Arbeitsrecht: vom Arbeitnehmer zu zahlende Vertragsstrafe bei Vertragsbruch: was konkret bedeutet Vertragsbruch?
Liebe Community,
eine Frage an alle, die sich mit Arbeitsrecht auskennen.
In meinem neuen Arbeitsvertrag steht unter "Beendigung des Arbeitsverhältnisses" unter anderem folgende Klausel:
"Löst der Arbeitnehmer unter Bruch des Vertrages das Arbeitsverhältnis, so entsteht für den Arbeitgeber ohne Nachweis des entstandenen Schadens ein Rechtsanspruch auf Schadensersatz: 1 Bruttomonatsgehalt. Das Geltendmachen eines nachweisbaren höheren Schadens bleibt vorbehalten"
Mir leutet schon ein, dass wenn ich z.B. einfach nicht zur Arbeit erscheine, der AG dann Schadensersatz haben möchte. Was mich jedoch an der Klausel stutzig macht, ist die Tatsache, dass das Wort "Bruch des Vertrages bzw. Vertragsbruch" nicht näher definiert ist. WAS GENAU bedeutet hier Vertragsbruch?! Das könnte dann doch im Prinzip ALLES im Vertrag genannte sein, oder liege ich da falsch? In meinem Vertrag steht z.B. auch, dass ich die Hausordnung einhalten muss, welche besagt, dass ich am Arbeitsplatz nicht essen darf.
--> Heißt das dann konkret, dass wenn ich am Arbeitsplatz eine Mandarine esse und der AG das mitbekommt, er mir eine Vertragsstrafe von einem Bruttomantsgehalt auferlegen kann?!
Also meine allg. Fragen lauten:
1. Wenn der AG im Vertrag nicht benennt, was genau er unter "Vertragsbruch" versteht, gelten dann irgendwelche allgemein bekannten Regeln wie z.B. "Stelle nicht antreten", "Kündigungsfrist nicht einhalten" etc. oder beinhaltet das dann eben wirklich ALLES IM VERTRAG GENANNTE inkl. aller Kleinigkeiten wie das Essen am Arbeitsplatz?
2. Zum Part "Ohne Nachweis des entstanden Schadens": ist das rechtens? Dann kann der AG im Prinzip auch einfach einen Vertragsbruch meinerseits erfinden?!
3. Habe ich gelesen, dass ein Bruttomonatsgehalt der höchstmögliche Schadensersatz ist, den der AG bei Vertragsbruch verlagen kann. Ist dann die letzte Klausel: "Das Geltendmachen eines nachweisbaren höheren Schadens bleibt vorbehalten" nicht unwirksam?
Danke euch im Voraus und liebe Grüße!
6 Antworten
Die von dir zitierte Klausel ist mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit unwirksam. Im Arbeitsrecht wird bei Klauseln im Arbeitsvertrag eine sogenannte AGB-Prüfung vorgenommen. Um es ganz einfach zu machen: aus einer Klausel muss klar hervorgehen was gewollt ist. Bei der von dir zitierten Klausel ist dies nicht der Fall.
Es ist bereits nicht nachvollziehbar, in welcher Konstellation denn der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis unter Bruch des Vertrages lösen kann. Ist eine Kündigung gemeint? Ist eine Kündigung durch den Arbeitgeber gemeint? Ist gemeint, dass ein vertragswidriges Verhalten zu einer Kündigung durch den Arbeitgeber führt? Bereits solche massiven Auslegungszweifel gehen zulasten desjenigen der eine Klausel verwendet, also zulasten des Arbeitgebers.
Auch die Formulierung, dass ein Schaden in Höhe von ein Bruttomonatsgehalt ohne Nachweis zu erbringen ist halte ich für unwirksam. Es wird noch nicht einmal ansatzweise eine erforderliche Zweck Mittel Relation gewahrt.
Diese Klauseln stammen oft aus dem englischsprachigen Rechtsraum. Da gelten auch schlicht andere Spielregeln. Im deutschen Arbeitsrecht machen diese Klauseln selten sind, da meist unwirksam.
Um auf dein Beispiel zukommen: nur weil du eine Mandarine ißt löst du ja nicht das Arbeitsverhältnis, also dadurch kann kein Schaden verursacht werden.
Ich kenne deine Konstellation nicht. Sollte es die Vorlage zu einem Arbeitsvertrag sein einfach streichen lassen. Ansonsten würde ich mir keine großen Gedanken machen, da der Arbeitgeber diese Klausel nicht wird nutzen können
gerne :-)
Auch eine kleine Mandarine kann Streitigkeiten auslösen, selbstverständlich. Es folgen Mahnungen und bei wiederholtem Auftreten im schlimmsten Fall eine Kündigung. Die Klausel ist zwar ungenau, aber nicht unwirksam. Einer AGB Kontrolle würde sie bei Hinzuziehung der Arbeitsbedingungen im Betrieb denke ich standhalten. Sie enthält lediglich viel Auslegungsraum. Ein Bruch des Vertrages könnte sich hier seitens des Arbeitnehmers auf alle betriebsbezogenen Umstände ausweiten. Dazu gehören neben Pünktlichkeit, natürlich auch die Hausordnung oder bestimmte Arbeitsweisen abhängig von der genauen Arbeit.
Wenn aus einer ungenau definierten Klausel mir dann alles mögliche ausgelegt werden kann, würden Sie mir als AN raten, dies so nicht zu unterschreiben?
Nicht "Alles", sondern alles Betriebsbezogenes. Wir kennen leider die Arbeitskonditionen nicht um eine Abwägung durchzuführen. Fragen Sie sich wie schnell so eine Stelle Ihrerseits wieder gefunden werden kann, wie die Gehaltsgrenze sei usw.
ich danke Ihnen für Ihren Rat!
leewarrior die Klausel ist unwirksam. § 309 BGB.
Na ja §309 BGB hat mehrere Nummern, einfach etwas in den Raum zu werfen hilft uns nicht weiter. Wenn Sie die Vertragsstrafen (Nr. 6) aber meinen, dann verweise ich Sie auf die neuesten Rechtsprechungen des BAG, wo es in den AVen durchaus fast immer möglich ist, Vertragsstrafen einzubinden. (Sonst wäre der Grundsatz der Vertragsfreiheit und des "pacta sunt servanda" verfehlt.). Wenn Sie jedoch § 307 Abs. 1, S. 2 meinen, dann reichen auch solche vom Themenersteller vorgeführten Klauseln für die Wirksamkeit der Klausel und des AVes aus. (BAG NZA-RR 2009, 519). Wie bereits aber erwähnt fehlen uns in diesem Fall bestimmte Vorstellungen über den Betrieb um gezielte Folgen der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit einer Klausel abzuleiten. Im Fazit wäre die Klausel deshalb wirksam und die Straffolgen i. H. v. einem Monatsgehalt auch angemessen und stelle keine Übersicherung des AGers dar.
Da steht das bei Lösung des Dienstverhältnisses durch Vertragsbruch deinerseits kann er einen Schadenersatz verlangen.
Wenn du also am Arbeitsplatz eine Mandarine isst, löst du damit ja nicht das Dienstverhältnis.
Man kann also davon ausgehen das damit gemeint ist wenn du z.B. ohne Einhaltung der Kündigungsfrist einfach gehst bzw. kündigst. Oder eben die Stelle nicht antrittst.
Ich weiß ja nicht was dein Arbeitsvertrag noch so beinhaltet, von daher ist schwer zu sagen ob die zusätzliche Klausel unwirksam ist.
Ein Vertragsbruch bzw. ein entstandener Schaden kann nicht einfach so erfunden werden, den muss der Dienstgeber schon nachweisen können.
Aber für mich beinhaltet die Klausel NUR das Lösen des Dienstverhältnisses durch Vertragsbruch. Andere Vereinbarungen des Dienstvertrags wie das essen am Arbeitsplatz bleiben davon unberührt.
ich danke dir für deine ausführliche Antwort, das konnte mir bereits weiterhelfen!
Mit der Hausordnung bin ich mir da aber nicht so sicher: denn in einem Vertrag steht, dass wenn ich die Hausordnung nicht befolge (z.B. Essen am Arbeitsplatz), dies die Kündigung zur Folge haben kann --> dann würde ich das Arbeitsverhältnis ja durch Vertragsbruch auflösen, oder?
"Ich weiß ja nicht was dein Arbeitsvertrag noch so beinhaltet, von daher ist schwer zu sagen ob die zusätzliche Klausel unwirksam ist." --> im Bezug auf Schadensersatz oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses steht in meinen Vertrag sonst nichts mehr
Wenn du gekündigt wirst weil du dich nicht an die Hausordnung hältst könnte es schon ein Vertragsbruch sein, aber genau genommen löst ja dann der Dienstgeber das Dienstverhältnis.
Das müsste dann auch so im Vertrag stehen, z. B. sollte dann dort stehen : oder wird das Dienstverhältnis durch Verschulden des Dienstnehmers gelöst....., es müsste dann meiner Meinung nach anders formuliert sein.
Grundsätzlich sollte man sich eh an den Vertrag halten. Viele Verträge habe auch eine zusätzliche Verschwiegenheitsklausel, da kann es sein das ein höherer Schaden entsteht wenn man sich nicht an den Vertrag hält. Kommt auf die Branche an, und da kann auch der zusätzliche Satz greifen.
Ich denke aber mal du kannst davon ausgehen das dann ein eindeutiger Vertragsbruch gegeben ist wenn du eben die Arbeit nicht antrittst, die Kündigungsfrist nicht einhältst oder Grund für eine fristlose Entlassung setzt. Also z.B. Betriebsgeheimnisse ausplauderst, dann kann der Dienstgeber eventuell auch höher Schadenersatzansprüche geltend machen. Sofern er diese nachweisen kann.
alles klar, das hatte ich fast schon vermutet. Vielen Dank für deine Hilfe! :-)
Um die Antwort von Anna mal weiterzuführen...
die Klausel dient allein dazu, den (neuen) Arbeitnehmer daran zu hindern, das Arbeitsverhältnis gar nicht erst anzutreten oder eine ungerechtfertigte fristlose Kündigung auszusprechen.
Eine andere Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis vertragswidrig zu lösen, gibt es nämlich nicht.
danke für Ihren Beitrag! Naja, vertragswidrig verhalte ich mich ja immer dann, wenn ich meine im Arbeitsvertrag beschriebenen Pflichten nicht einhalte, was dann meine Kündigung zur Folge hätte und somit das Arbeitsverhältnis gelöst wäre, oder nicht?
Die Klausel müsste gem. § 309 BGB unwirksam sein. Entweder nach § 309 Nr. 5 BGB oder nach § 309 Nr. 6 BGB.
Ich würde die Klausel so auslegen, dass es eine Vertragsstrafe ist. Die ist allgemein gegenüber Verbrauchern unwirksam.
Anhand welcher Kriterien würden Sie sagen, dass in diesem speziellen Fall eine Vertragsstrafe vorliegt? Ein Schadensersatzanspruch aufgrund von Vertragsbruch ist ja eigentlich rechtens, oder nicht?
Schadensersatz grundsätzlich ja, wobei die Einschränkungen der Arbeitnehmerhaftung gilt. Beispielsweise: Man beschädigt beim Kunden ausversehen Sachen. Dann haftet der Arbeitnehmer nur für grob fahrlässiges Verhalten.
Aber in der Regel gibt es kein Schadensersatz ohne Nachweis des Schadens. Wenn es ein Pauschaler Schadensersatz wäre dann müsste da was drin stehen wie etwa: "Der Arbeitnehmer kann den Nachweis eines geringeren Schadens erbringen".
Steht da sonst noch was zu der Klausel?
Also wenn sonst nichts weiteres steht bin ich mir fast nahezu sicher, dass die Klausel unwirksam ist.
Um welche Branche handelt es sich? Es wirkt für mich ein wenig komisch. Ich kenne solche Klauseln eher aus B2B Verträgen, aber nicht auf Arbeitgeber - Arbeitgeberseite. Oder eine Klausel für Wettbewerbsverbot.
Das Problem was sich bei diesem Vertrag noch ergeben kann ist, dass der Arbeitgeber später behauptet, diese und diese Pflicht verletzt zu haben und einfach den Lohn einbehält.
Ich würde auf jeden Fall raten bereits jetzt eine Rechtsschutzversicherung für Arbeitsrecht abzuschließen.
Was noch zu ergänzen ist: Da die Klausel unwirksam ist, kannst du sie dir gedanklich einfach wegstreichen, als ob die nie dringestanden hätte.
danke für die ausführliche Erklärung! :-)
dann sieht es ja doch nicht so schlecht für mich aus :-) ich danke vielmals für diese ausführliche und absolut klar verständliche Hilfe!