieren ihre Taten eher zu begehen, dass sie bei manchen Menschen mit keinem Widerstand rechnen würden.

Das Ergebnis basiert auf 33 Abstimmungen

Nicht sinnvoll 58%
Sinnvoll 42%

17 Antworten

Sinnvoll

Man muss aber verstehen, was Jesus genau gesagt hat! Häufig wird diese Aussage verdreht und falsch ausgelegt...

Sollten Christen sich überall verprügeln lassen, ohne sich zu wehren? Sollten sie zuschauen, wenn andere Christen verprügelt werden und sich darüber freuen, dass diese die andere Backe hinhalten können? Das ergäbe doch irgendwie nur wenig Sinn und würde die gesellschaftliche Ordnung gefährden.

Zu der Bibelstelle mit dem "Hinhalten der anderen Backe" ist zu sagen, dass es dabei nicht um Selbstverteidigung oder körperliche Angriffe, sondern um Rache und Beleidungen geht.

Im griechischen Urtext steht das Wort "rhapizo", das einen Schlag mit dem Handrücken ins Gesicht bedeutet. Dies war eine Geste, die z.B. ein Herr gegenüber seinem Knecht tun durfte. Bei Gleichgestellten galt sie als schwere Beleidigung, die nach rabbinischem Recht doppelt bestraft wurde. Deshalb soll man sich durchaus beleidigen lassen, ohne sich zu wehren. Und man soll sich nicht rächen, was wohl die Kernaussage dieser Bibelstelle ist.

Deshalb ist der Vorschlag, auf Beleidigungen nicht zu reagieren und auf Rache zu verzichten, die beste Taktik, um Streit zu deeskalieren und schlimmere Auseinandersetzungen, die über verbale Angriffe hinausgehen, zu vermeiden.

In taktischen Selbstverteidigungsseminaren, in denen es um Notwehr und Nothilfe geht, wird diese Strategie durchaus als wichtige Möglichkeit der Deeskalation und Prävention gelehrt

An diesem Beispiel sieht man wieder, wie lebensnah und -praktisch Jesus die Menschen belehrte.

Das ist nicht wörtlich gemeint, sondern betrifft die alttestamentliche Regel "Auge um Auge, Zahn um Zahn", die es in der Nachfolge Jesu nicht geben sollte. Es ist also eine Frage der inneren Gesinnung und des Umgangs mit Unrecht und Angriffen auf unsere Person.

Als Jesus selbst bei der Vernehmung auf die Wange geschlagen wurde, hat er nicht die andere Wange hingehalten. Der Schlag des Dieners des Hohen Priesters hatte verletzende, bestrafende Bedeutung. Jesus hält ihm nicht die andere Wange hin, sondern weist ihn mit Worten zurecht. Übersetzt heißt das: Wenn dich jemand beleidigt, so antworte nicht mit einer Gegenbeleidigung, lass es nicht eskalieren.

Aber auch das ist nicht immer einfach. Wie oft erleben wir, dass wir verbal angegriffen werden, unter der Gürtellinie, wie es so schön heißt. Wenn Menschen z.B. heimlich, hinter unserem Rücken, Intrigen schmieden, uns in den Rücken fallen, dann fällt es schwer, ruhig zu bleiben. Und dieses Ruhigbleiben fällt um so schwerer, je größer die menschliche Enttäuschung ist.

Und genau da will Jesus uns anleiten, eben nicht auf dem gleichen Niveau zu reagieren.Es dem anderen mit gleicher Münze heimzahlen, wie es ein Sprichwort sagt, genau das sollen wir nicht tun, so verstehe ich das Wort des „Wange-hinhaltens“.

Nur wer in dem Moment der Empörung souverän und beherrscht ist, schafft es überhaupt, nicht zurückzuschlagen. Er belastet sich nicht mit dem Dreck, den der Andere an ihn wirft. Er belässt die Wut und Aggression beim Anderen und geht weiter, lässt den Schmutz abperlen. So kann der Nachgebende die eigenen Ziele weiterverfolgen, ohne Kraft auf den wütenden Angreifer zu verlieren.

Es geht nicht darum, sich oder Familienangehörigen durch Nichtstun zu schädigen. Wenn mir jemand ein Vermögen genommen hat, kann ich auch die gesetzlichen Mittel einsetzen, um es zurückzubekommen. Und natürlich ist Notwehr erlaubt, wenn mein Leben oder das Leben anderer in Gefahr ist. Man darf und soll andere auf ihr Unrecht hinweisen. Auch Jesus hat mit heiligem Zorn auf die Händler im Tempel reagiert. Man darf nur nicht Rachegedanken haben im Sinne von "Auge um Auge, Zahn um Zahn", sondern muss vergeben, auch wenn es schwer ist - so wie Jesus es uns vorgelebt hat.

Sinnvoll

Das ist sinnvoll für alle Menschen, die ein spirituelles Verständnis davon haben, wie Lebewesen miteinander verbunden sind und welche Rolle dabei das Ego spielt, bzw. nicht spielt.

Und was wäre, wenn nicht nur das eigene Leben auf dem Spiel steht

Es sollte immer ethisch gehandelt werden. Wenn jemand Hilfe braucht, sollte geholfen werden.

Das wäre das Gegenteil einer Abschreckung, d.h es würde andere Täter wohl dazu animieren ihre Taten eher zu begehen, dass sie bei manchen Menschen mit keinem Widerstand rechnen würden.

Spirituelle Menschen haben nicht das Ziel jemanden abzuschrecken. Sie animieren auch niemanden. Zumindest nicht mehr als jede andere wehrlose Person.

Es kommt immer auf die Situation drauf an.

Von Mahatma Gandhi kann man lernen, dass es manchmal aktiven und manchmal passiven Widerstand braucht und das man mit passivem Widerstand viel mehr erreichen kann, als oft angenommen wird.

Nicht sinnvoll

Für sich alleine gestellt ist dieser Spruch völlig sinnlos. Und er ist falsch zitiert. Zuerst wird auf die linke, dann auf die rechte Wange geschlagen, warum folg hier:

Die Botschaft hinter dem Spruch ist eine andere. Früher war es üblich mit der rechten Hand zu essen und sich mit der linken Hand das Hinterteil zu reinigen. Früher gab es kein Klopapier und auch kein fließendes Wasser. Bei Muslimen ist das heute noch so, deshalb ist es auch streng verboten mit der linken Hand ins Essen zu fassen und es ist eine schwere Beleidigung, jemanden die linke Hand zu reichen, eben die Hand, mit der man ohne Papier oder Hilfsmittel das Hinterteil nach dem Geschäft reinigt.

Eine Ohrfeige tötet einen Menschen nicht, ein leichter Schlag ins Gesicht ist eher eine Beleidigung, und wenn man einmal an Kulturen denkt, bei denen Ehrenmorde üblich sind, wird dort die Ehre sehr hoch geschätzt. Der Schlag ins Gesicht ist ein großer Ehrverlust.

Schlägt man jemand auf die linke Wange, so tut man dies mit der rechten Hand, also immer noch mit der sauberen Hand, dies ist ein kleinerer Ehrverlust.

Schlägt man jemanden auf die rechte Wange, so tut man dies mit der Linken Hand, ihr wißt schon, was man damit früher gereinigt hat. Dies ist nicht nur ein sehr schwerer Ehrverlust, sonder auch eklig.

Nun geht das Zitat in der Bibel aber noch weiter. Und zwar: Wenn Euer Leben bedroht wird, dann kämpft mit zwei Schwertern.

Der Kampf mit zwei Schwertern ist die schwierigste Art zu kämpfen, da man dabei keinen Schild hat, den man zum Schutz verwenden kann.

Der Sinn des Spruches ist also: Wenn nur jemand Eure Ehre verletzt, dann bleibt gelassen, es ist es nicht wert wegen einer Ehrverletzung und auch nicht wegen einer schweren Beleidigung zu kämpfen. Denkt dabei an Kulturen, die wegen kleinen Ehrverletzungen sofort Ehrenmorde begehen oder Jahrzehnte dauernde Familienstreitigkeiten vom Zaun brechen. Das ist die Sache nicht wert! Auch Nachbarschaftsstreitigkeiten wegen Beleidigungen oder mal eine Lärmbelästigung sind es nicht wert.

Aber wenn Euer Leben bedroht wird, dann kämpft entschlossen und wirkungsvoll und zwar nicht feige hinter einem Schild, sondern mutig mit einer der schwierigsten Kampftechniken, die Kraft, Geschick, Schnelligkeit und Ausdauer erfordert, gleichzeitig aber kein feiges Verstecken hinter einem Schild bedeutet.

Es heißt aber auch, dass man auf die Verhältnismäßigkeit seiner Mittel achtet. Mobbing zum Beispiel entsteht auch dann, wenn man sich alles gefallen lässt. Der Tipp Mobbing zu ignorieren ist völlig falsch. Wer sich ärgern lässt, dann heißt es "Mit dem kann man es ja machen". Man muss also was sagen und sich wehren. Aber man darf sich wegen ein Bischen geärgert werden nicht gleich mit unverhältnismäßiger Gewalt wehren, sonst ist man selbst der Böse. Und darauf legen es ja Mobber gerne an. Sie ärgern jemanden mit kleinen Sticheleien so lange, bis er ausrastet. Für die Lehrer sind dann aber nicht die Mobber, sonder derjenige, der ausgerastet ist der Aggressor.

Bibelzitate und auch solche aus anderen religiösen Schriften stammen aus einer ganz anderen Zeit mit ganz anderen kulturellen Hintergründen. Das muss man dabei immer berücksichtigen. Zweitens darf man sie oft nicht alleine stellen, sondern muß auch den Zusammenhang sehen.

Tommyleinchen59  19.08.2021, 09:06

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