Arbeiten bei Versicherung auf Selbstständiger Basis. Was spricht dafür, was dagegen?

8 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo Kevin,

ich bin selbst Versicherungsmakler und habe früher für Versicherungen gearbeitet.

Ich zähle Dir mal ein paar Punkte auf, die wichtig sind:

1.) Du bist als gebundener Versicherungsvermittler (so lautet die richtige Bezeichnung des Ausschließlichkeitsvertreters einer Versicherungsgesellschaft) "nur" ein Scheinselbstständiger und damit grundsätzlich Rentenversicherungspflichtig. Als Existenzgründer kannst Du Dich in den ersten 3 Jahren von der Rentenversicherungspflicht befreien lassen, danach musst Du mindestens einen sozialversicherungspflichtigen Angestellten haben (mehr als 400,- Euro brutto) oder 2 400-Euro-Kräfte.

2.) Du musst Dich als Selbstständiger selbst Kranken- und Pflegeversichern, rechne mal für eine gute Absicherung ca. 250,- Euro, hinzu kommt, dass Du Dir auch ein Krankentagegeld leisten solltest, für den Fall dass Du krank wirst (weil dann bekommst Du von niemanden Geld).

3.) In vielen Fällen ist es so, dass das Fixum, welches Dir die Versicherung anbietet entweder ganz oder teilweise verrechenbar ist. Vorteil, Du hast (zumindest für eine Zeit lang) eine "Grundversorgung", Nachteil Du läufst in die Schuldenfalle, wenn Du keinen Umsatz machst und das jeden Monat ein bisschen mehr.

4.) Der Job des Versicherungsvermittlers ist VERTRIEB, also VERKAUF und als VERKÄUFER musst DU VERKAUFEN, denn davon lebst Du. Verkaufen bedeutet, Du musst jeden Tag Kundentermine generieren, indem Du Akquise betreibst. Akquise bedeutet, dass Du jeden Tag Menschen ansprechen musst auf das Thema Versicherungen und Altersvorsorge, dass Du dort hin fahren musst und diesen Menschen etwas verkaufen musst. Wenn Du für EINE Versicherungsgesellschaft arbeitest bedeutet das auch, dass Du teilweise Produkte verkaufen musst, deren Preis-Leistungsverhältnis nicht stimmt und die es auf dem freien Markt zu besseren Konditionen gibt. Oder noch schlimmer, Du musst Mist verkaufen, den keiner braucht oder der nur kostet und nix leistet (Vorteil des Maklers).

5.) Dein eigener Chef sein ist als Ausschließlichkeitsvermittler nicht. Egal wie nett Dein Chef ist, Du wirst nach Zahlen bemessen. Die meisten Versicherungsunternehmen geben Dir Umsatzziele, die du zu erreichen hast. Nun gibt es unterschiedliche Vorgesetzte, doch die meisten sind nach meiner Erfahrung Drangsalierer, was bedeutet, dass sie psychischen Druck auf Dich ausüben, wenn Du Deine Zahlen nicht bringst. Das geht teilweise bis hin zur Demütigung gegenüber anderen Kollegen.

6.) Nochmal Akquise. Man wird von Dir verlangen und Dir vermutlich mit vielen tollen Worten erklären, dass Du Telefonakquise betreiben sollst. Neben der Tatsache, dass das einer der schwersten und anstrengensten Jobs der Welt ist (Du hörst im Schnitt 20 bis 50 Mal ein "nein" oder Schlimmeres, bis Du ein "ja" hörst) ist die Sache auch noch illegal. Und egal was Dir die anderen erzählen, so lange Du keine Unterschrift von demjenigen hast, den Du anrufst, dass Du ihn anrufen darfst, es ist ILLEGAL und Du kannst abgemahnt werden. Natürlich stehst Du dann ganz alleine da, schließlich bist Du selbstständig und niemand hat Dir gesagt, dass Du Telefonakquise betreiben sollst.

Somit bleibt Dir für die Akquise neben den viel gerühmten neuen Akquisewegen (Web 2.0) nur die klassischen Varianten "Klinkenputzen" also von Haustür zu Haustür rennen oder Anzeigenwerbung und Briefe schreiben mit einer Rücklaufquote von 1 Promill (das ist 1/1000).

7.) Geld verdienen Als gebundener Vermittler bekommst Du etwa 4 bis 6 Monatsbeiträge im Bereich der Krankenversicherung, zwischen 2,5 und 3 Prozent der Versicherungssumme bei Lebensversicherungen und ca. 50% des Nettojahresbeitrages (einmalig) bei privatem Sachversicherungsgeschäft. Wenn Du ordentlich arbeitest und dich anstrengst und jeden Tag mehr arbeitest als normale Angestellte, dann sind Umsätze von 2.000 bis 10.000 Euro oder mehr pro Monat durchaus drin. Bedenke aber, dass Du Kosten hast (Miete, Kredite, Auto, Kranken-, Pflege-, Rentenversicherung, Leben, Rauchen was auch immer) und dass Du mindestens 35% dessen, was Du verdienst zurück legen solltest für Steuern (ca. 25%) und Investitionsrücklage (ca. 10%).

8.) Das böse Storno In der Regel bekommst Du in der Versicherungsbranche Deine Provision im Voraus bezahlt. Bei Krankenversicherungen haftest Du in den ersten 12 - 24 Monaten, bei Lebensversicherungen in den ersten 5 JAHREN(!). Das bedeutet, wenn ein Kunde innerhalb der sogenannten Stornohaftungszeit kündigt, dann musst Du Provision zurück zahlen. Zusammen gezählt solltest Du also Diene Provisionen nicht direkt auf den Kopf hauen, das hat schon mehr als einem das Genick gebrochen (finanziell gesehen).

MEINE TIPPS für den Anfang:

1.) Nimm Dir einen Anwalt und einen Freund zur Seite (oder Eltern, Geschwister usw.) , diese sollen vor allem den Vertrag durchlesen, den Du von der Gesellschaft bekommst und Du selbst natürlich auch.

2.) Nimm Dir einen Steuerberater, der Dir hilft.

3.) Besuch ein Existenzgründerseminar

4.) Tausch Dich bereits im Vorhinein mit Leuten aus der Branche aus.

Das klingt alles so, als hätte ich Vorbehalte gegen meine eigene Branche. Dem ist nicht so, ich liebe meinen Job, allerdings habe ich viele Erfahrungen gemacht, weshalb ich mich auch entschlossen habe, MAKLER zu werden und mich nicht an eine Firma zu binden.

Wenn Du noch Fragen hast, meld Dich gerne bei mir.

Viele Grüße

Andreas

Kevin123 
Fragesteller
 27.08.2010, 18:53

Du hast dir ja echt mühe gegeben für den Beitrag und der hat mich auf jeden Fall mal ein großes Stück weitergebracht. Vielen, vielen dank dafür ;-)

kbvspunktde  27.08.2010, 18:54
@Kevin123

Gerne :-) vielleicht kannst Du mich ja als beste Antwort bewerten. Wenn Du mehr infos oder Hilfe brauchst, einfach melden.

walterdealeman  27.08.2010, 20:24
@kbvspunktde

Gute Antwort, das hätte ich als ehemaliger BD einer Versicherungsgesellschaft nicht besser erklären können. DH!

kunnee  06.01.2015, 17:53
@kbvspunktde

hallo kbvspunkte , ich benötige deine hife bitte um Kontaktaufnahme , Danke

Power100  28.08.2010, 09:28

Super Antwort, dazu zu sagen ist, dass es wirklich Versicherungen gibt, wo man eine gute Ausbildung bekommen kann, auch finanziell am Anfang abgedeckt ist, und in dieser Zeit auch sehen kann, ob es der Job für einen selbst ist. Auf Dauer halte auch ich die Maklertätigkeit als die für den Kunden und auch den Makler befriedigendste und beste Möglichkeit

kbvspunktde  28.08.2010, 10:23
@Power100

JA solche Versicherungen gibt es durchaus, ich habe bei solch einer Versicherung gelernt. Fakt ist allerdings nach der Ausbildung ist schluß mit lustig.

Matthi89  28.08.2010, 10:42
@kbvspunktde

Gute Antwort aber jetzt aufgepasst!!!!!!!!!!!

Dies was hier als Frage gestellt wird hört sich nicht nach Selbständigkeit an... dies hört sich für mich nach der ABZOCKE der HMI bzw. jetzt ERGO an... er hat dir wahscheinlich dieses Blatt gemacht mit den Stufen und du dann später selber Mitarbeiter hast etc. ... und du für einen Versicherungsabschluss mit einem mtl. Beitrag von 75 EUR dann 200 EUR Provision bekommst... bei diesem Modell musst du all deine Freunde und Bekannte bewerben etc. und wirst es mit denen bald verscherzt haben!!! Zudem wirst du für das Anfangsseminar 150 EUR oder so bezahlen da anscheinend viele hingingen und es als kostenlosen Urlaub genutzt haben und nicht auf das Seminar gingen!

Wenn du dich als Versicherungsmarkler Selbstständig machen willst dann nicht über diese Abzocker!!! Als Beispiel: Als richtiger Versicherungsmarkler kriegst du nicht wie oben genannt bei dieser Versicherung eine Provision von 200 EUR sonder von etwa 700 EUR...!!! Zudem wird dich keine seriöse Versicherungsagentur ohne den IHK-Abschluss "Versicherungkaufmann" einstellen... wenn dann als Azubi! Zudem hast du bei seriösen Versicherungsagenturen immer ein Grundgehalt, meistens 400-1500 EUR... grad am Anfang wenn du noch nicht so viele Kunden hast kriegst du eher etwas mehr Grundgehalt. Grad wenn es heißt du sollst Freunde und Verwandte werben dann würde ich meine Finger davon lassen... eine seriöse Versicherungsagentur hat IMMER einen Kundenstamm und du kriegst nach und nach Kunden übergeleitet! Falls du skrupelos genug bist Verwandte abzuzocken dann probiers aus!

kbvspunktde  28.08.2010, 11:08
@Matthi89

Hallo Matthi,

wie kommst Du darauf, dass er vor einem Strukturvertrieb angeworben wurde? Und es gibt durchaus Versicherungsunternehmen, die keinen Kundenstamm haben, weil sie z. B. in einem Gebiet sich komplett neu ausbreiten oder bereits alle Bestände vergeben sind.

Matthi89  28.08.2010, 12:39
@kbvspunktde

Ich gebe zu dass ich mich in der Branche weniger auskenne... jedoch bin ich aktuell sehr aufgebracht über diese Strukturvertriebe die durch Telefonnr.-kauf von Phonic eine Bekannte angeworben haben... es hat sich nur für mich genauso angehört wie dieses Konzept und ich wollte darauf hinweisen!

kbvspunktde  29.08.2010, 13:05
@Matthi89

Positiv denken. Es gibt auch ne Menge guter Leute in der Branche. :-)

kunnee  05.01.2015, 20:08
@kbvspunktde

hallo kbvspunktede

kann ich dir bitte etwas persönliches fragen. bitte um kontaktaufnahme

Hallo, besser als kbvspunktde kann man es gar nicht beschreiben, sehr ausführlich, verständlich und genau. Ich finde in der heutigen Zeit ist es ein " schwerer Job " und jeder will Geschäfte machen! Eine schwere Überlegung. Ich weiß auch nicht, wo Du wohnst, denn vor allem am Land machen immer noch die Banken und Sparkassen das Geschäft! 'Wünsche Dir viel Erfolg und beherzige die Worte von kbvspunktde!

kbvspunktde  27.08.2010, 19:47

auch an Dich vielen Dank. Lob tut gut :-)

Dafür (?): alles, was Du aus deiner Arbeit der Versicherung einträgst, wird zunächst allein dir an Provisionen ausbezahlt und Du erklärst dann dem zuständigen Finanzamt, was hiervon übrig bleibt nach Abzug all' deiner Kosten und was dann erst versteuert wird (ggf. in Verrechnung mit schon bezahlter Vorsteuer). Das beläßt so einigen Spielraum, den der Arbeitnehmer so nicht hat. Dagegen(?): Du bist voll auf dich selbst gestellt, es gibt praktisch keine Grundsicherung in Form eines Gehalts/Lohns für die Zurverfügung deiner Arbeitskraft schlechthin, sondern lediglich eine Vergütung für den Erfolg. Bleibt dieser aus (selbst ohne dein Verschulden), so gibt's für dich kein Geld. Wenn Du z.B. einen Vertragsabschluß einbringst und die Unterlagen (oder auch nur ein Teil davon) gehen irgendwie im Versicherungshaus verlüstig, was dazu führt, daß der Vertrag nicht zustandekommen kann, so erhälst Du keie Vergütung, selbst wenn Du praktisch alle Aufgaben hierzu von deiner Seite erfüllt hattest.

Auf Basis der Selbständigkeit ist das das typische Geschäftsmodell von Finanz-Strukturvertriebe:

http://www.gutefrage.net/tipp/finanz-strukturvertriebe-und-drueckerkolonnen

Bedenke, dass Du keine geregelte Arbeitszeit mehr hast ("Der Kunde ist König" wg. anvisierten Vertragsabschluss), Dir - wenn überhaupt - in den ersten Jahren nur ein Kurzurlaub möglich ist und unter dem Ganzen eine Beziehung und Kinder stark leiden.

Zudem dezimiert sich Dein Freundes- und Bekanntenkreis, sobald der Eindruck entsteht, dass Du ihn "über den Tisch gezogen" hast.

kbvspunktde  28.08.2010, 10:23

Das ist eine einseitige Betrachtungsweise. Nicht jeder Finanzvertrieb ist automatisch ein Strukturvertrieb oder eine Drückerkolonne.

Candlejack  28.08.2010, 13:32

Auf Basis HGB84 ist inzwischen das häufigst anzutreffende Geschäftsmodell auch abseits von Finanzstrukkis. Versicherungen mit angestelltem Außendienst gibt es nur noch seeeehr selten. Vertragsabschlüsse gibt es auch jenseits der Strukkis nicht nur nach 19.00, Urlaub ist bei guter Arbeit auch möglich, meine Ehe und gerade mein Kind leiden nicht mehr als zu Zeiten meiner Festanstellung und mein Bekanntenkreis hat sich ebenfalls nicht dezimiert. Im Gegenteil, aufgrund Kenntnisse und Beratung fragen die zuerst mich :-) Nicht jede Firma arbeitet so und nicht jeder Vertriebler ist eine Kundensau !

Wenn ich die Frage richtig lese, steht dort: Was spricht dafür, was dagegen? Ich möchte hier einfach auch einmal die "andere" Sichtweise aufzeigen, nach dem hier doch wohl überwiegend über selbstständige Handelsvertreter positiv diskutiert wurde. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich nur sagen, ich war selbst 2,5 Jahre freier Handelsvertreter bei einer großen deutschen Bausparkasse, nachdem ich meinen Job in einer Bank an den Nagel gehangen hatte. Das einzig schöne in dieser Zeit war, dass ich das freie Arbeiten kennengelernt habe. Ansonsten habe ich manchmal im Monat von 1000 Euro Brutto gelebt. Davon musste ich dann noch meinen (freiw.) gesetzl. Krankenvers. beitrag aufbringen sowie weitere lfd. Kosten aus meiner Tätigkeit als Bauspar- sowie Versicherungsagent aufbringen. Das war schon nicht ganz einfach. Gut, zugegeben, es gab auch andere Monate, wo das Einkommen stimmte. Aber es waren halt auf Dauer nicht genügend. Dann habe ich mich entschieden, zu einem Versicherer zu gehen, der auschließlich einen angestellten Außendienst mit zugeordneten Kundenstämmen hat. Aus meiner jetzt 3-jährigen Erfahrung dort, kann ich nur sagen, dass ich nie wieder freier Handelsvertreter werden wollte. Ich genieße auch als Angestellter alle zeitlichen Freiheiten, die Außendienst nun einmal mit sich bringt, verdiene aber trotzdem regelmäßig mein (auskömmliches) Grundeinkommen und darüber hinaus gute Provisionen wenn es besser läuft. Im Nachhinein würde ich jedem von einer Tätigkeit als freier Handelsvertreter abraten. Liebe Grüße