Neuer, gleichalter Neueinsteiger verdient mehr als ich? Kündigen oder nachverhandeln?
Hallo,
auch wenn ich weiß, dass das hier wahrscheinlich nicht die richtige Plattform ist. Bin ich doch über Meinungen gespannt.
Seit fast drei Jahren arbeite ich in einem kleineren Betrieb, es sind unter 80 Mitarbeiter. Das Klima ist recht familiär. Ich habe ohne richtige Vorkenntnisse hier angefangen. Hatte aber einen Master und verschiedene Praktika, die mit dem Bereich auch etwas zu tun hatten. Bei der Gehaltsverhandlung, zeigte mir mein Chef sehr klar auf, dass ich nicht mehr verdienen kann, weil ich ja noch gar keine Erfahrungen habe.
Nun hab ich mich in den letzten Jahren ziemlich hochgearbeitet und darf Projekte übernehmen, die andere nicht bekommen. Mein Chef lobte mich bei jeder Gelegenheit. Dann bot er mir im Oktober letzten Jahres, bevor ich ein wirklich riesiges Projekt übernommen habe, eine Gehaltserhöhung von sich aus an. Ich gab ihm zwar zu verstehen, dass ich mir eigentlich mehr vorstelle. Aber er konterte damit, dass andere Kollegen mit meiner Erfahrung, das gleiche verdienen würden. Nun hat ein neuer Kollege in meiner Abteilung begonnen. Er ist Quereinsteiger und auch noch als Assistent dabei. Er hat mir aus Versehen verraten, wie viel er verdient. Er verdient als Neueinsteiger in der Probezeit mehr als ich. Und das obwohl ich so viel Lob eingefahren habe. Er ist gleichalt, er kann einfach gut schwatzen. Mein Chef ist leider auch bekannt, Männer nun mal einfach besser zu bezahlen als Frauen, schon viele vor mir haben die Stelle gewechselt.
Ich bin irgendwie enttäuscht, über mich selbst so naiv gewesen zu sein und fürchte in der Gehaltsfalle festzustecken. Was ist hier empfehlenswert? Ich möchte nicht länger jemanden einarbeiten, der mehr verdient als ich. Verhandeln oder gehen? (dabei müsste ich auf jedenfall einen neuen anderen Job suchen). Meinen aktuellen Job könnte ich freiberuflich weiterführen, bin aber chronisch krank (seit über zwei Jahren beschwerdefrei), wodurch ich hier Bedenken habe.
Danke!
6 Antworten
Du kannst in jedem Falle nicht sagen, dass er dir sein Gehalt veraten hat. Das könnte Ihn den Job kosten.
Am Ende musst du wissen, ob du für deinen Chef ebenso wertvoll oder wertvoller bist als dieser Kollege.
Ich bin zu meinem Chef gegangen und habe gesagt, dass ich mit dem bisherigen Einkommen nicht über die Runden komme und mindestens einen Lohn in Höhe von .... benötige.
Nachverhandeln lohnt sich in jedem Fall. Er wird ja nicht mit Rauschmiss drohen, weil du um mehr Geld bittest.
trotzdem kratzt so eine Erkenntnis ziemlich am Selbstbewusstsein
Ja ich weiß, war schon in exakt der selben Situation wie du jetzt.
Dir fehlt halt ein wenig die Brechstange, da du den Kollegen nicht verraten darfst. Aber wenn du dir sicher bist, dass er dich dringend braucht, ist es eigentlich nicht weiter schlimm mal nach zu fragen. Immerhin weiß er genau wie du, dass du nicht wegen der guten Luft in seinem Unternehmen bist.
wenn man es dann trotzdem nicht erreichen kann, angemessen bezahlt zu werden.
Die Sache ist um so einfacher, wenn du dich auf einen regionalen Durchschnittslohn für deine Anstellung berufen kannst. Den kann man im Internet relativ leicht herausfinden.
Wenn du deutlich darunter liegst, wäre es fast Pflicht noch mal nachzufragen. Natürlich ist auch immer die Situation des Unternehmens zu beachten, ich verdiene zwar jetzt fast das höchste Gehalt unter meinen Kollegen, liege aber immer noch unter dem örtlichen Durchschnitt, weil es sich um ein sehr kleines Unternehmen handelt das auch wirklich viel rechnen muss.
Das scheint mir aber in deinem Fall eher unwahrscheinlich.
Sollte ich bis Oktober warten?
Du meinst, damit ein Jahr rum ist? Mh ... das musst du selbst wissen. Ich kenne weder deinen Chef noch dein Verhältnis zu Ihm.
Du hattest ja schon angedeutet, dass du mehr erwartet hättest.
Andererseits ist Oktober auch nicht mehr so weit hin.
Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar, das ist wirklich sehr nett!
Leider arbeite ich in einer sehr sehr kleinen Branchen, ich schätze dass nicht mehr als 80 Menschen in Deutschland auf drei verschiedenen Standorten überhaupt den Job ausüben. Ich hab schon oft wie viel gegoogelt, aber man spricht nicht übers Gehalt hier. Bis jetzt ;)
Eigentlich blutet mir auch mein Herz, wenn ich dran denke nur wegen dem Geld aufzuhören. Die Tätigkeit ist herausfordernd mit ner Potion richtig krassen Zeitdruck und danach ist es so erfüllend wenn alles gut lief und jeder zufrieden ist.
Wenn man Chef wieder mit dem Argument kommt, Kollegin xy verdient aber genauso viel, da kann ich dir nicht mehr bezahlen", antworten, dass ich nichts mit der Bezahlung der Kollegin zu tun habe, sondern es hier um meine persönliche Leistung geht? Ich wollte halt nicht als "frech" in so Sachen rüber kommen, aber anscheinend geht es wohl nicht anders.
Mh gibt es vergleichbare Berufe mit denen du dich im Umfang von Zeitaufwand und Verantwortung vergleichen könntest?
Wenig Stellen bedeutet auch, wenig Fachleute. Das macht dich vermutlich recht wertvoll für dein Unternehmen.
Ich weiß. Ich bin auch nur noch bei meiner Firma, weil die Mischung aus Anforderung und Verantwortung perfekt ist. Eine Stelle zu finden die einem wirklich Spaß macht, ist ein Privileg das nur den wenigsten Menschen zu teil wird.
Wenn er dir sagt, er könne dir nicht mehr bezahlen als Kollegen xy dann wäre meine Antwort, dass er ja dich bezahlt, deine Leistung und dein Engagement für die Firma und eben nicht all diese Dinge eines anderen Kollegen.
Sollte er wirklich unter keinen Umständen bereit sein dir mehr Geld zu bezahlen, was ich kaum glaube, dann würde ich das so hinnehmen und mich nach einer anderen Stelle umsehen. Dir selbst bleibt dann überlassen ob du bereit wärst diesen Schritt zu gehen.
Du kannst eine andere in Aussicht stehende Anstellung gut als Druckmittel verwenden um deinen Chef doch noch umzustimmen. Allerdings solltest du dann auch wirklich dazu bereit sein zu gehen falls er auch darauf nicht eingeht, denn von da gibt es kein Zurück mehr, dass dich befriedigen wird.
Als ich mein letzte Gehaltserhöhung durchgesetzt habe, habe ich mir vorher eine Liste mit den Dingen angefertigt, die durch mich erst ermöglicht wurden, über Summen die gespart wurden und Prozesse die so garnicht existieren würden, wenn ich nicht die Weichen dahin gestellt hätte.
Allerdings hatte ich dabei Hilfe von unserem Einkäufer der genaue Preise hatte und vorallem auch die Kostenkalkulation übernommen hat. Das ist natürlich abhängig von der jeweiligen Branche.
Die Frage ist, wieviel höher der Kollege qualifiziert ist?
Wobei jemand mit Master plus Einarbeitung ja nicht gerade als angelernte Hilfskraft zählt.. ;-)
Natürlich bist Du nach 3 Jahren kein Berufsanfänger mehr. Außerdem scheint die Firma ja sehr zufrieden mit deiner Leistung zu sein.
Leider ist es in Deutschland immer noch so, dass es in vielen Branchen eine geschlechterbedingte Ungleichbezahlung gibt. Zum Teil liegt das daran, dass Frauen sich selten trauen, fordernd aufzutreten und in einer Verhandlung ihre eigenen Qualifikationen anzupreisen.
Mein Tip: Hier geht es um Deine finanzielle Zukunft. Im Zweifelsfall investier ein wenig und lass Dich coachen, wie man in solche Verhandlungen professionell reingeht.
Viel Erfolg!
Danke für deine Antwort! Mein Kollege hat gar keine Erfahrung in dem Gebiet, quasi als wenn ich von der IT Branche ins Marketin wechseln würde.
Die Firma ist auf jeden Fall zufrieden mit mir, aber mein Chef hat den Zeitpunkt auch klug gewählt für die Erhöhung, kurz bevor ich das richtige Ass im Ärmel hatte, ist er mir zuvor gekommen ohne dass ich überhaupt Gelegenheit hatte mich auf ein Gespräch vorzubereiten ("Kommen Sie bitte in mein Büro?").
Ja vielleicht ist so ein Coaching mal ne gute Sache! Ich informier mich mal wo man das hier bekommen könnte, weil jetzt bin ich halt jung und hab keine Lust weiterhin eine geschenkte Arbeitskraft zu sein.
Sehr gerne!
Hier mal ein Artikel aus dem Spiegel:
http://www.spiegel.de/karriere/verhandeln-ums-gehalt-coach-claudia-kimich-gibt-tipps-fuer-mehr-geld-a-966547.html
https://www.businessladys.de/10-gebote-fuer-die-gehaltsverhandlung/
Du hast halt schlecht verhandelt.
Geh erneut in die Gehaltsverhandlung - nenne deinen Wunschbetrag - und ziehe aber dann auch die Konsequenzen wenn es nicht klappt. Also Wechsel das Unternehmen dann
Naja also zu allererst frage ich mich, warum du die Gehaltserhöhung dann gar nicht angenommen hast (oder doch).
Ich würde um ein Personalgespräch bitten in welchem du aufführst wie du dich eingearbeitet hast und mittlerweile natürlich quasi absolut wertvoll bist und das sogar soweit das du Neulinge einarbeitest.
Dann würde ich die Verhandlungen eröffnen und etwas höher als beim Neuling ansetzen.
Ich würde aber nicht erwähnen das du weißt was er verdient - das bringt ihn in Schwierigkeiten.
Ich würde generell nach einer solchen Zeit nachverhandeln - du bist ja jetzt mehr als 100% vollwertig und das auch noch auf den Betrieb zugeschnitten.
Die Erhöhung hab ich angenommen, natürlich, wäre ja doof ;) Aber sogar mit Erhöhung ist mein Gehalt noch um fast 20% schlechter als das, was mein ungelernter Kollege jetzt verdient. Möchte nicht ausgebeutet werden, dachte das passiert immer anderen Frauen^^
Die Erhöhung hab ich erst letzten Oktober bekommen und jetzt ist erst Juni, wird ein wenig früh sein oder? :-/
Hätte mich nun aber auch gewundert :-D
Oh das ist ja tatsächlich noch gar nicht lange her.
Du könntest es natürlich auch anders machen und dich einfach mal irgendwo anders bewerben um herauszufinden was du anderen Wert bist. Um in einem Personalgespräch die Führung übernehmen zu können ala "Ich arbeite sehr gerne bei Ihnen und für Sie. Allerdings habe ich ein Angebot bekommen und möchte, wenn ich für sie auch ein vollwertiges und geschätztes Mitglied des Teams bin, herausfinden ob sie dies auch bieten können".
Du möchtest nicht länger jemanden einarbeiten der mehr verdient als du? Es kommt eben nicht nur auf die eigentliche Leistung im Job an, sich verkaufen können und entsprechend verhandeln können ist eben ebenso eine Fähigkeit. Eine die bei der Gehaltsverhandlung, neben der Berufserfahrung, meist wichtiger ist, als das eigentliche Können.
Ich verstehe zwar deinen Frust aber daran ist weder dein Chef und schon gar nicht der neue Arbeitnehmer schuld. Entweder hast du dich vorher nicht korrekt informiert, konntest dich nicht gut genug verkaufen oder bist schlicht zu einen Zeitpunkt dazu gestoßen als es finanziell wirklich schlechter aussah für die Firma.
Nix desto trotz gibt es mehr Gehalt für mehr Stunden, Verantwortung und Pflichten, nicht weil jemand anders mehr kriegt.
Frage wäre ist die alte Gehaltserhöhung durch? Wenn nein dann ist da natürlich ein Ansatz, wenn doch dann ergibt sich die nächste eben erst nachdem du weitere Pflichten aufgenommen hast und zeigen konntest, dass du diese bewältigst.
Ansonsten bleibt eben nur ein Wechsel des Arbeitgebers oder wie von dir angesprochen die Freiberufliche Tätigkeit. Aktuell trägt dein Arbeitgeber eben diese Verantwortung und die entsprechenden Bedenken, sofern er von der Krankheit wusste, hat er sie ggf. auch bewusst ein wenig einberechnet.
Kenn die Situation ebenfalls und bin relativ niedrig eingestiegen. Lässt sich aber nicht viel dran ändern. Deshalb eine exorbitante Gehaltserhöhung rechtfertigt mein mangelndes Geschick nicht, sondern es spricht eher dagegen. Mündet bei mir z.B. aktuell deshalb in eine nebenberufliche Selbstständigkeit.
Ja das ist klar, dass ich ihn nicht verraten kann. Sowas würde ich auch nicht tun, trotzdem kratzt so eine Erkenntnis ziemlich am Selbstbewusstsein, wenn man sich fragt, warum man eigentlich viel leistet, wenn man es dann trotzdem nicht erreichen kann, angemessen bezahlt zu werden.
Sollte ich bis Oktober warten?