Frage zu Konsequenzen für Mitarbeiter bei Unternehmensverkauf

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§ 613a BGB spricht von Arbeitsverhältnissen. Darunter fallen auch Leitende Angestellte. Das Schlechterstellungsverbot und die Besitzstandwahrung bezieht sich auf die individuellen vertraglichen Vereinbarungen, womit Vollmachten eingeschlossen sein dürften.

Das Gesetz sagt in § 613 a Abs. 4 BGB: “Die Kündigung …. durch den bisherigen Arbeitgeber oder den neuen Inhaber wegen des Übergangs eines Betriebes oder eines Betriebsteils ist unwirksam. Das Recht zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus anderen Gründen bleibt unberührt.”

Eine Kündigung WEGEN des Betriebs(teil)übergangs ist unzulässig. ABER eine – auch betriebsbedingte- Kündigung aus allen anderen Gründen ist weiterhin möglich.

Laut BAG (Urteil vom 26.5.1983) ist „… eine Kündigung nicht schon dann rechtsunwirksam, wenn der Betriebsübergang für die Kündigung ursächlich ist, sondern nur, aber auch immer dann, wenn der Betriebsübergang Beweggrund für die Kündigung, das Motiv der Kündigung also wesentlich durch den Betriebsinhaberwechsel bedingt war … § 613a IV BGB … solle … nur verhindern, dass der in § 613a I BGB angeordnete Bestandsschutz durch eine Kündigung unterlaufen wird. Bei der Anwendung von § 613a IV BGB ist daher stets zu prüfen, ob es – neben dem Betriebsübergang – einen „sachlichen Grund” gibt, der „aus sich heraus“ die Kündigung zu rechtfertigen vermag, so dass der Betriebsübergang nur äußerer Anlass, nicht aber der tragende Grund für die Kündigung gewesen ist ….”

D.h. wenn der Erwerber ein Konzept vorlegt, bei dem Arbeitsplätze wegfallen, dann kann der Veräußerer Arbeitsplätze abbauen, um den Betrieb verkaufen zu können. Der Betriebsübergang ist dann nur äußerer Anlass aber nicht alleinige Ursache für die Kündigung.

Das BAG sagt dazu in seinem Urteil vom 20.3.2003 in den Leitsätzen: 1. Die Kündigung des Betriebsveräußerers auf Grund eines Erwerberkonzepts verstößt dann nicht gegen § 613a IV BGB, wenn ein verbindliches Konzept oder ein Sanierungsplan des Erwerbers vorliegt, dessen Durchführung im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung bereits greifbare Formen angenommen hat. 2. Der Zulassung einer solchen Kündigung steht der Schutzgedanke des § 613a IV BGB nicht entgegen, denn diese Regelung bezweckt keine „künstliche Verlängerung“ des Arbeitsverhältnisses bei einer vorhersehbar fehlenden Beschäftigungsmöglichkeit des Arbeitnehmers bei dem Erwerber. 3. Für die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung des Veräußerers nach dem Sanierungskonzept des Erwerbers kommt es – jedenfalls in der Insolvenz – nicht darauf an, ob das Konzept auch bei dem Veräußerer hätte durchgeführt werden können.

Ein Arbeitnehmer, der sich auf den Schutz des § 613 a Abs. 4 Satz 1 BGB berufen will, trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es sich um eine Kündigung WEGEN des Betriebsübergangs handelt. Ihm hilft jedoch der sogenannte Beweis des ersten Anscheins, nachdem er nur Indizien für das Vorliegen einer Kündigung WEGEN des Betriebsübergangs darlegen und beweisen muss. Der Arbeitgeber muss dann erst einmal diese Idizien widerlegen. Gelingt ihm dies, hat der Arbeitnehmer die volle Beweislast.

SirChess 
Fragesteller
 12.04.2012, 20:01

Hallo ralosaviv,

erst einmal herzlichen Dank für Deine Mühe und Deine ausführliche Antwort, die eine erste Spur für mich aufzeigt.

Nehmen wir folgenden Fall an:

Ein (kerngesundes) Unternehmen erwirbt zum Zwecke der Weiterführung des bestehenden Geschäftes ein anderes (keine drohende Insolvenz oder dergleichen) oder Teile davon. Sie sollen in einen bestehenden Bereich des neuen Betriebes eingegliedert werden.

Nun gibt es in dem Bereich jedoch schon alle notwendigen Führungskräfte: Vertriebs- und Einkaufs, Produktions- und Verwaltungsleiter.

Wie kann ich es mir praktisch vorstellen, was die Führungskraft des verkauften Betriebes zu erwarten hat?

Verstehe ich Dich richtig, dass sie sich für den Fall, dass sie auf Position, Vollmachten oder dergleichen besteht, vermutlich mit einer Kündigung rechnen muss, nach dem Motto "brauchen wir nicht, haben wir schon"? Somit wären (da betriebsbedingte Kündigung) wohl auch zu erwartende Abfindungen hinfällig, sehe ich das richtig?

Mir ist klar, dass Du hier keine Rechtsberatung geben kannst oder darfst. Aber eventuell kannst Du eine allgemeine Aussage treffen, die nicht einzelfallbezogen ist und somit keine "rechtsberatende Wirkung" hat. Interessiert mich nämlich brennend, dieser Aspekt eines Betriebsübergangs...

Herzlichen Dank nnochmals für Deine Mühe! :o)

ralosaviv  12.04.2012, 20:52
@SirChess

Hallo SirChess,

wenn die erforderlichen Stellen beim Erwerber bereits besetzt sind und das erworbene Unternehmen eingegliedert wird, halte ich es für denkbar, dass es als Begründung für eine (Änderungs)kündigung ausreichen könnte.

Es geht aber nicht alleine darum, ob du auf deine Position und Vollmachen bestehst, wenn man beurteilen soll, ob der AG kündigen kann. "Degradieren" darf er dich aufgrund der Schutzfrist sowieso nicht. Er könnte aber aufgrund einer Überbesetzung leitender Funktionen einzelne Arbeitnehmer betriebsbedingt entlassen, weil deren Arbeitsplatz tatsächlich nun wegfallen würde. Der AG muss dabei aber immernoch eine Sozialauswahl treffen, wobei er sich nicht auf die ArbN des erworbenen Betriebes beschränken darf. Bringt der neue AG eine Führungskraft mit, die erst vor zwei Jahren angefangen hat und ledig ist, während du seit 10 Jahren im Betreib bist und Familie hast, gleichzeitig vergleichbare Voraussetzungen zur Ausübung der Position vorliegen, muss der Erstgenannte entlassen werden!

Sollte der WorstCase eintreten, hol´ dir einen guten Anwalt!

LG

TETTET  13.04.2012, 11:35
@ralosaviv

Im Notfall schafft der Erwerber für ein Jahr eine Stabstelle, die danch überflüssig wird.

Neben den vielen rechtlichen Aspekten sollte jemand der dieses 'wetter' aufziehen sieht mit folgender Situation rechnen und darauf achten ob er Signale erhält:

  • Ist er bereits im Vorfeld der Akqusition mindestens mündlich involviert und vertraulich informiert ?
  • ist er über den Stellenplan der 'neuen' reorganisierten Firma informiert.(Der wird sinnvollerweise fertig sein, bevor der Merger fertig ist).
  • weiss er was mit 'seiner' Stelle passiert ?
  • ist es sichtbar dass an bestimmten Positionen bereits vor dem Erwerb 'verändert' wird. (ich habe es erlebt wie scheinbar ohne Grund ein bewährter Serviceleiter zum Techniker degradiert wurde; drei Monate später war die Abteilung verkauft und gemergt - jemand vom anderen Unternehmen war nun Serviceleiter aber der Job war gerettet). Also geh davon aus, dass wenn das Management an jemandem der bisher 'wichtig' war interessiert ist, man auch mit ihm/ihr reden wird. Geh auch davon aus dass abseits aller rechtlichen Wege und Möglichkeiten die neue Organisation so geschaffen wird wie sie optimal sein sollte- ohne Beachtung bisheriger 'Besitzstände'. Der Rat wäre also sich schonmal fit zu machen für eine Bewerbung woanders in den Fällen wo eben vom AG keine besondere Wertschätzung ausgedrückt und kein Entwicklungsplan kurzfristig vorgelegt wird.

Aktuell werden nach Schätzungen des Instituts für Mittelstandsforschung in Deutschland pro Jahr rund 22.000 Unternehmen an neue Inhaber übergeben. Für viele Senior-Chefs ist der Unternehmensverkauf eine der größten Herausforderungen in ihrem Berufsleben. Wer ein paar Punkte beachtet, kann den Generationenwechsel im Chefsessel ohne größere Probleme meistern: http://www.marktundmittelstand.de/themen/recht-steuern/sechs-schritte-zum-erfolgreichen-unternehmensverkauf/

Spannende Fragen, Ansichten und Antworten.. Beschäftige mich auch seit geraumer Zeit mit diesem Thema und bin auf eine Veranstaltung Aufmerksam geworden, auf der sicherlich solche Fragen von fachkundigen Leuten face-to-face beantwortet wird.

Es gibt ein Workshop für Unternehmensnachfolger die sich ernsthaft für die Übernahme eines Unternehmens interessieren. Erfahrene Berater aus der M&A-Branches sowie Unternehmensnachfolger berichten über die häufigsten Fehler und Missverständnisse. Mehr zur Veranstaltung hier: https://www.xing.com/events/mbi-workshop-do-dont-unternehmen... Es soll am 27. Februar von 10:30 bis 13:30 Uhr bei Herfurth & Partner in Hannover stattfinden. Das Ganze ist kostenfrei und verkehrsgünstig in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof. Schöne Sache für wer interessiert ist.. Veranstalter ist stabwechsel.de

Beste Grüße Stefan P.