Darf man Goethe indirekt zitieren?
Wenn ich ein Gedicht schreibe und ich eine Zeile an ein Gedicht von Goethe anlehne, ist das erlaubt? Es geht dabei selbstverständlich nicht nur um Goethe, sondern um jeden Autoren, aber im Moment ist es eben dieser Autor.
Meines Wissens nach ist er über 70 Jahre tot, als sind seine Texte doch nicht mehr urheberrechtlich geschützt, oder?
Es handelt sich um folgende Zeilen von mir:
Du nahst dich wieder,
schwankende Gestalt, reißt mich wieder nieder...
Goethe schrieb in seiner "Zueignung", Faust I:
Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten, Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt.
Versuch ich wohl, euch diesmal festzuhalten?
...
Das Ganze soll eine Anspielung für erfahrene Leser darstellen.
Liebe Grüße
7 Antworten
Klar darf man das. Mach ich auch. Schau mal (letzte Zeile):
Der Dichter
Und da steht er
mit hängenden Schultern
und vollgeschrieben Heften
(Lyrik auf Halde),
und er bittet den Mond
mit verweintem Gesicht
gib meinen Versen
bitte Gewicht!
Doch der lächelt
und spricht:
warte nur balde!
Goethe genießt keinen Urheberschutz mehr - aber es zeugt von wenig Geschmack, Goethesche Zitate in eigenen Dichtungen zu verwenden. Solche Gedichte wird wohl auch kaum ein Verlag zur Veröffentlichung annehmen.
Das hier hat mit Urheberrechten nichts zu tun, sondern mit Intertextualität.
UrhG § 64 Allgemeines: "Das Urheberrecht erlischt siebzig Jahre nach dem Tode des Urhebers."
Gruß aus Berlin, Gerd
Das stimmt. Das steht in UrhG § 69 Berechnung der Fristen.
Aber falsch war meine Aussage dennoch nicht: Ich habe lediglich ein Gesetz zitiert! Und das korrekt. Weiterführende Gesetze und Ausführungsbestimmungen sind dabei nie ausgeschlossen - so wenig wie auslegende Urteile. ;-)
Natürlich darf man Goethe paraphrasieren.
Hier hat die Lyrikerin Margot Scharpenberg „Wandrers Nachtlied" paraphrasiert:
"... ach, ich bin des Irrens müde
und der Grenzen mir bewußt,
ferner Friede,
komm und bleib in meiner Brust!“
Bei deinem Text fehlt mir allerdings ein guter Rhythmus...
Das ist nicht ganz richtig. Das Urheberrecht erlischt 70 Jahre + die Tage bis zum Anfang des nächsten Jahres. Wenn zum Beispiel ein Autor am 02. Januar 2020 verstirbt, dann erlischt das Urheberrecht nicht am 02. Januar 2090, sondern erst am 01. Januar 2091.