Wann muss/soll man ein Vermächtnis dem Jobcenter melden? Nach Kenntnisnahme oder nach Zufluss?

5 Antworten

Sobald ein Leistungs-Bezieher "einen Anspruch gegen einen Anderen" (SGB II § 33) erworben hat, ändert sich die Rechtslage, wenn auch noch nicht die Einkommenslage oder die Vermögenslage.

Auch diese Änderung der Lage ist dem Jobcenter unverzüglich zu melden, steht in SGB I § 60. Denn es könnte ja sein, dass derjenige, der das Vermögen um das es im Vermächtnis geht, besitzt (z. B. der Nachlass-Verwalter), dies nicht so schnell wie möglich dem Begünstigten übereignen möchte.

Dann kann das Jobcenter hingehen und rechtliche Schritte gegen den derzeitigen Besitzer einleiten - oder abwarten, ob der Leistungs-Bezieher dies tut und mit welchem Erfolg (SGB II § 33 Absatz 4).

Ab dem Tag, an dem der Anspruch des durch das Vermächtnis Begünstigten besteht, besteht auch ein Regress-Anspruch des Jobcenters - bis maximal der Höhe der Leistungen, die ab diesem Tag geflossen sind.

Einfacher gesagt: Wenn in dem Vermächtnis steht, dass mir ab dem 10. Mai (oder ab dem Tag des Ablebens) 20.000,- Euro zustehen und ein Pferdestall, dann ist das ALG II für dieser Tag (rechnerisch; genau genommen aber ab dem ersten des Monats) zurückzuzahlen, wenn es bereits ausgezahlt wurde - oder gar nicht mehr auszuzahlen (spätestens ab dem Folgemonat), höchstens noch als Darlehen (s. SGB I § 24 Absatz 4 und 5).

Ob und wie lange es kein ALG II mehr geben wird (oder nur noch als Darlehen), ergibt sich indirekt aus SGB II § 11 Absatz 3 "Einmalige Einnahmen": Bei 20.000,- kriegt ein Single sechs Monate lang gar keine Leistungen mehr. Danach wird das Einmalige Einkommen als Vermögen gewertet.

Dann wird geschaut, wieviel von dem Einkommen noch da ist, also ob das über den Freibeträgen für Vermögen liegt. Sobald es nicht mehr darüber liegt, gibt es wieder ALG II.

Hat man sein Vermögen in der Zeit aber absichtlich vermindert (verschleudert, verschenkt usw.), um möglichst bald wieder ALG II zu bezhiehen, wird dieses drei Monate lang gemindert um ca. 115,- je Monat (§ 31 Absatz 2 Nr. 1 und § 31 a)

- und alles wird später zurückgefordert (§ 34), wenn man nochmal zu Geld kommt (also etwa beim nächsten Vermächnis).

Man sollte also seine Ausgaben dokumentieren und begründen. Weltreisen und andere Luxus-Ausgaben wären zu vermeiden, ebenso Schenkungen (diese sogar aus zwei Gründen). Ob die Reparatur des Daches nötig war oder eine Luxus-Verschönerung, das entscheidet der Sachbearbeiter des Jobcenters oder die danach angerufene Widerspruchsstelle des Amtes oder das danach angerufene Sozialgericht.

Gruß aus Berlin, Gerd

Danke für die (bisher) erste ausführlichere Antwort, die endlich etwas Licht ins Dunkel bringt!

Es wird doch wohl noch erlaubt sein, sich zuerst mal etwas schlau zu machen, wenn man in der Angelegenheit aus Erfahrungsmangel überhaupt nicht durchblickt? Und wenn man sicher gehen will, dass die einem nicht zuviel einbehalten oder abknöpfen. Schließlich machen die doch oft genug, was sie wollen. Ob das nun rechtens ist oder nicht. Wenn man Leistungen, die einem rechtlich zustehen, erst einklagen muss, damit man sie dann hoffentlich irgendwann mal nachgezahlt bekommt, macht das echt keinen Spaß! Und man traut denen dann nicht mehr über den Weg.

Wie geht man denn nun am besten vor, wenn schon Klagen für den betroffenen Bew.-Zeitraum laufen bzw. eingereicht sind? Und da gewisse Dinge ja durchaus erlaubt sind: Sollte man gleich bei Meldung angeben, falls man gewisse Pläne für die Einnahme hat? Ist es okay oder evtl. sogar besser, wenn man bei Meldung gleich erklärt, warum man jetzt erst meldet oder erst Reaktion abwarten? Kenntnisnahme dann und dann, aber keine Ahnung, wie so etwas abläuft und ab wann das V. überhaupt angefordert werden kann?

Da will einem jemand etwas gutes tun und dann kann man es nicht so (sinnvoll) nutzen wie man es gerne möchte! Ist schon ganz schön blöd! Auch wenn man die "Vorrangigkeit" einerseits nachvollziehen kann.

Aber danke für etwas mehr Klarheit! Also müssen sie es schnellstmöglich erfahren, aber anrechnen dürfen sie es erst ab Zufluss. Oder? Denn vorher hat ja noch nichts zur Verfügung gestanden. So habe ich es bis jetzt verstanden.
Aber wie in Puncto Klage/SG vorgehen? Das fälschlicherweise nicht gezahlte Geld steht der LB m. E. ja zumindest bis zum Zuflussmonat zu. Auch wenn die Leist. bis dahin ggf. nur als Darlehen gezahlt werden.
Und eine Bitte an alle, die antworten können und wollen: Bitte "LB" oder "Begünstigte" oder "VN" oder ähnliches schreiben, eben bitte neutral antworten, wenn neutral gefragt wird. Danke.

Mal abgesehen davon: Dieser § 33 SGB ist in den Fachlichen Weisungen zu den §§ 11-12 nirgendwo erwähnt. Der erste Satz im § 33 sagt zwar schon etwas aus, aber von E. oder V. steht dort nirgendwo konkret etwas geschrieben.
Und in den Weisungen zu § 11, Punkt 11.77 ist zwar der Unterschied zw. E. und V. erklärt, aber nicht, wie bei einem V. konkret zu verfahren ist. Wie soll das dann ein Laie verstehen und nachvollziehen können?  - Falls also noch jemand wirklich etwas konkretes dazu beisteuern kann, dann gerne. Es gibt im Netz viel dazu (vor allem zum Thema Erbe, aber relativ wenig zum Thema Vemächtnis) zu lesen, aber es bleiben trotzdem immer noch Fragen offen. Kann man z. B. irgendwie verhindern, dass das JC sofort (vor Zufluss) alles stoppt und die LB dann ohne Geld dasteht? Ist alles schon passiert, wie man in diversen Urteilen/G.-Bescheiden lesen kann. Besser, man weiß vorher Bescheid!

So, das reicht jetzt aber erstmal! Sonst kommt Ihr (auch) noch ins Schleudern. Bin gespannt, was noch kommt!

Vorerst gute Nacht!

@Pflanzenfee

A) Sobald man erfährt, dass man einen Anspruch hat auf Geld oder auf Sachen, muss man das unverzüglich dem Jobcenter melden. Dabei ist es egal, ob das ein Erbfall ist oder oder eine Begünstigung aus einem Vermächtnis oder ein Urteil über einen Anspruch.

Meldet man den Anspruch mit Verzug, sagt man am besten nichts über den Verzug. Denn ein Verzug fällt selten sofort auf. Im Streitfall kann man immer noch Gründe suchen und vortragen, wie es zu dem Verzug gekommen ist.

B) Erst dann, wenn man eine wesentliche Ausgabe plant, sollte man eine schriftliche Zusicherung darüber beantragen, dass diese Ausgabe unschädlich ist für einen künftigen Bezug von ALG II.

C) Einmalige Einkommen (aus Erbschaften, aus Vermächtnissen, aus Schenkungen, aus Honoraren usw.) werden immer aufgeteilt durch sechs. Wenn sie reichen, um sechs Monate zu leben, gibt es sechs Monate lang kein ALG II.

Und was nach sechs Monaten noch davon übrig ist, gilt als Vermögen. Sobald das Vermögen unter die Freibeträge in SGB II § 12 sinkt, hat man wieder einen Bedarf an ALG II.

D) Dieser Bedarf sinkt, wenn man sein Vermögen absichtlich ausgegeben hat mit dem Ziel, früher wieder ALG II zu kassieren.

Gruß aus Berlin, Gerd

Hallo, ab wann rechnet denn das Jobcenter das Vermächtnis an? Ab Todesfall (ist hier der Fall, liegt aber 1 Jahr zurück) oder ab Bekanntgabe des Vermächtnisses durch das Amtsgericht? Grüße!

@McBoogie

SGB II § 11 schreibt dazu: "(3) Einmalige Einnahmen sind in dem Monat, in dem sie zufließen, zu berücksichtigen. [...] Sofern für den Monat des Zuflusses bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme erbracht worden sind, werden sie im Folgemonat berücksichtigt." http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_2/__11.html

Das ALG II mindert sich also ab dem Monat des Zuflusses aus einem Vermächtnis, oder ab dem Monat danach, falls das ALG II für diesen Monat schon geflossen ist. Zufluss heißt, dass Geld oder Geldeswert in deinen Verfügungsbereich gelangt sind, also z. B. Geld auf deine Hand oder auf dein Konto.

Soweit zum Zufluss von Einkommen. Dein Anspruch auf dieses Einkommen entsteht jedoch zu dem Zeitpunkt, der im Vermächtnis genannt wird. Das ist in der Regel der Zeitpunkt des Todes des Vermächnis-Unterzeichners.

Sobald du von diesem deinem Anspruch erfährst, musst du diesen Anspruch dem Jobcenter melden. Dann geht dieser Anspruch auf das Jobcenter über, soweit dies dir Leistungen erbringt.

SGB II § 33 Übergang von Ansprüchen

"(1) Haben Personen, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts beziehen, für die Zeit, für die Leistungen erbracht werden, einen Anspruch gegen einen Anderen, der nicht Leistungsträger ist, geht der Anspruch bis zur Höhe der geleisteten Aufwendungen auf die Träger der Leistungen nach diesem Buch über, wenn bei rechtzeitiger Leistung des Anderen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nicht erbracht worden wären. [...]" http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_2/__33.html

Der Anspruch geht also automatisch an das Jobcenter über - ob dies das will und ob dies das merkt oder nicht!

Es könnte also sein, dass dieser Anspruch bereits zum Zeitpunkt des Todesfalls bestand. Die Folge davon könnte sein, dass das Jobcenter seither jeden Monat einen Anspruch aus dem Vermächtnis hatte in Höhe des geleisteten ALG II.

Gruß aus Berlin, Gerd

@GerdausBerlin

Danke, aber das sind schlechte Nachrichten. :-(

@McBoogie

Naja, abwarten. Vielleicht kommt der Leistungsträger auch zu dem Schluss, dass der Anspruch erst durch das Urteil entstanden ist - oder durch die Erfüllung einer Auflage, die im Vermächtnis steht.

Und wenn einem der Schluss nicht zusagt, kann man auch die üblichen Rechtsmittel dagegen einlegen.

@GerdausBerlin

Danke, schon mal ein gutes Argument! :-)

http://www.erbrecht-ratgeber.de/erbrecht/erbschaft/arbeitslosengeld.html

Lies Dich da mal ein, da steht auch was von Vermächtnis.

Danke für den Tip. Das habe ich schon mehrmals gelesen. Dieser § besagt aber nichts eindeutiges darüber, was genau "bisher geleistete Aufwendungen" bedeutet. Soweit ich das richtig verstehe, ist die Anrechnung erst ab Zufluss möglich. Bisher hatte ich den § so verstanden, dass das nur für Unterhaltsansprüche gilt. Von "Vermächtnis" steht dort nicht direkt etwas drin. Und Unterhaltsansprüche liegen nicht vor. Aber Satz 1 gibt schon zu denken.

@Pflanzenfee

Hmm...

Geh doch mal in eine Beratungsstelle für ALG - II - Empfänger. Vlt. kann Dir da geholfen werden. Ist billiger als ein Anwalt.

Dringend   .. ist nie gut !

Alle Einkünfte sind meldepflichtig , solange man öffentliche Gelder beanspucht . Dann werden die Bezüge neu sortiert .

Das ist nur eine halbe Antwort. Die Frage war nicht ob, sondern wann.

Meldung muss, schau in deinen Bescheid umgehend erfolgen: jede Änderung ist unverzüglich zu melden!

Wenn du das Vermächtnis nicht annimmst, musst du es auch nicht melden. Wenn du es annimmst und kennst die Höhe, musst du das dem Arbeitsamt melden, sobald die Zahlen verbindlich sind.

Die Nichtannahme führt aber dazu, dass sie weiter bedürftig ist und darum darf sie das Vermächtnis nicht ablehnen oder verschenken. ALG I ist eine Leistung aus staatlochen Geldern und jeder hat zu versuchen, diese Leistung nicht in Anspruch zu nehmen. Es gehen sogar die Ansprüche des Anspruchsberechtigten auf das Jobcenter über- das vergessen viele.