Was beinhaltet die Schadensersatz der Anfechtung (§122 BGB)?

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Hallo "Ratsuchender239",

wie Du schon richtig geschrieben hast, so ist der Vertrauensschaden, sprich, das negative Interesse, zu ersetzen.

Stell Dir bitte vor, Du betreibst ein Geschäft und vermietest Fahrräder. Hierzu erhältst Du von A eine schriftliche Anfrage, der gerne für die Zeit vom 01.09. bis 07.09. vier Fahrräder leihen. Ein Fahhrad kostet 100 € pro Woche. Jedoch verschreibt sich A, und wollte eigentlich nur zwei Fahrräder anleihen. Als A am 01.09. bei Dir im Ladengeschäft vorbeischaut, um die zwei Fahrräder abzuholen, schaust Du verdutzt und sagst, dass aber nicht nur zwei, sondern mithin vier Fahrräder gebucht worden seien. A erklärt, er habe sich geirrt und ficht nun seine Willenserklärung gem. § 119 BGB an.

Du teilst mit, dass Du für die Zeit vom 01.09 bis 07.09. völlig ausgebucht bist und wegen der Reservierung des A auch andere Kunden hattest abweisen müssen. Außerdem hättest Du die beiden Fahrräder an eine andere Gruppe für den Zeitraum vom 01.09. bis zum 14.09. vermieten können. Jedoch kannst Du diese Fahrräder für die Zeit vom 07.09. bis 14.09 nun nicht mehr weitervermieten, da die Saison vorbei sei.

Hier richtet sich der ersatzfähige Schaden nach § 122 BGB. Es ist demnach derjenige Schaden zu ersetzen, den Du erleidest, da Du auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut hast. Es ist demnach das negative Interesse ersatzfähig. Du bist so zu stellen, als sei die angefochtene Willenserklärung nie abgegeben worden. Hätte A die zwei Fahrräder nicht irrtümlich bestellt, so hättest Du die zwei Fahrräder vom 01.09. bis 14.09, also sogar für zwei Wochen, an eine andere Gruppe vermeiten können. Dabei hättest Du 400 € eingenommen. Der gem. § 122 Abs. 1 BGB grundsätzlich ersatzfähige Vertrauensschaden beträgt also 400 € (negatives Interesse).

Allerdings ist der nach § 122 Abs. 1 BGB ersatzfähige Schaden auf den Betrag des positiven Interesses begrenzt. Zur Ermittlung dieser Schadensposition ist der Anfechtungsgegner so zu stellen, als sei die angefochtene Erklärung gültig gewesen. In diesem Falle hätte ein Vertrag zwischen Dir und A zweier zusätzlicher Fahhräder vom 01.09. bis 07.09. bestanden. Wäre dieser ordnungsgemäß erfüllt worden, so hättest Du weitere 200 € eingenommen. Das positive Interesse beträgt also 200 €.

Daher ist der ersatzfähige Schaden gem. § 122 Abs. 1 BGB auf 200 € begrenzt.

Viele Grüße, Will.

also ist der Schadensersatzanspruch bzw die Höhe des Schadensersatz aus §122 BGB identisch mit der Höhe des Schadensersatzanspruch wg Schadensersatz wg Unmöglichkeit (positives Interesse)?!?!

Aber warum schreibt man dann nicht in §122 nicht direkt positives Interesse?

@Ratsuchender239

Hallo "Ratsuchender239",

der Schadensersatzanspruch aus § 122 BGB ist und bleibt das negative Interesse, welches sich errechnet, wie von mir oder auch "RobertLiebling" richtigerweise beschrieben.

Das positive Interesse wird hierbei lediglich herangezogen, um eine obere, maximale Grenze zu definieren. Es kann auch durchaus sein, dass das negative Interesse kleiner ausfällt, als das positive Interesse.

Bsp:

  • Negatives Interesse: 300 €
  • Positives Interesse: 150 €
  • Erstattungsfähiger Schaden: 150 €

Bsp:

  • Negatives Interesse: 150 €
  • Positives Interesse: 300 €
  • Erstattungsfähiger Schaden: 150 €

Diese Begrenzung hat auch einen Sinn. Stell Dir vor, jemand kauft einen Hund, vertraut auf den Kaufvertrag und kauft dem Hund eine Hundehütte aus Gold. Wenn nun der Veräufer wegen Irrtum zurücktritt, weil er sich in einer verkehrswesentlichen Eigenschaft geirrt hat, so kann der Käufer nicht verlangen, dass die goldene Hundehütte ersetzt wird, da diese nun nutzlos ist. Hier tritt die Begrenzung auf das positive Interesse ein und schützt den Verkäufer.

Viele Grüße, Will.

@WillLoman

Echt "saunett" von dir, dass du dir so viel Mühe gibst, aber muss trotzdem nochmal nachfragen, sry...

§122 BGB ersetzt doch einen Schaden (Schaden = unfreiwillige Vermögenseinbuße), aber in deinem Beispiel stellt die Hundehütte doch weder einen Schaden noch eine frustrierte Aufwendung dar, sondern eine einfache Aufwendung. Und einfache Aufwendungen sind über Schadensersatzanspruchsnormen doch sowieso nicht ersatzfähig oder irre ich mich da?

Kannst du mir bitte noch ein Beispiel schreiben, indem das negative Interesse geringer ist als das positive Interesse, würde vielleicht helfen den unterschied besser zu erkennen.

DANKE!

@Ratsuchender239

aber in deinem Beispiel stellt die Hundehütte doch weder einen Schaden noch eine frustrierte Aufwendung dar, sondern eine einfache Aufwendung.

Es handelt sich bei der Hundehütte um eine "vergebliche Aufwendung". Eine Art Legaldefinition des Begriffes findest Du in § 284 BGB.

@Ratsuchender239

Noch ein kurzer Nachtrag zur Frage, warum im § 122 BGB nicht das positive Interesse als erstattungsfähig angesehen wird: Wenn dem wirklich so wäre, so müsste der Anfechtende immer und ohne Ausnahme das erstatten, was er auch wirklich hätte bezahlen müssen. In diesem Falle könnte man den § 119 BGB komplett aus dem BGB streichen, da eine Anfechtung dann gar keinen Sinn mehr ergeben würde, da man auch nach einer Anfechtung komplett leisten müsste.

Zum Fall mit dem Hund: Auch die gekaufte Hundehütte und auch ein Halsband und Hundefutter stellen einen Vertrauensschaden nach § 122 BGB dar, wenn der Kaufvertrag angefochten wurde. Der Hundekäufer konnte mithin auf die Wirksamkeit des Kaufvertrages und die Übereignung des Hundes vertrauen, wonach ihm sein Schaden, eben dass er hierauf vertraute, zu ersetzen ist. Es geht hier ja auch um eine Anfechtung nach § 119 BGB und somit lediglich um § 122 BGB. Andere Schadensersatznormen bleiben hier unberücksichtigt. Den Vertrauensschaden betrifft sodann also auch eine Hundehütte und derartige andere Aufwendungen - natürlich wieder nur bis zum positiven Interesse.

Auf Wunsch verdeutliche ich das nochmal an einem anderen Beispiel, gerne auch wie gewünscht so, indem das negative Interesse geringer ausfällt als das positive Interesse.

Beispiel:

Jemand verkauft bei eBay Kleinanzeigen ein Handy - Wert: 200 €. Jemand kauft dieses Handy für 180 €, vertraut auf das Geschäft und fährt 100 km zum Verkäufer um die Ware zu übergeben und zu übereignen. Der Verkäufer ficht sodann seine Willenserklärung an und tritt vom Kaufvertrag zurück. Das positive Intersse beträgt hier 20 €. Eben der Vorteil der entsteht, wenn das Geschäft erfüllt worden wäre. Das negtive Interesse hingegen beträgt nur, sagen wir 10 €, wegen der Fahrtkosten. Das negative Interesse ist somit kleiner als das positive. Mithin wären 10 € gem. § 122 BGB zu ersetzen.

Abwandlung:

Gleicher Fall wie eben, jedoch hatte nun der Käufer des Handys nach Abschluss des Kaufvertrages ein gleichwertiges Handy eines anderen Mitglieds für 150 € angeboten bekommen. Der Käufer hat dies aber abgelehnt, da er bereits das andere Handy für 180 € gekauft hatte. Nun beträgt das negative Interesse nicht nur noch 10 € für die Fahrtkosten, sondern 10 € + die 50 €, die ihm an Gewinn entgangen sind, also 60 €, da er auf das Geschäft vertraut hatte. Jedoch beträgt das positive Interesse hier nur 20 €, wenn das Geschäft zustande gekommen wäre. Es sind demnach 20 € als Schadensersatz zu erstatten.

Es ist zudem richtig, dass es sich bei der Hundehütte nicht um "vergebliche Aufwendungen" handelt, da diese höchstens bei einem Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung nach §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB zum tragen kommen würden, was vorliegend nicht der Fall wäre, da wirksam angefochten wurde.

Viele Grüße, Will.

@RobertLiebling

Also heißt das, wenn ich ein Rechtsgeschäft anfechte, kann ich nicht nur den Vertrauensschaden (der vom positiven Interesse begrenzt wird) einfordern, sondern ich habe auch einen Anspruch über §122 in Verbindung mit §284 BGB auf meine Aufwendungen.

@Ratsuchender239

Nein, "Ersatz vergeblicher Aufwendungen" (§ 284 BGB) kann nur anstelle des "Schadensersatzes statt der Leistung" (vgl. §§ 280 Abs. 1, 281 Abs. 1 BGB) verlangt werden. "Schadensersatz statt der Leistung" ist jedoch gleich dem positiven Interesse. Dies ist bei Anfechtung nicht erstattungsfähig, sondern lediglich das negative Interesse, begrenzt auf das positive Interesse.

@Ratsuchender239

sondern ich habe auch einen Anspruch über §122 in Verbindung mit §284 BGB auf meine Aufwendungen.

Nein. Aber in § 284 BGB ist der Begriff definiert. ;-)

Herzlichen Dank für den Stern.

aber verstehe nicht, was der Vertrauensschaden iSd §122 BGB alles beinhaltet (Umfang)?

Der Vertrauensschaden ist - wie der Name schon vermuten lässt - der Schaden, der dadurch entstanden ist, dass der Vertragspartner auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut hat (negatives Interesse)

so hat der Erklärende[...] den Schaden zu ersetzen, den der andere oder der Dritte dadurch erleidet, dass er auf die Gültigkeit der Erklärung vertraut (aus § 122 (1) BGB).

Der Schadenersatzanspruch ist jedoch nach oben "gedeckelt" durch den Erfüllungsschaden (positives Interesse):

jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus, welches der andere oder der Dritte an der Gültigkeit der Erklärung hat (aus § 122 (1) BGB).

Ein Beispiel:

X inseriert ein gebrauchtes Auto mit Preis VB. Wert laut Schwacke-Liste: 1.400 €. Dieses Auto verkauft er dann an Y zum Preis von 1.500 €. Kurz darauf bekommt X ein Angebot von Z, der 2.000 € für den Wagen bezahlen würde. X will nicht vertragsbrüchig werden und lehnt ab.

Am nächsten Tag ficht Y seine Willenserklärung wegen Irrtums an. Der Anfechtungsgrund war X nicht bekannt. Y ist somit nach § 122 BGB schadenersatzpflichtig. Z hat mittlerweile ein anderes Auto gefunden und demnach kein Interesse mehr.

Negatives Interesse: X hätte das Auto für 2.000 € an Z verkaufen können und damit 600 € Gewinn gemacht. Sein Vertrauensschaden beträgt also 600 €.

Positives Interesse: Hätte Y den Vertrag erfüllt, hätte X einen Gewinn von 100 € erzielt. Sein Erfüllungsschaden beträgt somit nur 100 €.

Da der Schadenersatz auf das positive Interesse beschränkt ist, hat X gegen Y einen Schadenersatzanspruch in Höhe von 100 €.

also ist der Schadensersatzanspruch bzw die Höhe des Scahdensersatz aus §122 BGB identlisch mit der Höhe des Schadensersatzanspruch wg Schadensersatz wg unmöglichkeit (positives Interesse)?!?!

Aber wann schreibt man dann nicht in §122 nicht direkt positives Interesse?

@Ratsuchender239

aber wann = aber warum

@Ratsuchender239

Aber wann schreibt man dann nicht in §122 nicht direkt positives Interesse?

Weil das positive Interesse nur die Obergrenze des SchE festlegt. Der Vertrauensschaden kann auch geringer ausfallen als der Erfüllungsschaden.

@RobertLiebling

Kannst du mir bitte ein Beispiel schreiben, indem der Vertrauensschaden geringer ist als das positive Interesse?

Das kommt natürlich ganz darauf an gegen welche Rechtslage die Anfechtung durchgesetzt wur de, Wenn sich im Nachhinein heraus stellt. dass die Anfechtung zu Unrecht erfolgt ist, machte das den Betreiber natürlich ersatzpflichtig für Sach- und Vermögensschäden, die z.B. durch Verzögerung eines Bauvorhabens entstanden sind.

gegen welche Rechtslage die Anfechtung durchgesetzt wur de

Dazu hätte es nur eines Blickes ins BGB bedurft. Der § 122 BGB bezieht sich auf die §§ 118 ff. BGB und betrifft die Anfechtung einer abgegebenen Willenserklärung.

Wenn sich im Nachhinein heraus stellt. dass die Anfechtung zu Unrecht erfolgt ist

Auch wenn eine Anfechtung wegen Irrtums erfolgt und der Vertragspartner den Irrtum vor/bei Vertragsschluss nicht erkannte oder erkennen musste, ist der Anfechtende Schadenersatzpflichtig.