Welche Absichten verbergen sich hinter GG Artikel 146?

6 Antworten

Wieso bietet man uns (dem Volk) nicht an, dieses Gesetz zu verwenden?

Und wie sollte man das konkret tun? Der Art 146 GG ist geltendes Recht und kann bei Bedarf jederzeit angewendet werden.

Wir könnten damit Volksabstimmungen einführen, ohne, dass Politiker darüber entscheiden, ob wir sowas haben, oder nicht?

Tendenziell eher "oder nicht", denn

  1. sagt Art 146 GG nicht, dass eine neue Verfassung zwingend per Volksentscheid eingeführt werden muss oder kann
  2. könnte man Volksentscheide auf Bundesebene auch über eine Änderung der bestehenden Verfassung, also des Grundgesetzes, erreicht

Um den Art. 146 GG zur Verstehen sollte man sich ein bisschen mit der deutschen Geschichte seit 1945 auseinandersetzen. Als das Grundgesetz 1949 in Kraft trat gingen nicht wenige Deutsche im Westen wie auch teilweise im Osten davon aus, dass die deutsche Teilung nur von kurzer Dauer sein kann. Dass sie gut 40 Jahre dauerte konnte und wollte damals keine glauben. Daher wollte man betont alle Wege für den Fall einer baldigen Wiedervereinigung offen lassen. Als 1990 die DDR dem Geltungsbereich des Grundgesetzes gemäß Art 23 GG alte Fassung beitrat, wurde der Art 146 GG nur behutsam verändert, um gegebenenfalls den Weg für eine neue gesamtdeutsche Verfassung offen zu lassen. Man entschied sich damals aber für Verfassungskontinuität, die DDR trat wie bekannt gemäß Art 23 GG alte Fassung dem Geltungsbereich des Grundgesetzes bei. Kurzum: das Grundgesetz hat sich als deutsche Verfassung bewährt und nur wenige sehen derzeit einen Bedarf, dieses zu ändern.

Welche Absichten verbergen sich hinter GG Artikel 146?

Nun ja, vereinfacht gesagt, eine Möglichkeit das GG abzulösen ohne das ein revolutionärer Zustand eintreten müsste. Wobei der Artikel ohnehin eher deklaratorischer Natur ist. Wenn sich generelle eine große Unterstützung für die Ablösung einer Verfassungsordnung durch einer andere findet ist es völlig irrelevant ob die alte Verfassung nun eine Möglichkeit zur ablöse gibt oder nicht. Du kannst dir ja die Situation in Venezuela ansehen.

Obwohl die dortige Verfassungsordnung keine Möglichkeit zur ablöse von sich selbst kennt, wird durch die direkte Wahl einer Nationalversammlung eine neue Verfassungsgebende Autorität implementiert bzw. legitimiert. Wobei sich diese auch grade im politischen Konflikt mit der Autorität entsprechend der alten Ordnung befindet.

Wieso bietet man uns (dem Volk) nicht an, dieses Gesetz zu verwenden?
Wir könnten damit Volksabstimmungen einführen, ohne, dass Politiker darüber entscheiden, ob wir sowas haben, oder nicht?

Na ja, mal abgesehen davon, dass "das Volk" keine homogene Einheit darstellt, die über einheitliche Interessen verfügt, ist es in der momentanen Ordnung nun einmal so, dass die Interessen der verschiedenen Teile des Volkes in einer in einer möglichst breitgefächerten repräsentativen Autorität in Form des Parlaments gebündelt sind. Innerhalb dieses Parlaments gibt es praktisch keine Kräfte die nach einer Ablöse der derzeitigen Verfassungsordnung durch eine neue streben. Bestenfalls tun dies einzelne Abgeordnete.

Der Volkswille wird also im Sinne der Ordnung des GG durch das Parlament repräsentiert. Polemisch ausgedrückt: der Wille des Parlaments, ist aus Sicht des GG der Wille des Volkes.

Ironischer weise, ist eines deiner Argumente, für eine Verwendung von 146. GG, dass man damit "Volksabstimmungen einführen" könnte, "ohne, dass Politiker darüber entscheiden ob wir so was haben", obwohl der 146. GG in logischer Konsequenz der Verfassungsordnung in der er existiert überhaupt keine direkte Volksabstimmung für die neue Vefassung voraussetzt. Eine neue Verfassungsordnung könnte auch schlicht das Parlament beschließen.

Da ich jetzt schon einen relativ längeren Text alleine zum Verständnis von Artikel 146 GG. verfasst habe, halt ich mich bei dem, wieso dieser nicht "getriggert" wird eher Kurz (und vielleicht auch eine wenig Vage). Verschiedene Interessen verschiedener Gruppen, Ideologie, Vor- und Nachteile direkter und repräsentativer Demokratie, dass Grundgesetz, ist zumindest im Sinne des "bürgerlichen Staates" eine recht gute Verfassung.

Persönlich bin ich zwar dafür direkt demokratische Elemente ins GG aufzunehmen (wobei ich hier weitestgehend für aus der Bevölkerung indizierte Volksentscheide bin und nicht für vorgeschriebene Abstimmungen in bestimmten Fällen), allerdings halte ich eine neue Verfassung für unnötig.

IanGaepit  29.01.2018, 14:11

Als kleiner Zusatz: es gibt wohl auch keine "Bewegung für eine neue Verfassung" innerhalb der Bevölkerung die genügen Unterstützt hat um aus "eigener Kraft" eine verfassungsgebende Autorität zu implementieren. Allein daraus, liegt der Schluss nahe, dass "das Volk" gar keine neue Verfassung will.

Wir könnten damit Volksabstimmungen einführen

Unsinn, das GG sieht die Entscheidung des Volkes nur für diesen einen Artikel vor. Er impliziert in keiner Weise daß damit Volksentscheide in allen anderen Fragen herbeigeführt werden müssen oder können.

Ein Volksentscheid ist zudem nur in Art. 29, Abs. 2 vorgescghrieben.

thesisman 
Fragesteller
 28.01.2018, 17:27

Doch, dieser Artikel ermöglicht ein neues Grundgesetz in dem Volksentscheidungen in allen Fragen erlaubt sein könnten.

Artus01  28.01.2018, 19:37
@thesisman

Der Artikel 146 GG ermöglicht es"dem deutschen Volk in freier Entscheidung eine neue Verfassung zu beschließen". Allerdings steht dort nichts von einem Volksentscheid wie beispielsweise in Art. 29, Abs. 2.

So einfach wird man das Grundgesetz nicht los.

Ganz so einfach ist die Sache nicht. Die Einführung von Volksabstimmungen auf Bundesebene würde tiefgreifende Änderungen im Gesetzgebungsverfahren des Bundes erfordern. Darum geht es nicht in Artikel 146.

1949 konnte sich wohl kein Mensch vorstellen, dass die deutsche Teilung noch 40 Jahre dauern würde. Art. 146 sah vor, dass die Deutschen sich nach erfolgter Überwindung der Teilung eine neue gemeinsame Verfassung geben sollten, die das Grundgesetz ersetzen würde. Die Forderung "in freier Entscheidung" fordert übrigens nicht unbedingt eine Volksabstimmung; auch die Entscheidung einer Nationalversammlung oder eines Parlaments gilt als Entscheidung des Volkes.

1990 kam dann die Einheit. Das Volk der DDR, vertreten durch die Volkskammer, entschloss sich in freier Entscheidung, das Grundgesetz auch für diesen Teil Deutschlands als Verfassung anzunehmen. Im Westen war keine solche Entscheidung erforderlich, da galt es ja sowieso.

Im Prinzip ist Art. 146 GG heute überflüssig. Es handelt sich wohl in erster Linie um eine Deklaration, dass der Wiedervereinigungsauftrag von 1949 erfüllt worden ist. Dass das Volk sich eine neue Verfassung geben kann, wenn es will, ist selbstverständlich. Und dabei ist es auch nicht an irgendwelche Forderungen der alten Verfassung gebunden. Die völlige Abschaffung des Art. 146 wurde übrigens ernsthaft diskutiert, wurde aber wohl als Leichenschändung empfunden.

Du hast Das Recht zur politischen Partizipation. Also wenn du genug Leute überzeugen kannst, kannst du den Artikel anwenden...

Ist aber eigentlich nicht der Sinn und Zweck von Artikel 146 umfassende Volksabstimmungen einzuführen.

Zumal dafür wahrscheinlich schon eine umfassende GG Änderung ausreichen würde.

thesisman 
Fragesteller
 28.01.2018, 19:38

Der Artikel macht es ja möglich, das GG komplett gegen ein anderes zu wechseln.

thesisman 
Fragesteller
 29.01.2018, 20:25
@MrRecht

Ja stimm, weiter:

... Dann könnte man das neue Grundgesetz etwas demokratischer auslegen und Volksabstimmungen einführen.

MrRecht  29.01.2018, 20:30
@thesisman

Könnte man das gegenwärtige auch