Minusstunden wegen Corona?

2 Antworten

Wenn ich das richtig verstehe, ist mit Dir keine Kurzarbeit vereinbart worden?

Unter dieser Voraussetzung gilt:

Minusstunden wegen Corona?

Nein!

Sind wir verpflichtet diese Minusstunden nachzuarbeiten?

Nein!

Und im Falle einer Kündigung(von unserer Seite aus) werden uns die Minusstunden von unserem Lohn abgezogen?

Nein!

Zur Erklärung:

Es gehört, neben der Bezahlung des Entgelts, zu den arbeitsvertraglichen Hauptpflichten des Arbeitgebers, Dich für die vertraglich vereinbarten Arbeitsstunden zu beschäftigen und zu bezahlen. Beschäftigt der Arbeitgeber Dich aber nicht ausreichend oder nicht wie vereinbart - gleichgültig, aus welchen Gründen (ob er nicht kann, z.B. weil es zu wenig Arbeit gibt, oder ob er freiwillig oder behördlich gezwungen den Laden "herunterfährt"; auf ein "Verschulden" seinerseits kommt es also nicht an) -, fallen die Konsequenzen aus der Nicht-Beschäftigung ihm zur Last.

Grundlage hierfür ist das Bürgerliche Gesetzbuch BGB § 615 "Vergütung bei Annahmeverzug und bei Betriebsrisiko":

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

Also:

Wenn Dein Arbeitgeber Dich nicht für die vereinbarten Arbeitsstunden beschäftigt, muss er Dich trotzdem so bezahlen, als würdest Du normal weiterarbeiten - es entstehen also keine Minusstunden!

Du musst die tatsächlich aber nicht gearbeiteten Stunden auch nicht nacharbeiten oder mit eigenen Ansprüchen (Entgelt, Überstunden, Urlaub) verrechnen lassen.

Strenggenommen ist aber Voraussetzung (eigentlich), dass Du diesen Zustand (dass der Arbeitgeber Dich wegen der verordneten oder selbst entschiedenen Schließung der Kita nicht beschäftigt) nicht widerspruchs- oder kommentarlos hinnimmst, sondern Deine Arbeitskraft auch anbietest (obwohl auch das nicht immer zwingend erforderlich ist)!

Auch das ist gesetzlich festgelegt im BGB § 293 "Annahmeverzug" in Verbindung mit § 294 "Tatsächliches Angebot". Aber vielleicht ist ihm diese Voraussetzung (die im Übrigen - wie schon gesagt - nicht immer zwingend erfüllt sein muss) auch nicht bekannt.

Ob Du Dich mit Deinem "guten Recht" in der konkreten Situation gegen den Arbeitgeber - eventuell auch streitig - aber behaupten kannst oder willst, kann ich nicht beurteilen; "Recht haben" und "Recht bekommen" sind leider viel zu oft zwei sehr verschiedene Dinge ...

Zur Kurzarbeit:

Wenn der Arbeitgeber wegen der fehlenden oder zu geringen Arbeitsmöglichkeit Kurzarbeit einführen will, dann muss er sich mit den Arbeitnehmern diesbezüglich einigen (Einverständniserklärung, Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag) und dann einen entsprechenden Antrag auf Kurzarbeitergeld bei der Agentur für Arbeit stellen.

Voraussetzung für die Kurzarbeit ist dann, dass Zeitguthaben (Plusstunden) und Resturlaube aus dem Vorjahr erst einmal verbraucht werden müssen. Der Urlaub für das aktuelle Kalenderjahr ist für den Arbeitgeber dagegen "tabu".

Die wegen der Kurzarbeit weniger gearbeiteten Stunden werden den Arbeitnehmern dann von der Agentur für Arbeit über den Arbeitgeber zu 60 % (bei mindestens 1 Kind 67 %) bezahlt.

Deine Ansprüche kannst Du auch noch nachträglich geltend machen, wobei aber Fristen zu beachten sind:

Zwar gilt für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis in Deutschland grundsätzlich die gesetzliche Verjährungsfrist von 3 Jahren nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch BGB § 195 "Regelmäßige Verjährungsfrist". Ansprüche aus 2020 kannst Du dann also noch bis zum 31.12.2023 geltend machen.

Diese gesetzliche Verjährungsfrist kann aber arbeits- oder tarifvertraglich durch viel kürzere Ausschlussfristen ersetzt werden; die Ausschlussfrist darf einzelvertraglich 3 Monate nicht unterschreiten, tarifvertraglich kann sie kürzer sein, beträgt aber meist 3 oder zweistufig 6 Monate (zweistufig: Geltendmachung innerhalb von 3 Monaten, Einleitung gerichtlicher Durchsetzung innerhalb weiterer 3 Monate).

Nachtrag:

Minusstunden können im Übrigen überhaupt nur entstehen, wenn es ein vertraglich vereinbartes Arbeitszeitkonto gibt, das auch den Umgang mit Minusstunden regelt (wobei das keine Rolle spielt, wenn - wie in Deinem Fall - der Arbeitgeber die Minusstunden zu verantworten hat) - kein vertraglich vereinbartes Arbeitszeitkonto, keine Minusstunden!

das kommt ganz auf euren betrieb und euer arbeitszeitmodell an.

Familiengerd  09.07.2020, 15:40

Das hat weder mit dem Betrieb noch mit einem Arbeitszeitmodell etwas zu tun, wenn hier Minusstunden entstehen, die der Arbeitgeber zu verantworten hat.

AshleighHoward  09.07.2020, 16:09
@Familiengerd

bei uns haben sie auch mal schnell noch ne betriebsvereinbarung aus dem hut gezaubert, um gewisse themen anders zu regeln, als sonst üblich...

Familiengerd  09.07.2020, 18:11
@AshleighHoward

Diese Betriebsvereinbarungen können aber nicht dazu führen, dass Du Minusstunden machst.

Wohl kann über eine Betriebsvereinbarung die Einführung von Kurzarbeit vereinbart werden, ohne dass also der Arbeitgeber jeden einzelnen Arbeitnehmer um Zustimmung zur Kurzarbeit bitten muss.