Wie frei kann ein Polizeibeamter Akten einsehen?

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Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo Chaotiko alias manu,

... grundsätzlich gilt, dass in einem demokratischen Staat, wie (in) der Bundesrepublik Deutschland die Polizei dazu verpflichtet ist, sich als Exekutive an Recht und Gesetz zu halten. Zu den elementaren Aufgaben der Polizei gehört die Prävention (auch Gefahrenabwehr genannt, also das Verhindern von Regelverletzungen) und die Repression (auch Strafverfolgung genannt, also das Tätigwerden bei Regelverletzungen). Im Zuge der erforderlichen Aufgabenwahrnehmung kann die Polizei auf alle Datenbestände zugreifen, sofern ein Zugriff anlassbezogen rechtlich möglich ist. Die frei zugänglichen Jedermanndatenbestände (z. Bsp. Facebook, Telefonbücher, Google), sind hiervon nicht betroffen.

Alle behördlichen Datenbestände (Einwohnermeldeamt, polizeiliche Abfragesysteme, Kraftfahrtbundesamt, etc.) können mittlerweile von der Polizei online regional begrenzt oder überregional ohne Einschränkung abgefragt werden. Eine Onlineabfrage ist jedoch nur möglich, wenn gesichert ist, dass die Abfrage auch durch das System automatisch protokolliert und abgespeichert wird. In diesem Protokoll stehen dann alle Daten drin, die eine Recherche, wer wann zu welchem Zweck eine bestimmte Anfrage gestellt und auch welche Auskunft erhalten hat, möglich macht.

Wie sieht das nun in der Praxis aus?

In Hessen z. Bsp. muss sich jeder/jede Polizist/-in am Standardarbeitsplatz mit seiner eigenen Benutzerkennung und Kennwort anmelden. Im Anschluss daran kann man(n, frau auch) dann auf alle Systeme zugreifen und Abfragen online stellen. Im Rahmen der Vorgangsbearbeitung wird in der Regel auf vorhandene Daten von Betroffenen/Beschuldigten, oder Anzeigenerstatter/Geschädigte zurückgegriffen. Der Rückgriff dient einer Aktualisierung oder Ergänzung des Datenbestandes und vereinfacht die Vorgangsbearbeitung ungemein. Das vorhandene System ist datenschutzrechtlich in seiner Form und Anwendung durch den Hessischen Datenschutzbauftragten nicht beanstandet worden.

Im Rahmen von strafprozessualen Maßnahmen (z. Bsp. Vernehmung, Haftbefehlvollstreckung, Festnahme, etc.) wird die betreffende Person im Polizeisystem grundsätzlich einer Abfrage unterzogen. Mit dem Ergebnis weiß man, ob die Person schon mal polizeilich in Erscheinung getreten ist, und wenn ja, in welcher Art und Weise. In der Onlineauskunft ist auch enthalten, ob eine Person z. Bsp. als gewaltätig, oder als Betäubungsmittelkonsument gilt. Alles wichtige Informationen, die im Rahmen polizeilicher Maßnahmen das einsatztaktische Vorgehen der Polizei gestalten/bestimmen.

Hinsichtlich der Auskunftmöglichkeiten im Bundeszentralregister kann ich Dir folgenden Link: "http://www.bundesjustizamt.de/cln108/nn258430/DE/Themen/Strafrecht/BZR/BZRnode.html?nnn=true" empfehlen.

Ansonsten gibt es sowohl im Gefahrenabwehrrecht (in Hessen z. Bsp. das HSOG), als auch im Strafprozessrecht (kurz StPO) Vorschriften, welche die Datenübermittlung reglementieren.

Hinsichtlich Deiner Frage "ob Polizisten (also eben auch die, die ich persönlich kenne) frei auf meine Straftaten, Ermittlungsverfahren, Urteile, Handy-Auswertungen, Aussagen... zugreifen können," kann ich Dir aus hessischer Sicht wie folgt antworten:

  1. Deine Straftaten - ja
  2. Ermittlungsverfahren - ja
  3. Urteile - bedingt ja (Urteilstext/Begründung - nein, nur auf schriftliche Anfrage)
  4. Handyauswertungen - ja, wenn das Verfahren vom Polizisten selbst geführt wird
  5. Aussagen - bedingt ja, wenn der Polizist den Vorgang selbst bearbeitet, oder im Vorgang zur Mitarbeit berechtigt ist

Im Übrigen, ein guter Polizist (oder eine gute Polizistin) zeichnet sich durch ein umfangreiches Wissen rund um den eigenen Dienstbereich aus. Diese/-r Polizistin/Polizist "kennt ihre/seine Pappenheimer", und sie/er hat alle notwendigen Daten/Ereignisse von der Person im biologischen Speicher fest verankert. Dieser ist und bleibt, Gott sei Dank, von jeglicher aktuellen oder künftigen Reglementierung verschont.

Was ein/-e "bestimmter/bestimmte" Polizist/Polizistin von Dir weiß, nun, das kann ich Dir nicht beantworten. Eine solche Antwort kann Dir nur der Polizist/die Polizistin geben, der/die gegen Dich polizeiliche Maßnahmen führt. Frag ihn/sie doch einfach das nächste Mal :-)

IdS

MrDirekt

Chaotiko 
Fragesteller
 24.06.2011, 18:13

danke :)

Die Polizei kann relativ frei auf das BZR und andere Datenbanken zugreifen, aber nicht so einfach auf Daten die in anderen Ermittlungsakten stehen.

Die Zugriffe werden jedoch protokolliert. Je nach System muss jede Abfrage begründet werden, es werden zufällige Abfragen ausgewählt die begründet werden müssen oder das ganze Protokoll wird stichprobenweise ausgewertet.

Eine einmalige grundlose Abfrage führt lediglich zu einem Anschiss. Mehrmals erwischt werden zieht Disziplinarmaßnahmen nach sich von Gehaltskürzungen bis zur Entfernung aus dem Dienst.

skyfly71  24.06.2011, 11:55

Das war ne Antwort von jemandem, der Ahnung hat. DH!

MrDirekt  24.06.2011, 15:54

Hi Meandor,

... kleine Revidierung zu "Eine einmalige grundlose Abfrage führt lediglich zu einem Anschiss."

Bereits die erste unberechtigte Systemabfrage zieht disziplinarische Vorermittlungen nach sich. Siehe "http://www.hessen.de/irj/servlet/prt/portal/prtroot/slimp.CMReader/HMdI15/HMdIInternet/med/e23/e232440b-c1fb-421f-012f-31e2389e4818,22222222-2222-2222-2222-222222222222,true", in welchem Folgendes festgehalten wird: "Wenn die Beamtin oder der Beamte schuldhaft ihre oder seine Pflichten verletzt, begeht sie oder er ein Dienstvergehen (§ 47 BeamtStG). ... Das Nähere regelt das Hessische Disziplinargesetz."

Ein "Anschiss" (heißt disziplinarrechtlich "missbilligende Äußerung" und ist keine Disziplinarmaßnahme) wird mit dieser Dienstpflichtverletzung, bzw. dem Dienstvergehen nicht einhergehen.

IdS

MrDirekt

Meandor  25.06.2011, 23:02
@MrDirekt

Naja, ob die Vorermittlung eingeleitet wird, entscheidet aber der Dienstvorgesetzte. Wenn der der Meinung ist, dass es nur eine Kleinigkeiten ist, dann wird er wohl kein Verfahren einleiten. Sollte ich die Sache aber wiederholen, muss er, wenn er sich selbst nicht ins Abseits begeben will.

MrDirekt  27.06.2011, 23:28
@Meandor

Nun Meandor,

... eine Datenschutzverletzung ist aber keine, wie Du sagst "Kleinigkeit". Eine Datenschutzverletzung ist eine gravierende Dienstpflichtverletzung und hat darüber hinaus eine erhebliche negative Außenwirkung, was das Vertrauen der Bevölkerung in die Exekutive angeht. Es gibt genug Beispiele hierüber in den Pressemeldungen der Polizei und der freien Presse. Ein Dienstvorgesetzter, der sowas durchgehen läßt, sollte schnellstmöglichst sich rechtlich auf den neuesten Stand bringen, oder sein Amt einer/einem kompetenteren Kollegin/Kollegen überlassen.

Und dass Du es als "eine Kleinigkeit" empfindest, und dieses Gefühl will ich Dir überhaupt nicht absprechen, zeigt mir einmal mehr, wie das Unrechtsbewußtsein vieler Menschen in den letzten Jahren verblaßt, bzw. "de Bach runner gange is"! Man akzeptiert und bagatellisiert begangenes Unrecht immer mehr ... wegschauen ist einfacher denn handeln.

Eine Polizei, die Dienstpflichtverletzungen in den eigenen Reiehn bagatellisiert, öffnet "Korruption Tür und Tor". Heute ist es die unberechtigte Datenabfrage, morgen ein "Knollen" der privat eingesackt wird, und übermorgen ...

Mein Ausbilder damals pflegte in Polizeidienstkunde (diesen Begriff werden viele Polizeianwärter heute nicht kennen) immer einen Spruch zu erwähnen: "Ein fauler Apfel verdirbt eine ganze Ernte!", was soviel heißt, wie ... ein Negativbeispiel an einem Tag, wie die Polizei nicht sein, oder arbeiten soll, vernichtet ein ganzes Jahr gute und professionelle Polizeiarbeit. Auf solche "KollegINNen", Meandor, kann ich im Dienst absolut verzichten.

IdS

MrDirekt

Meandor  28.06.2011, 14:17
@MrDirekt

Ich bin in der Finanzverwaltung und ich sehe das mit dem Apfel genau so, vor allem da es bei uns meist um das Steuergeheimnis geht, und das noch höher eingestuft wird, als Amtsverschwiegenheiten oder ähnliches. Aber grundsätzlich sollte man nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen.

Wenn mich der Bruttolohn eines Fußballers interessieren würde, und ich deshalb dessen Daten abfrage, verletzte ich das Steuergeheimnis. Da ich weiß, dass ich es verletzte und dies bewusst in Kauf nehme, hab ich mir auch eine Zurechtweisung verdient, aber eine Entfernung aus dem Dienst ist (meines Erachtens) erst gerechtfertigt, wenn ich die Daten nach aussen weitergebe. Wenn ich aber trotz erwischt werdens, laufend weitere Spitzensportler abfrage, dann besitze ich auch nicht die charakterliche Eignung zum Steuerbeamten.

Für uns aufrechte Verteidiger der Beamtentraditionen bleibt somit nur eines: Vorbild geben.

Straftaten, Ermittlungsverfahren und Urteile stehen im Bundeszentralregister. Auf die hat jeder Polizist bei einer Personenabfrage Zugriff. Handy-Auswertungen müssen von der Staatsanwaltschaft bei den Telefonanbietern angefordert werden. Aussagen stehen nur in Gerichtsakten wenn die Ermittlungen abgeschlossen sind. Darauf hat ein Polizist keinen Zugriff.

Chaotiko 
Fragesteller
 24.06.2011, 10:45

Das beißt sich ein bisschen mit jockls Beitrag, grade, was die Handy-Auswertungen angeht (ich meinte auch eher dasv Telefonbuch und Sms)

diroda  24.06.2011, 11:14
@Chaotiko

Um das Telefonbuch und deine SMS einsehen zu können brauchen sie dein Telefon. Anders haben sie keinen Zugriff.

Benadino  24.06.2011, 11:24
@diroda

Diroda das ist quatsch

Chaotiko 
Fragesteller
 24.06.2011, 18:03
@diroda

...das haben die schon

Im Zuge von Ermittlungen kann auch Polizist vorhandene Register/Akten usw. heranziehen und auch einsehen, sofern diese zu keiner zwingenden Richterlichen Erlaubnis bedürfen. Da Polizisten die sog. Zuarbeiter der Staatsanwaltschaft sind ist der Befugnisrahmen derselben sehr weit gesteckt. Alle in der Frage angesprochenen Zugriffsmöglichkeiten gehören in diesen Rahmen. Klar unterliegen Polizisten der Schweigepflicht, diese geht soweit als dass Polizisten als Zeugen eine Aussagegenehmigung brauchen, bzw diese dem/der Richter vorliegen muss.

Chaotiko 
Fragesteller
 24.06.2011, 10:43

ja? hört sich so an als würdest du das wissen und nicht nur glauben, oder?

Benadino  24.06.2011, 11:10
@Chaotiko

Das alles gilt für laufende Ermittlungen schon richtig wir sprechen hier von Vorstrafen also reden wir hier leicht an einander vorbei.

Ich denke mal dass sie auf die groben Daten schon Zugriff haben (Vorstrafen, Ermittlungsverfahren, laufende Haftbefehle...). Aber auf die Feinheiten wie den genauen Wortlaut der Urteile von Vorstrafen, Handy-Auswertungen, Aussagen... wohl nicht.