Kann Arbeitsamt einen zwingen, die Wohnung zu kündigen?
Hallo, mein Freund und ich haben jeweils eine Wohnung. Ich möchte nicht zu ihm ziehen, weil seine Nachbarn so stressig sind. Er hält sich immer bei mir auf, will aber seine Wohnung nicht aufgeben. Wir bekommen Hartz4, natürlich nur für eine Wohnung, wir sind eine Bedarfsgemeinschaft. Ich habe schon oft zu ihm gesagt, er soll seine Wohnung aufgeben, weil wir extrem sparsam sein müssen, um beide Mieten zu zahlen, er will aber nicht. Wenn das Arbeitsamt herausfindet, dass er seine Wohnung immer noch hat, können wir da Ärger kriegen? Oder ist es denen egal, was wir mit dem wenigen ALGII anstellen?
8 Antworten
"(1) Der Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts umfasst insbesondere Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie ohne die auf die Heizung und Erzeugung von Warmwasser entfallenden Anteile sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens." § 20 SGB II - http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_2/index.html
Das heißt, dabei handelt es sich um eine Pauschale, die vieles, vieles umfasst, insbesondere, also unter anderem, das oben Genannte. Ansonsten ist man frei, diese Pauschale zu verwenden wie man mag - man kann auch täglich Milchreis und Zitronen essen und vom Rest drei Wohnungen anmieten.
Dafür gibt es nur eine Einschränkung: § 31 Pflichtverletzungen
"(2) Eine Pflichtverletzung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist auch anzunehmen, wenn (..) 2. sie trotz Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis ihr unwirtschaftliches Verhalten fortsetzen,"
Das kommt praktisch aber nur dann zum Tragen, wenn man sein Geld versäuft usw., um dann zur Monatsmitte schon einen Vorschuss oder ein Darlehen zu verlangen. Also praktisch selten und hier gar nicht. Bislang. Die Hinweise der Bundesagentur für Arbeit sagen dazu auch, dass quasi erst bei Selbstzerstörung eingegriffen werden muss:
"3.2 Unwirtschaftliches Verhalten (1) Unwirtschaftliches Verhalten im Sinne der unter § 31 Absatz 2 Nummer 2 genannten Pflichtverletzung liegt dann vor, wenn ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter unter Berücksichtigung der ihm durch die Allgemeinheit gewährten Hilfe bei allen oder einzel-nen seiner Handlungen jede wirtschaftlich vernünftige Betrach-tungsweise vermissen lässt und dadurch weitere Hilfebedürftigkeit auslöst. Der erwerbsfähige Leistungsberechtigte ist vorher in jedem Einzelfall über die ggf. eintretenden Rechtsfolgen zu belehren. In diesem Zusammenhang ist ihm deutlich aufzuzeigen, dass und wie er sein unwirtschaftliches Verhalten unterlassen soll."
Eine gesetzliche Grundlage, einen Leistungsempfänger zu einer Vertragskündigung zu zwingen, gibt es also nicht - und soweit man mit seinem Regelbedarf klar kommt, gibt es auch keine Absenkung des ALG II nach SGB II §§ 31 ff.
Was anderes kann passieren, wenn der Verdacht aufkeimt, man hätte verschwiegenes Einkommen, weil man sich das alles gar nicht leisten könnte vom Regelbedarf. Dann könnte SGB I § 60 Angabe von Tatsachen greifen in Verbindung mit SGB I § 66 Folgen fehlender Mitwirkung:
"(1) Kommt derjenige, der eine Sozialleistung beantragt oder erhält, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 nicht nach und wird hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert, kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen oder entziehen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind. Dies gilt entsprechend, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte in anderer Weise absichtlich die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert."
Gruß aus Berlin, Gerd
Vielen Dank für Deine ausführliche Antwort. Vielen Dank auch an alle anderen. Es wird mir weiterhelfen.
Vollkommen unsinnige Konstruktion. Hätte ihr jeder eure offizielle Wohnung, müsste das Jobcenter im Grundsatz beide zahlen und ihr hättet zudem jeder den vollen Regelsatz.
Denn ihr dürftet euch jederzeit gegenseitig besuchen und auch vorübergehend beieinander nächtigen, ohne dass sich daraus eine BG ergibt. Sprich, jeder Hausbesuch des Jobcenters wird faktisch ins Leere laufen.
Der ganze Fall ist nicht nur verworren und die Vorgeschichte rechtlich fragwürdig, das Ganze wird auch immer unplausibler; eine zweite Wohnung aus dem abgesenkten 90%-Regelbedarf einer BG zu finanzieren und zusätzlich eine Rückzahlung zu leisten, halte ich für ein Märchen; es sei denn, die Wohnung ist spottbillig; in dem Fall wäre es verständlich, wenn er sie nicht aufgibt.
Das Allereinfachste ist, dass ihr die BG offiziell auflöst, denn wie gesagt: er darf sich bei dir aufhalten und bei dir pennen - auch mehr als einen Tag -, ohnedass sich daraus eine BG ergibt.
Wenn er seine Wohnung nicht überwiegend nutzt, dann kann es Ärger geben.
Wenn ihr euch zwei Wohnungen leistet, wird man davon ausgehen, dass nebenbei schwarz gearbeitet wird. Weildas anders gar nicht machbar ist.
Wir arbeiten nichts, wir sind auf der Suche. Das Essen gibts von der Tafel, sonst kaufen wir fast nichts.
Wenn die Arge dahinterkommt und das wird sie dürft ihr das Geld wieder zurückzahlen was sie euch schon erstattet haben
Wo liegt denn der Schaden für das Jobcenter in der abstrusen Konstruktion?
Wenn die sich aus ihren Regelsatz eine zweite Wohnung finanzieren, dann ist allenfalls strunzdämlich.
Das Problem ist, wir hatten schon einen Hausbesuch. Damals bekam nur mein Freund Hartz4, ich habe von Ersparnissen gelebt. Da er täglich bei mir ist, haben wir erst mal Ärger bekommen. Jetzt muss er jeden Monat 98 Euro zurückzahlen, obwohl wir beide bedürftig waren, ich halt von der Hand im Mund gelebt und er von Hartz4.