Ist das arbeitsrechtliche erlaubt was ikea mit meien Bruder macht?

6 Antworten

Er könnte arbeiten?

Möchte er aus persönlichen Gründen nicht arbeiten, weil er z.B. Kinder betreuen muss oder seine alten Eltern, dann ist das seine Privatangelegenheit. Er hat aber nach wie vor eine Arbeitspflicht, auch wenn IKEA sonst für Publikum geschlossen ist.

Bietet seine Filiale also nun Arbeit an? Es gibt ja auch ohne Kunden genug zu tun...

ja natürlich, er soll froh sein, denn er bekommt so sein volles Gehalt und nicht - wie bei Kurzarbeit 60% des NETTOgehaltes

ist doch normal, dass man erst sein Zeitkonto reduziert oder wie stellt er sich das vor?

Familiengerd  19.03.2020, 17:55

Man muss hier unterschieden zwischen dem, was juristisch geregelt ist und dem, was in der konkreten Situation machbar und sinnvoll ist.

Rechtlich gesehen ist Deine Antwort unzutreffend (siehe zur Erklärung meine eigene Antwort).

Ist das arbeitsrechtlich erlaubt was ikea mit meien Bruder macht?

Ganz einfach: Nein!

Eine solche Situation (der Betrieb muss wegen der Infektionsgefahr schließen, oder der Arbeitgeber will das aus eigener "Sorge") fällt in das Betriebsrisiko des Arbeitgebers - und das darf er nicht auf Deinen Bruder als Arbeitnehmer abwälzen.

Grundlage hierfür ist das Bürgerliche Gesetzbuch BGB § 615 "Vergütung bei Annahmeverzug und bei Betriebsrisiko":

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. Er muss sich jedoch den Wert desjenigen anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

Also:

Wenn der Arbeitgeber den Betrieb schließen muss oder aus eigener Entscheidung schließen will, muss er Deinen Bruder trotzdem so bezahlen, als würde er normal weiterarbeiten.

Er muss die tatsächlich nicht gearbeiteten Stunden auch nicht nacharbeiten oder mit eigenen Ansprüchen (Entgelt, Überstunden, Urlaub) verrechnen lassen.

Denn es gehört, neben der Bezahlung des Entgelts, zu den arbeitsvertraglichen Hauptpflichten des Arbeitgebers, Deinen Bruder für die vertraglich vereinbarten oder üblicherweise geleisteten Arbeitsstunden zu beschäftigen. Beschäftigt der Arbeitgeber ihn aber nicht ausreichend oder nicht wie vereinbart - gleichgültig, aus welchen Gründen (ob er nicht kann, z.B. weil der Strom ausgefallen ist oder der Betrieb durch behördliche Anordnung geschlossen werden muss, oder ob er nicht will, z.B. weil ihn die Sorge um das Corona-Virus umtreibt) -, fallen die Konsequenzen aus der Nicht-Beschäftigung ihm zur Last.

Strenggenommen ist aber Voraussetzung (eigentlich), dass Dein Bruder diesen Zustand (dass der Arbeitgeber ihn wegen der verordneten oder selbst entschiedenen Schließung oder Einschränkung des Betriebs nicht oder nicht genug beschäftigt) nicht widerspruchs- oder kommentarlos hinnimmt, sondern seine Arbeitskraft auch anbietest!

Auch das ist gesetzlich festgelegt im BGB § 293 "Annahmeverzug" in Verbindung mit § 294 "Tatsächliches Angebot". Aber vielleicht ist ihm diese Voraussetzung (die im Übrigen nicht immer zwingend erfüllt sein muss) auch nicht bekannt.

Allerdings kann der Abbau von Überstunden könnte vom Arbeitgeber für diese Zeit angeordnet werden, wenn es vertragliche Vereinbarungen (Einzelvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag) zu einem Arbeitszeitkonto gibt und diese Regelungen dem Arbeitgeber die Möglichkeit einer solchen Anordnung geben.

Die Verpflichtung zur Weiterzahlung der Vergütung trotz nicht erbrachter Arbeitsleistung muss der Arbeitgeber nur dann nicht erfüllen, wenn der Betrieb dadurch konkret in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht wäre (Insolvenz). Davon ist hier aber bei einem solchen Konzern und wegen der angekündigten staatlichen Hilfen aber zunächst einmal überhaupt nicht auszugehen.

Ob Dein Bruder sich mit seinem "guten Recht" in der konkreten Situation gegen den Arbeitgeber - eventuell auch streitig - aber behaupten kann oder will, vor allem, wenn die Alternative "betriebsbedingte Kündigung" lauten sollte (was aber bei einer solchen vorübergehenden Lage schwer darstellbar wäre), kann ich nicht beurteilen; "Recht haben" und "Recht bekommen" sind leider viel zu oft zwei sehr verschiedene Dinge ...

Bevor Kurzarbeit eingeführt wird ist es üblich, Zeitkonten abzubauen, da das Arbeit ja einen Teil auffängt und sicher nicht zahlen will, wenn man noch auf einem Polster sitzt.

Übrigens sind Überstunden bzw Gleitzeitstunden exakt dafür da, dass man viel und wenig Arbeit ausgleicht.

MVirus  19.03.2020, 17:08

Das Kurzarbeit-Gesetz wurde aktuell geändert. Es müssen keine Stunden vorher abgebaut werden. Allerdings wird es hier nicht greifen, denn Ikea wird keine Kurzarbeit beantragen stattdessen einfach die Leute abfeiern lassen.

Familiengerd  19.03.2020, 17:52
Übrigens sind Überstunden bzw Gleitzeitstunden exakt dafür da, dass man viel und wenig Arbeit ausgleicht.

Sie sind in aller Regel aber keinen Verfügungsmasse des Arbeitgebers!!

Nein, das ist nicht erlaubt.