Frauen und Kinder zuerst? Schifffahrt?

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In meinen 40 Jahren Seefahrt war ich nie in so einer Situation, aber der Hintergrund ist natürlich klar, und in gewissem Maße wird es wohl heute immer noch so gehalten, wenn eine Extremsituation Entscheidungen verlangt, ohne dass dazu tatsächlich gesetzliche Bestimmungen oder Richtlinien verbindlich herangezuogen werden können.

Von Kollegen und aus der jüngeren Geschichte weiss ich, dass man bei einem Schiffsunglück, wenn ein geordneter Rückzug/Evakuierung möglich und angeraten erscheint, man sich zuerst von den schwachen, kranken und für den Moment wirklich abkömmlichen Leuten nach Möglichkeit als erstes trennt. Soll heißen, dass man sie als erste evakuiert. Sie können kaum helfend eingesetzt werden, sollte man noch Anstrengungen zur Rettung des Schiffes (beispielshalber Leckwehraktionen, Feuerbekämpfung, Kollisionsschutzmaßnahmen etc.) unternehmen wollen und können. Dabei könnten diese Personen möglicherweise zur zusätzliuchen Last/Bürde werden, die weiteren Aktionen behinderten oder selbst zu Hindernissen werden.

Das wird im Hinterkopf immer angedacht werden müssen. Leute, die von Bord sind, sind erstmal 'sicher' und die, die zurückbleiben, können sich auf die Aktionen an Bord konzentrieren. Wenn die Schwächsten von Bord sind, bleiben doch nur die Stärkeren zurück und haben freie Bahn für den Kampf gegen Unbilden/Urgewalten/Natur zur Rettung ihrerselbst.

Eigentlich sollte man dann die Frage stellen dürfen: wer bringt mehr Nutzen für die Gemeinschaft, wer ist am nützlichsten für die nachfolgenden Aktionen, wer stünde nur im Weg und bräuchte selbst Hilfe? Das entschiede die Auswahl, wenn es denn überhaupt die Möglichkeit der Rettung gibt.

Wäre ich in so meiner Lage, würde ich als Kapitän so handeln, auch heute, ohne Gesetz, Instruktion und Bestimmungen und egal, was die Tradition sagt.

Wenn der Kapitän krank oder verletzt ist, wird er die Verantwortung übertragen und gleichfalls evakuiert werden müssen. Es bringt ja nichts, wenn er selbst zur Bürde wird.

Dass der Stärkere gewinnt, setzt voraus, dass es ein Kampf ums Überleben gibt. Das wird normalerweise nicht sein, denn wie gesagt: Rettungsmittel sind ausreichend an Bord, die Qualifikation und Information ist heute jederzeit gewährleistet und so gesehen, gibt es keinen "Kampf um jeden Preis". Der Kampf geht in Richtung 'Schiff - die Plattform für das Überleben " zu retten, und dafür, schon richtig, brauchts die stärksten Leute und klügsten Köpfe!

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Es ist ein Relikt aus vergangener Zeit. Aber dennoch würde ich als Mann wohl eher den Tod wählen, als einem Kind oder einer jungen Dame den Platz zu nehmen. Aber mit dieser Ansicht sehe ich mich vermutlich eher in der Minderheit.

MarSusMar  29.06.2020, 13:07

Ich als Frau würde z.B. alleinreisend keine Familien auseinander reißen wollen.

PlombirEis  29.06.2020, 13:09
@MarSusMar

Finde ich edel. Ginge mir ebenfalls so, da spielt das Geschlecht nur eine untergeordnete Rolle, denn ob verlorene Mutter oder verlorenen Vater, beides sehr traumatisch für ein Kind.

Aus https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Kapit%C3%A4n_geht_als_Letzter_von_Bord

13. Januar 2012: Francesco Schettino, der Kapitän des Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia, verließ sein Schiff vor Abschluss der Evakuierung. Er wurde von den italienischen Behörden in Untersuchungshaft genommen[14] und mehrerer Vergehen (u. a. fahrlässige Körperverletzung und Tötung sowie unterlassene Hilfeleistung durch das vorzeitige Verlassen des Schiffs) angeklagt.[15][16][17][18] Schettino wurde am 11. Februar 2015 erstinstanzlich zu 16 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.[19] Das Gericht verurteilte ihn wegen Schiffbruchs, fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung sowie Zurücklassung Hilfsbedürftiger in Tateinheit mit vorzeitigem Verlassen des Schiffs.