Heißt für euch Hartz 4 der Eltern = dumme Kinder?

9 Antworten

Bildungserfolg hat sehr viel mit der "Bildungskultur" der Familie zu tun, mMn deutlich mehr als mit der Schule.

Bildungskultur heißt: mit dem Kleinkind von der Geburt an viel sprechen, dem Kleinkind vorlesen, mit ihm Bilderbücher anschauen, ab der ersten Klasse mit ihm regelmäßig in die Bibliothek gehen, mit ihm über die Bücher reden, die das Kind liest, sich für die Hausaufgaben interessieren, Kontakt zu den Lehrern halten, Elternabende besuchen, Lernanregungen bieten (Ausflüge, Museumsbesuche), Begabungen fördern (Sport, Musikunterricht, Chor etc.) usw. Grundlegend: Dafür sorgen, dass das Schulkind pünktlich zur Schule kommt, seine Materialien und ein gesundes Vesper dabei hat.

Fakt ist nun leider, dass in sozial prekären Verhältnissen, auch in vielen Hartz4-Familien, vieles davon einfach nicht gegeben ist. Wenn das fehlt, ist es unwahrscheinlich, dass die Kinder schulisch erfolgreich sind. Das kann kein Lehrer ausgleichen. Sie sind dann nicht "dumm", aber sie verlassen die Schule mit schlechten Noten oder schaffen den Abschluss gar nicht.

Andererseits gibt es sicherlich auch Hartz4-Eltern, die sich mit Erfolg bemühen, ihre Kinder zu fördern.

Bildung hat doch nichts mit dem Geldbeutel zu tun.

Jein. In der Theorie soll das so sein, in der Praxis sehe ich das nicht so.

Ich nehme mal meine Erfahrungen, nach der Realschule habe ich mich fürs Abi beworben, wurde auch ohne Probleme angenommen, mein Realschulschnitt wies jetzt auch nicht auf größere Probleme hin. Aus meiner Realschulklasse ebenfalls am gleichen Gym aber für eine andere Klasse hat sich noch ein Mädel beworben. Meine Mutter bekam Hartz IV. Wir hatten in der 10 Klasse eine Berufsberatungstante da, der habe ich erzählt: ich möchte mein Abi machen und dann studieren. Sie hat mich so lange genervt, bis ich ihr für ihren Bogen gesagt habe: okay, wenn, würde ich gerne draußen arbeiten. Das andere Mädchen wurde nicht gefragt, sondern da wurde Abiwunsch auf den Bogen geschrieben von dieser Frau - hatte allerdings auch einen besseren Schnitt, muss man sagen. Sie hat einen einzigen Brief wohl von dieser Dame noch bekommen, in der elften Klasse, wo sie nur bestätigen sollte, sie hätte jetzt mit dem Abi angefangen. Ich habe bis zum Ende der 12 Klasse mehrfach Briefe bekommen, was ich tun würde, und das ich mich bewerben solle endlich mal als Landwirt, und das ist bitte doch nachweisen solle, dass ich mich jetzt endlich beworben hätte. Ich habe mehrfach zurückgeschrieben, mit denen telefoniert, ihnen meine Zeugnisse zugeschickt (Schnitt ungefähr 2,5 - sprich war abzusehen, dass ich das Abi auch packe...). Ende der 12 Klasse wurde es mir irgendwann zu dumm, nachdem ich den 9-10 solchen Briefen bekommen habe (zum Teil mit der Drohung, wenn ich mich jetzt nicht bewerbe, überlegen sie das Geld zu kürzen), und bin persönlich hingegangen. Mir wurde gesagt und da muss ich heute noch schlucken, oder will jemanden schütteln: Es sei nicht vorgesehen, dass Kinder von Menschen die Hartz IV beziehen ein Abitur machen sollen, denn es brächte doch eh nichts und ich solle mich lieber mit dem Beruf das Landwirtes zufrieden geben. Was sie nicht sagte, was ihr Blick aber deutlich zu verstehen gab: ich solle lernen wo mein Platz sei und der sei nun Mal nicht bei den gebildeten Menschen, der Blick sagte: was du willst du eigentlich mit einem Abitur.

Gleichzeitig haben meine Mutter und ich einen regelrechten Kampf geführt - die Schule war ungefähr 20 km weit weg (in einem anderen Landkreis, weil es in meinem unmöglich gewesen wäre). Ich brauchte zwei verschiedene Busfahrkarten, monatlich einmal 75€ und einmal ungefähr 25€ - also zusammen 100 € - im Monat - von Hartz IV - die Arge war nicht zuständig, das Sozialamt auch nicht, der Kreisrätin (DieLinke) die wir deswegen mehrfach abgeschrieben haben, tat das ganz furchtbar leid, und ja sie sähe das Problem, aber leider leider könne sie da gar nichts tun, ob wir denn schon mal den Landtag angeschrieben hätten. Der Landtag fand das Problem auch ganz furchtbar, aber das sei Sache des Landkreises, sie können da leider gar nichts machen.

Meine Mutter hat es also alleine bezahlt. 100€ im Monat - wer die Hartz IV Sätze kennt... Inzwischen bezahlt es angeblich das Land, in solchen Härtefällen...

Mit den Sachen, die mir persönlich passiert sind, im Hinterkopf: DOCH, es hat was mit dem Geldbeutel der Eltern zu tun, auch in Deutschland - obwohl es hier 100x besser ist als in zig anderen Ländern.

Sowas wie Nachhilfe, brauchte ich zum Glück nicht, aber hätten wir uns definitiv nicht leisten können. Sowas wie Bücher, die man als Ergänzung zum Stoff kaufen sollte - immer eine Abwägungssache, manche hatte die Stadtbibliothek.

Wenn man jetzt bedenkt, ich habe einen Sturkopf, aber wenn sowas wie oben, anderen, unsicheren Menschen passiert - ich schätze, da würden einige sich nicht trauen das Abi zu machen, oder würden es abbrechen. Gleichzeitig vermittelt die Gesellschaft halt auch irgendwie das selbe Bild, wie soll man da das Selbstbewusstsein entwickeln, sich gegen solche Arbeitsamtmitarbeiter, gegen Stadträte, gegen all so einen Sch*i* zu kämpfen? Ich habe Glück, ich habe eine intelligente und findige und auch streitbare Mutter, aber manche Hartz IV-Empfänger sind alles andere als intelligent und findig - die Kinder müssen mit sowas also dann alleine klar kommen und wie sollen sie das? Vor allem wenn ihnen auch noch von offizieller Seite vermittelt wird: Wir erwarten nichts von dir.

Doch, in vielen Fällen gibt es da durchaus einen Zusammenhang.

Manche meinen, bei Intelligenz kommt es ausschließlich auf die Gene an. Das stimmt aber nicht, man kann seine Intelligenz auch trainieren und fördern.

Beispielsweise haben Kinder, die die Chance haben, ein Musikinstrument zu lernen, oft bessere schulische Leistungen. Auch eine gesunde und ausreichende Ernährung nützt.

Vor allem aber hilft es Kindern in der Schule, wenn ihre Eltern ihnen zu Hause Unterrichtsstoff noch mal erklären können und bei den Hausaufgaben helfen können. Und das ist gerade bei Familien nah an der Armutsgrenze nicht immer der Fall.

Es gibt aber Fälle, für die das nicht zutrifft: Kinder von Eltern, die von Hartz-IV leben, schaffen auch manchmal ein Abitur und ein Studium, wenn auch längst nicht so häufig wie Kinder von reichen Eltern.

turnmami  20.10.2018, 20:23

das liegt aber nicht an Hartz 4, sondern am Bildungsstand der Eltern!

Dumme Kinder nicht wirklich, aber vielleicht bequeme.

Wie ich immer sage: Es macht keinen Sinn Kinder zu erziehen.... sie machen einem sowieso alles nach.

ALLES... auch das bequeme im Bett liegen bis mittags und sonst? In den Tag leben.

TroIIinger  20.10.2018, 18:18
Dumme Kinder nicht wirklich, aber vielleicht bequeme.

Wie es eben vorgelebt wird. Einem Kind dürfte es schwer zu vermitteln sein, dass es für die Schule arbeiten soll, um später einen anständigen Beruf zu erlernen, wenn es jeden Tag sieht, wie Mama und Papa sich auf die Couch vor den Fernseher wuchten, wenn es zur Schule geht und immer noch dort sitzen, wenn es heim kommt. So ein Kind bekommt täglich vorgelebt, dass es auch ohne Job und Anstrengung geht.

Es ist keine generelle Regel, aber eine Tendenz. Unter den Hartz 4 Empfängern sind eben besonders viele Menschen ohne oder mit einem schlechten Schulabschluss. Intelligenz ist sowohl genetisch veranlagt, als auch von der Förderung durch die Eltern abhängig. Gerade bei Letzterem kommen viele Kinder von H4 Eltern zu kurz.

Eltern die nicht die beste Bildung genossen haben, können oft auch nur in der Grundschule bei den Hausaufgaben helfen, wenn überhaupt.

TroIIinger  20.10.2018, 18:20

Hinzu kommt, dass H4 Eltern dem Kind vorleben, dass es auch ohne Anstrengung und Job geht. Es dürfte dem Kind schwer zu vermitteln sein, dass es sich für die Schule anstrengen soll, während Mama und Papa nur auf der Couch sitzen und fernsehen.

Eltern sollten Vorbilder sein.