Minusstunden verursacht durch den AG, Zurückzahlen?

4 Antworten

Wenn die Minusstunden durch den Arbeitgeber verursacht wurden, er Dir keine Arbeit gegeben hat obwohl Du arbeiten wolltest, befindet sich der AG nach § 615 BGB in Annahmeverzug.

Er muss Dich dann so bezahlen als hättest Du gearbeitet. Dabei dürfen keine Minusstunden entstehen, es muss nicht nachgearbeitet werden und Urlaubsverrechnung geht schon gar nicht.

Das Betriebsrisiko liegt beim Arbeitgeber und nicht beim Arbeitnehmer.

Schreib dem AG einen Brief, verweise auf den Annahmeverzug nach § 615 BGB, teil ihm mit, dass Du nachweisen kannst, dass er Dir keine Arbeit gegeben hat und fordere ihn auf, den Dir zustehenden Lohn (incl. Urlaubsabgeltung) auf Dein Konto zu überweisen.

Setz ihm eine Frist von 7-10 Tagen und schreib dass Du, sollte bis zum angegebenen Termin kein Zahlungseingang zu verzeichnen sein, Klage beim Arbeitsgericht erhebst.

Tut sich dann nichts, reicht ein Anwalt für Dich Klage ein, wenn Du eine Rechtsschutzversicherung hast oder Gewerkschaftsmitglied bist.

Du kannst auch selbst zur Rechtsantragstelle des Arbeitsgerichts gehen. Bei der Klageformulierung hilft man Dir und das ist kostenlos.

Familiengerd  08.06.2018, 18:00

Hier wäre zu ergänzen, dass für den Anspruch Voraussetzung ist, dass der Fragesteller dem Arbeitgeber seine Arbeitsleistung auch ausdrücklich anbietet und das "Nachhause-geschickt-werden" nicht widerspruchslos hingenommen hat:

BGB § 293 "Annahmeverzug":

Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt.

in Verbindung mit § 294 "Tatsächliches Angebot":

Die Leistung muss dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden.

Nimm deine Stundennachweise und such dir einen Anwalt für Vertragsrecht. Der kann dir sicher anhand deiner Unterlagen und deines Arbeitsvertrages (wir wissen ja nicht, was da drin steht) sagen, ob du einen Anspruch hast oder nicht und kann ihn auch ggfs. gleich für dich einklagen.

Wenn die Firma nicht genügend Aufträge hat, kann man dich nicht einfach nach Hause schicken. Das ist das Unternehmerrisiki. Du hast einen Vertrag über X Stunden und den muss der AG erfüllen. Wenn er keine Arbeit hat muss er entweder Kurzarbeit anmelden oder pleite gehen. Dann hättest du immer noch Anspruch auf Konkurs-Ausfallgeld.

Geh zum Anwalt und fordere deine fehlendes Geld ein. Dazu hast du 3 Monate Zeit nach dem Erhalt deiner letzten Abrechnung.

Du kannst aber auch direkt zum Arbeitsgericht gehen. Das ist KOSTENLOS und du brauchst keinen Anwalt

Es gehört, neben der Bezahlung des Entgelts, zu den arbeitsvertraglichen Hauptpflichten des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer für die vereinbarten Arbeitsstunden zu beschäftigen.

Beschäftigt er den Arbeitnehmer nicht ausreichend - gleichgültig, aus welchen Gründen (ob er nicht kann oder nicht will, spielt keine Rolle, und auf ein "Verschulden" seinerseits kommt es nicht an) -, fallen die Konsequenzen aus der Minderbeschäftigung ihm zur Last; wenn also nicht genug Arbeit vorhanden ist, weil es an Aufträgen fehlt, ist das das Risiko des Arbeitgebers, das er nicht auf den Arbeitnehmer abwälzen darf!

Der Arbeitnehmer ist trotzdem so zu bezahlen, als hätte er die vereinbarten, tatsächlich aber nicht gearbeiteten Stunden doch geleistet, und muss die Minusstunden auch nicht nacharbeiten oder mit seinen Ansprüchen (Entgelt, Urlaub usw.) verrechnen lassen.

Geregelt ist das im Bürgerliche Gesetzbuch BGB § 615 "Vergütung bei Annahmeverzug und bei Betriebsrisiko":

Kommt der Dienstberechtigte mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. [...] [Das gilt] entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

Aber:

Voraussetzung ist (eigentlich), dass der Arbeitnehmer diesen Zustand (dass er nicht für die vereinbarte Zeit beschäftigt wird) nicht widerspruchs- oder kommentarlos hinnimmt, sondern seine Arbeitskraft auch anbietet!

Auch das ist gesetzlich festgelegt im BGB § 293 "Annahmeverzug":

Der Gläubiger kommt in Verzug, wenn er die ihm angebotene Leistung nicht annimmt.

in Verbindung mit § 294 "Tatsächliches Angebot":

Die Leistung muss dem Gläubiger so, wie sie zu bewirken ist, tatsächlich angeboten werden.

Du sollte also - möglichst - Deinem Arbeitgeber erklärt haben, dass Du mit der Nicht- oder Minderbeschäftigung (und dass er Dich nachhause schickt) nicht einverstanden bist.

Unter diesen Voraussetzungen bist Du also für die vom Arbeitgeber verursachten 73 Minusstunden zu bezahlen, auch wenn Du tatsächlich - aber eben in der Verantwortung des Arbeitgebers - nicht geleistet hast!

Somit sind Dir selbstverständlich auch die noch Dir zustehenden restlichen Urlaubstage auszuzahlen.

Du schreibst, dass es sich um eine große Firma handele. Von daher besteht selbstverständlich die Möglichkeit, dass den Personalverantwortlichen dort die Bedingungen bekannt sind, unter denen sie die Minusstunden doch bezahlen müssen: dass Du nämlich Deine Arbeitskraft konkret angeboten und erklärt hast, mit der Minderbeschäftigung nicht einverstanden zu sein.

Wenn Du die Anspruchsvoraussetzungen erfüllst - oder die Personalabteilung keine Ahnung von den hier beschriebenen Sachverhalten (besondern die Notwendigkeit, Deine Arbeitskraft tatsächlich angeboten zu haben), kannst Du selbstverständlich die Bezahlung der 73 Stunden und auch die Entgeltung der ausstehenden 10 Urlaubstage fordern.

Dafür solltest Du aber prüfen, ob es einzel- oder tarifvertraglich vereinbarte Ausschlussfristen gibt (einzelvertraglich mindestens 3 Monate, tarifvertraglich mindestens 1 Monat, meist 3 oder 6 Monate, z.T. auch zweistufig), nach deren Verstreichen ab Fälligkeit Deine Ansprüche verfallen sind.

Ohne Ausschlussfristen gilt eine Frist von 3 Jahren nach dem BGB § 195 "Regelmäßige Verjährungsfrist", für Forderungen aus 2018 z.B. also bis zum 31.12.2021.