Haben Ärzte und Polizisten eine erhöhte Pflicht zu helfen?

9 Antworten

Vorweg: Wenn man als "Hilfskraft" im Dienst ist, hat man eine sogenannte Garantenstellung. Der Bürger sieht, dass dort jemand ist, der in der Hilfeleistung besonders ausfebildet ist (erkennt er z.B. an dem Fahrzeug mit Blaulicht auf dem Dach oder an der Kleidung) und erwartet zu Recht, dass diese Person im Unglücksfall sinnvoll helfen kann. Die Uniform garantiert, dass Hilfe geleistet wird.

Wenn dann ein Rettungsdienstler/Feuerwehrler/Arzt/Polizist nicht im Dienst ist, dann ist er erstmal eine Privatperson. Allerdings steht in §323c StGB:

Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Der Teil, den ich fett gemacht habe, ist da ganz entscheidend. Jeder muss in dem Maße helfen, wie es ihm zuzumuten ist.

Ein psychisch labiles Nervenbündel kann sich im Fall der Fälle damit herausreden, dass es mit der Gesamtsituation überfordert und ihm eine direkte Hilfeleistung deshalb nicht zumutbar war. Deshalb hat dieser Mensch nur daneben gestanden und den Notruf abgesetzt.

Als jemand, der beruflich mit genau solchen Situationen umgeht, für den es also der Normalfall ist, hinzugehen und Hilfe zu leisten, kann man diese Ausrede eben nicht bringen. Diesem Menschen ist psychisch auf jeden Fall eine adäquate Hilfeleistung zuzumuten.

Und so kommt es, dass man tatsächlich als jemand, der beruflich Hilfeleistung betreibt, auch im Privatleben durchaus weitergehende Pflichten hat.

Was versteht man überhaupt unter "Hilfe Leisten"?

Ziemlich einfach: Das, was du weißt und was dir zuzumuten ist.

Wenn dein letzter Erste-Hilfe-Kurs 40 Jahre her ist und/oder du dumm wie 10 Meter Feldweg bist, kann es passieren dass du einen Herzstillstand nicht als Notsituation erkennst. Und wenn doch, kann es sein dass du dann keine Idee hast, was du sinnvolles tun könntest. Dann ist von dir natürlich keine adäquate Hilfeleistung zu erwarten.

Wenn du dagegen vor drei Wochen bei einem EH-Kurs warst, kann man sehr wohl davon ausgehen, dass du die Situation im Groben erkennst und dich auch erinnerst, was zu tun ist. Da ist dir vom reinen Können durchaus eine adäquate Hilfeleistung zumutbar.

Habe ich trotzdem Gesetzes Konform gehandelt?

Wenn du sinnvoll begründen kannst, warum du nicht so gehandelt hast, wie im Erste-Hilfe-Kurs gelernt, ja.

Wie du das dann mit deinem Gewissen und ggf. in Angesicht der trauernden Angehörigen vereinbarst, ist deine Sache.

Wobei, es gibt ja Menschen, die glauben dass die Welt eine bessere ist, wenn niemand den anderen hilft... pardon, wenn sie selbst niemand anderem helfen.

Während der offiziellen Dienstzeiten:

Es gilt die allgemeine Verpflichtung zur Hilfeleistung aus Paragraph 323c des Strafgesetzbuches (StGB) und zusätzlich noch eine Garantenstellung aus Paragraph 13 StGB. Die Garantenstellung bedeutet, dass Straftatbestände wie Körperverletzung oder Tötung nicht nur durch eine aktive Tatbegehung sondern auch durch eine Unterlassung der Hilfeleistung oder von notwendigen medizinischen Maßnahmen, obwohl man diese aufgrund seiner Ausbildung und seiner persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten beherrscht, begehen kann.

Im privaten Bereich, also außerhalb des Dienstes/der offiziellen Ausübung des Berufes:

Hier gilt die allgemeine Verpflichtung zur Hilfeleistung aus Paragraph 323c des Strafgesetzbuches (StGB). Eine "unterlassene Hilfeleistung" wird nicht nur begangen, wenn man überhaupt keine Hilfe leistet sondern auch, wenn man nicht die Hilfe leistet, zu der man aufgrund seines Ausbildungsstandes und seiner persönlichen Kenntnisse und Fähigkeiten in der Lage ist zu leisten. Bei medizinischen Fachpersonal bedeutet dies, dass es entsprechend seinem Ausbildungsstand und der am Notfallort zur Verfügung stehenden medizinisch- technischen Ausstattung Hilfe leisten muss. Beispiel: ein Arzt kommt privat zu einem medizinischen Notfall hinzu und hat ein Ampullarium mit (Notfall-)Medikamenten dabei. Der Patient hat starke Schmerzen, dennoch gibt ihm der Arzt kein Schmerzmittel, obwohl er dieses dabei hätte, der Arzt hat sich damit der "unterlassenen Hilfeleistung" strafbar gemacht. Natürlich, wird eine medizinische Fachkraft, wenn sie keine oder "zu wenig" Hilfe leistet, härter bestraft als der medizinische Laie, denn als Fachkraft, kann man bessere Hilfe leisten als der Laie, daher, wird der Richter die Fachkraft stärker bestrafen.

Was versteht man überhaupt unter einer "Hilfeleistung": für Jedermann durch das Absetzen eines Notrufes für eine professionelle medizinische Hilfeleistung durch den Rettungsdienst/Notarzt zu sorgen UND bis zu dessen Eintreffen im Rahmen der Zumutbarkeit Hilfe zu leisten. Der Laie, dessen erste Hilfe Kurs 20 Jahre zurückliegt und sich nicht traut aktiv Maßnahmen am Patienten durchzuführen oder die Bedrohlichkeit des Zustandes mangels einer fundierten (notfall-)medizinischen Ausbildung erst gar nicht erkennt, der wird in aller Regel nicht oder nur milde bestraft werden bzw. er hat seine Pflichten durch das Absetzen des Notrufes erfüllt, die medizinische Fachperson hingegen, muss in jedem Falle aktiv Maßnahmen durchführen und zwar alle, die sie beherrscht und die notwendig sind, sofern sie also über eine private Notfallausstattung verfügt, auch erweiterte medizinische Maßnahmen. Von einer medizinischen Fachkraft, wird juristisch schlichtweg erwartet, dass sie ihre durch die absolvierte Ausbildung erworbenen, erweiterten medizinischen Kenntnisse und Fähigkeiten auch immer zur Anwendung bringt. Auch die Pflicht des "Normalbürgers" umfasst aber, zumindest die Notfallstelle abzusichern, um Folgeereignissen vorzubeugen. Mfg.

Rollerfreake  22.07.2020, 18:43

Zum Abschluss: "unterlassene Hilfeleistung" ist der gleiche Paragraph, egal ob Laie oder Arzt/Fachkraft. Während der Laie allerdings vielleicht mit einer Geldstrafe von 200€ davonkommt, wandert die Fachkraft aufgrund derselben Tat für sechs Monate hinter Gitter. Es ist also derselbe Paragraph, jedoch ist ein anderes Strafmaß zu erwarten, in Paragraph 323c StGB steht eben als Strafandrohung des Gesetzgebers: "Geldstrafe oder Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr". Im Dienst, gilt dann noch die erwähnte Garantenstellung. Mfg.

Meine Tochter hat in der Ausbildung zur Krankenschwester gelernt, sie ist verpflichtet zu helfen, eben auch aufgrund der Tatsache das sie es besser kann / können sollte als ein beliebiger Passant. Da gab es tatsächlich einen Paragrafen dazu, aber den kenne ich nicht, bzw. hab ich schon vergessen.

Hallo,

soweit wie ich weiß haben sie vom Gesetz keine erhöhte Pflicht.

Allerdings, wenn sie es gelernt habe wie es z.B. bei Ärzten ist es so das sie es i.d.R selbstverständlich helfen die sie wissen das schnell und gut Hilfe sehr wichtig ist.

Genauso ist es bei der Polizei.

Mfg elias

iQDetectiv 
Fragesteller
 21.07.2020, 23:06

Danke, konnte es mir auch nur so vorstellen :)

Anonym1701007  21.07.2020, 23:09
@iQDetectiv

Achso mir fällt noch ein der Beamte bei einer Strafverfolgungsbehörde (Polizei) auch eine Straftat melden müssen, wenn sie bereits begangen worden ist. (Ausnahme Familie) Das muss man als "normaler" Mensch nicht.

Tatsächlich haben Personen mit besonderer Ausbildung oder Befugnis, z.b. Ärzte und Polizisten, eine sogenannte Garantenstellung. Dieses bedeutet, dass sie in bestimmten Situationen über das Maß eines normalen Bürgers hinaus Hilfe leisten müssen.

Grundsätzlich hast du natürlich recht, jeder Bürger ist zur Hilfe in der Not verpflichtet. Allerdings gilt hier zum einen das Gesetz der Zumutbarkeit. Bestimmte Dinge und Handlungen sind einem normalen Bürger schlicht und ergreifend nicht zuzumuten Punkt wie genau das definiert ist und wo da die Grenze ist, ist wiederum nicht festgelegt und eine Sache des Einzelfalls. Fest steht aber, dass z.b. medizinischen Dingen einem Arzt wesentlich mehr zuzumuten ist als einem Laien und beispielsweise beim Retten einer Person vor einem Gewalttäter einem Polizisten mehr zuzumuten ist, als einem normalen Bürger.

Diese Regel gilt völlig unabhängig davon, ob sich ein Arzt oder Polizist im Dienst befindet oder nicht. Die Garantenstellung gilt immer und ausnahmslos.

Zu deiner Frage 2. : das Beispiel mit dem Herzinfarkt. Daran kann man es tatsächlich plausibel erklären. Ein Mensch erleidet also einen Herzinfarkt und dadurch einen Herzstillstand. Nun ist theoretisch jeder Mensch verpflichtet, Maßnahmen der Ersten Hilfe durchzuführen, in diesem Fall eine Herz-Lungen-Wiederbelebung. Tut dies ein Laie nicht, weil er entweder den lebensbedrohlichen Zustand nicht erfasst oder sich schlicht und ergreifend nicht traut, aus Angst etwas falsch zu machen, macht er sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig. Diese wird nach Paragraph 323c Strafgesetzbuch relativ milde bestraft, auch wenn der Patient zu Tode kommt. Bei einem Arzt sieht das anders aus. Er ist in notfallmedizinischen Grundlagen bestens ausgebildet und hat überdies die oben genannte Garantenstellung. Er muss also schlichtweg Hilfe leisten. Tut er dies nicht der Patient stirbt, macht er sich nicht nur der unterlassenen Hilfeleistung sondern dank seiner Garantenstellung eines Tötungsdeliktes durch Unterlassen (Paragraph 13 Strafgesetzbuch) schuldig. So eine Handlung wird natürlich weitaus höher bestraft, als eine unterlassene Hilfeleistung.

Du siehst, das in manchen Belangen der Hilfeleistung Ärzte und Polizisten oder auch andere Personen mit besonderem Status weitaus höhere Pflichten haben, als ein normaler Bürger.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
RedPanther  22.07.2020, 08:07

Du verwechselst da etwas.

Die Garantenstellung ergibt sich aus der Öffentlichkeitswirkung. Der Mensch sieht, dass zwei Rettungsdienstler im Supermarkt einkaufen. Da kann er mit Recht erwarten, dass diese ihm besser helfen als Otto Normalbürger, wenn ihm gerade jetzt etwas passiert.

Dafür muss für ihn aber ersichtlich sein, dass es Rettungsdienstler sind ;) Denn wenn die beiden privat und in zivil unterwegs sind, könnten es genausogut auch Anwälte oder Schreiner sein. Auch du als Arzt läufst ja, wenn du privat unterwegs bist, nicht im weißen Kittel und Namensschild "Dr. med. Mustermann" herum.

Der Teil, dass von einem Profi auch als Privatperson nach § 323c mehr zumutbar ist als dem Otto Normalbürger, hat mit der Garantenstellung nichts zu tun.

Der hippokratische Eid ist dann nochmal was anderes ;)

DorktorNoth  22.07.2020, 09:52
@RedPanther

Nicht ganz. Bei Rettungsdienstlern ist das soweit richtig, warum, verstehe ich aber nicht wirklich, muss ich zugeben. Bei Ärzten ist es so, dass sie aufgrund ihres Berufsstandes immer eine Garantenstellung haben, was Belange der medizinischen Hilfe angeht. Und Polizisten sind ebenso durch ihren Dienst am Staat immer der Garantenstellung (bzw. heißt es dann Garamtenpflicht) unterworfen. Eltern haben übrigens z.B. auch immer eine Garantenstellung ihren Kindern gegenüber. Interessant, oder? Also ich fürchte, ich verwechselt da nichts, auch wenn die juristische Definition des "Tötungsdeliktes durch Unterlassen " in meinem Beispiel eventuell etwas hinkt

DorktorNoth  22.07.2020, 09:53
@RedPanther

Den hippokratischen Eid gibt es übrigens nicht mehr. Wenn, dann kann man das Genfer Gelöbnis ablegen, aber auch das tut keiner. Die Pflichten der Ärzte sind nach der Berufsordnung für Ärzte festgelegt.

DorktorNoth  22.07.2020, 09:55
@RedPanther

Allerdings bin ich kein Jurist. Wenn ich das doch alles falsch verstanden haben sollte, lasse ich mich gern hinweisen 😉