Kann ich eine Anzeige wegen häuslicher Gewalt zurück ziehen??

9 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo,

eine Anzeige kann prinzipiell nicht zurückgenommen werden. Sobald die Polizei/Staatsanwaltschaft von einer Straftat, welche KEIN "absolutes Antragsdelikt" ist, erfährt, muss dieses durchermittelt und vorgelegt werden. Sollte die Staatsanwaltschaft dann entscheiden, dass öffentliches Interesse vorliegt, wird der Beschuldigte angeklagt, das heißt es kommt zu einem Gerichtsverfahren.

Was du hingegen schon tun kannst, ist deinen Strafantrag zurückzuziehen. Damit signalisierst du der Staatsanwaltschaft, dass du an einer Strafverfolgung nicht mehr interessiert bist - dennoch muss die Polizei weitere Ermittlungsschritte wie z.B. Vernehmungen durchführen.

Fakt ist aber auch, dass viele Anzeigen wegen häuslicher Gewalt "ins Leere" laufen, da viele Frauen, welche Anzeige erstattet haben, von ihrem Zeugenisverweigerungsrecht Gebrauch machen (sobald sie sich mit ihrem Partner wieder vertragen). Vor Gericht schaut das dann wie folgt aus: Beschuldiger sagt, ich hab nichts getan. Die Geschädigte macht von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Keine weiteren Zeugen. Freispruch.

Da das die Staatsanwälte auch wissen, kommt es bei einer "aussageunwilligen" Geschädigten kaum zu Gerichtsverhandlungen.

Mein persönlicher Rat jedoch: Überleg dir genau, ob du deinen Strafantrag zurückziehen willst. In meiner Schichtzeit hatte ich soviele Frauen, die wirklich ernsthaft körperlich misshandelt wurden, jedesmal Anzeige erstattet haben und dann nach ein paar Tagen die "Anzeige zurücknehmen" wollten... weil wenn er nicht betrunken ist, ist er ja sooo nett und außerdem hat er ihnen versprochen, sie nicht mehr zu hauen, und er verdient ja auch das Geld und die Kinder und und und...

Wünsche dir auf jeden Fall alles Gute!

Eine Anzeige ist rechtlich nur eine Mitteilung an eine Behörde, bei einer Strafanzeige eine Mitteilung an ein Gericht, die Staatsanwaltschaft oder eine Polizeibehörde. Das Gericht leitet die Sache an die Staatsanwaltschaft weiter, die Staatsanwaltschaft wird die Polizei mit Ermittlungen beauftragen. Sind diese abgeschlossen gehen sie wieder an die Staatsanwaltschaft, die aber jederzeit den Fortgang des Verfahrens kontrollieren kann als Herrin des Verfahrens und auch in dieses eingreifen kann. Eine Anzeige oder im Sonderfall die Strafanzeige kann man nie zurückziehen, weil die Behörde ja nun davon weiß und so vorgehen wird wie sie das üblicherweise macht.

Davon zu unterscheiden ist der Strafantrag. Der Strafantrag kann auch eine Anzeige beinhalten, die Tat kann aber schon jemand anderer angezeigt haben, etwa der Nachbar der erste Hilfe leistet. Die Polizei fragt dann ob man Strafantrag stellen will. Ansonsten stellt man den Strafantrag selbst.

Der Strafantrag bringt das Verlangen des Geschädigten zum Ausdruck den Täter zu bestrafen. Diesen kann man ggf. zurücknehmen, das ist aber eigentlich nur selten ratsam - etwa wenn sich die Anwälte darüber verständigt haben, Schmerzensgeld gezahlt wird.  Bei manchen Straftatbeständen kann die Staatsanwaltschaft aber auch von Amts wegen ohne Strafantrag anklagen, auch wenn die Tat eigentlichen einen Strafantrag voraussetzt. So bei der Körperverletzung.. Anders m.E. bei der Beleidigung.

Anzeigen habe ich schon viele gemacht, etwa wegen einem verrosteten Gullideckel. Strafanzeigen und Strafanträge waren es weniger.

Unabhängig davon, ob Du sie zurückziehen kannst: Überleg dir, ob Du sie zurückziehen willst. Es gab ja einen Grund, die Anzeige zu erstatten. Und wenn Du sie zurückziehst, signalisierst Du deinem Partner: Das war nicht so schlimm, was Du gemacht hast. Weiter so! Und das kann nicht in Deinem Interesse sein.

Guten Abend,



Bejaht die Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse, so bringt auch das nichts mehr. In diesem Falle ermittelt sie von Amts wegen und entscheidet ob Anklage erhoben wird oder nicht.



Sofern du eine Anzeige gemacht hast, die nur auf Antrag verfolgt wird kannst du diese zurücknehmen außer die Strafverfolgungsbehörde hält wegen des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung ein Einschreiten von Amts wegen für geboten. Ob das besondere öffentliche Interesse hier vorliegt, bleibt der Beurteilung der Staatsanwaltschaft vorbehalten. Je nach Einzelfall kann also die Tat auch dann verfolgt werden, wenn der Strafantrag zurückgenommen wird, da das besondere öffentliche Interesse das Antragserfordernis ersetzt. Eine Verfolgung ist u.a. bei erheblichen Verletzungsfolgen zu erwarten. 



Als Einstellungsmöglichkeiten kommt das Absehen der Verfolgung wegen Geringfügigkeit nach § 153 StPO in Betracht oder die Einstellung gegen Auflagen oder Weisungen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, § 153 a StPO. Als Auflage/Weisung muss dann z.B. eine Geldbetrag an eine gemeinnützige Einrichtung gezahlt werden o.ä. Ob in jedem Falle eine Einstellung erfolgen wird, kann natürlich nicht vorhergesagt werden, dies kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. 


Du kannst nach § 77d StGb den Antrag zurückziehen.



Zurücknahme des Antrags

(1) Der Antrag kann zurückgenommen werden. Die Zurücknahme kann bis zum rechtskräftigen Abschluß des Strafverfahrens erklärt werden. Ein zurückgenommener Antrag kann nicht nochmals gestellt werden.

Am Ende wird es also davon abhängen, ob ein öffentliches Interesse besteht oder nicht.

Ich hoffe ich konnte helfen.

Wissensdurst84









Zahnfee2015 
Fragesteller
 26.12.2015, 21:21

Können Sie mir bitte sagen was öffentliches Interesse bedeutet ?

Wissensdurst84  26.12.2015, 21:24
@Zahnfee2015

Bei dem Begriff „öffentliches Interesse“handelt es sich um einen sog. unbestimmten Rechtsbegriff, der sich auf die Belange des Gemeinwohls bezieht. Das öffentliche Interesse ist somit zunächst vom Individualinteresse, also dem Interesse des Einzelnen, abzugrenzen.

Im Strafprozess versteht man in der Regel unter dem Rechtsbegriff „öffentliches Interesse“ bzw. „besonderes öffentliches Interesse“  das Interesse der Allgemeinheit an einer Strafverfolgung. Dieses Interesse kann sich sowohl aus spezialpräventiven als auch aus generalpräventiven Gründen ergeben.

Zahnfee2015 
Fragesteller
 26.12.2015, 21:26

Dankeschön :)

Das kommt darauf an, sollte öffentliches Interesse vorliegen wird der Staatsanwalt weiter ermitteln.

Wobei es wohl an Dir liegt ob er damit Erfolg hat. Häusliche Gewalt findet in der Regel innerhalb der Familie statt, womit meist das Recht der Aussageverweigerung vorliegt.