Lebenslanges Wohnrecht für Stiefmutter im Testament-haltbar?
Guten Abend,
vor kurzem ist mein Vater überraschend verstorben. Er ist zum zweiten Mal verheiratet (kinderlos) und hat aus seiner ersten Ehe drei Kinder (mich eingeschlossen, alle volljährig). Nun ist es so, dass er ein handschriftliches mit Datum und Unterschrift versehenes Testament hinterlassen hat dessen Wortlaut lautet: "Ich setze hiermit zu alleinigen Erben meine drei Kinder x,y und z ein. Meine Frau F. soll lebenslanges Wohnrecht in meiner Wohnung (Anschrift) erhalten. Datum, Unterschrift". Weiter gibt es eine Lebensversichung und einen Bausparvertrag, bei beiden ist mein Bruder als Begünstigter eingetragen, somit dürfte das nicht in die Erbmasse fallen. Den Auftrag ans Bestattungsunternehmen hat die Ehefrau F. erteilt und unterschrieben.
Nun mein Fragen:
- Ist das so formulierte Wohnrecht haltbar? Es besteht KEINE Eintragung im Grundbuchamt, dort ist nur mein Vater als Eigentümer eingetragen.
- Gemäß dem Wortlaut würde die Ehefrau F. nur den ihr zustehenden Pflichtteil erhalten?
- Kann die Ehefrau F. verlangen, dass die Bestattungskosten über die LV beglichen werden?
- Wenn wir das Erbe annehmen, können wir uns dann irgendwie absichern, dass wir nur im Rahmen der Erbmasse haften und nicht mit unserem Privatvermögen (wir haben alle Eigenheime und dementsprechende Schulden). 5.Wenn das Wohnrecht für Ehefrau F. Bestand hat, haben wir dann Anspruch auf Auszahlung unseres Erbanteils?
- Haben wir wenn wir das Erbe ausschlagen dennoch Anspruch auf den Pflichtteil als leibliche Kinder? Meine gelesen zu haben, dass das der Fall ist, wenn das Erbe mit einem Vermächtnis, in diesem Fall den Wohnrecht, belastet ist.
- Die Immobilie um die es sich handelt, ist einer Genossenschaft zugehörig und somit sind Wohngeld und Sonderzahlungen im Hinblick auf die Erhaltung des Gemeinschaftseigentum möglich, wer würde die beim Annehmen des Erbes tilgen müssen?
Ziemlich viele Fragen, ich weiß, aber vielleicht kann mir jemand den einen oder anderen Tip zum weiteren Vorgehen geben oder ob ein eventuelles Anfechten des Testaments Erfolg versprechen würde. Ebenso wäre ich dankbar über Empfehlung bezüglich Fachanwälten für Erbrecht im Raum Stuttgart Böblingen. Vielen Dank, Naizah
2 Antworten
zu 1:
Als Alleineigentümer konnte der Erblasser diese Verfügung wirksam treffen und sich die Berechtigte nunmehr ein Wohnrecht eintragen lassen.
Schliesslich erwerben die Kinder ja ebenso Eigentum erst durch Testament, ohne lebzeitige Grundbucheintragung :-)
zu 2.:
Nein, auch und zunöchst 1/4 pauschalierten Zugewinnausgleich am Reinnachlass, sofern sie im Regelfall des gesetzlichen Güterstands der Zugewinngemeinschaft verheiratet wäre. Und zusätzlich 1/8 Pflichtteilsrecht am fiktiven Gesamtreinnachlass (/einschl.Verkehrswert der Immobilie).
zu 3.:
Nein. Die Bestattungskosten fallen dem Nachlass zur Last und wären zunächst als (weitere) Vernindlichkeit vom Vermögen abzuziehen. Erb- und Pflichtteilsrecht ergeben sich an dem verbliebenen reinnachlass, ggf. durch lebzeitige Schenkungen der letzten 10 Jahre degressiv erhöht.
Versciherungen mit Bezugsrecht fallen hingegen bis zum Widerruf der Erben, nicht Pflichttelsberechtigten, dem Berechtigten unmittelbar zu und gehören nicht zum Nachlass :-)
zu 4.:
Eine Beschränkung der Erbenhaftung auf Nachlassvermögen wäre nur durch Antrag einer sog. Nachlassverwaltung beim Nachlassgericht innerhalb von 6 Wochen realisierbar.
zu 5.:
Ohne Kennnis des vollständigen Wortlauts des Testamentes wäre eine Beschwerung oder Auflage nicht zu erkennen.
Demnach würde mit Erbausschlagung auch Pflichteilsverzicht einhergehen.
zu 6.:
Selbstverständlich tragen die Erben sämtliche Verpflichtungen des Erblassers, die die Genossenschaft als Gläubiger gegen jeden der Schuldner gesamtschuldnerisch fordern kann.
G imager761
Um den fiktiven Gesamtreinnachlass zu ermitteln müßte man quasi alles z.B. wie Aktien... mit dem Verkehrswert der immobilie addieren?
Plus Auto, Nachlassgegenstände (Einrichtung), goldene Manschettenknöpfe, Girokonto, Rente, Forderungen Tippgemeinschaft usw. abzüglich Verbindlichkeiten einschl. Bestattungskosten am Sterbetag, das wäre der Reinnachlass.
Das wäre der Pflichtteilsberechtigten in einem bilanzierten Verzeichnis einschl. Wertangaben (Gutachterlicher Verkehhrswert, ebay-Preise/Händlerangebote Nachlassgegenstände) beleghaft mitzuteilen.
Auskunftsanspruch, § 2314 BGB: http://dejure.org/gesetze/BGB/2314.html
Ebenso Kontoauszüge als Nachweis fehlender lebzeitiger Schenkungen der letzten 10 Jahre, die dem ggf. hinzuzurechnen wäre.
Von diesem (ggf. fiktiven) Nachlasswert kann sie 3/8 in Geld beanspruchen
aber eine andere Art der Abschlagszahlung z.B. für Strom Wasser... eben NK?
Selbstverständlich. Nur mietzinsfreies Wohnrecht meint durchaus, Nebenkosten (Strom, Energie, Wasser) nach individuellem Verbrauch und Betriebskosten (Versicherungen, Grundsteuer, Müll, Schornsteinfeger usw.) nach qm als Vorauszahlungsabschlag monatlich festzusetzen und darüber nach 12 Monaten beleghaft abzurechen.
Wie sieht es denn mit dem Pflichtteil der Kinder aus?
Den gibt es nicht: Wer auf sein Erbe verzichtet, verzichtet auch auf seinen Pflichtteil - er gälte als in der Erbfolge nicht mehr vorhanden, den übrigen Erben wüchse dessen Drittel zu.
Pflichtteil aus dem Verkehrswert der Wohnung
Das seht ihr falsch. Jeder erwirbt 1/3 Miteigentum an der Wohnung. Er kann den verkaufen, bevorzugt an Miteigentümer (Vorkaufsrecht), sofern sich jemand findet, der das Haus mit Wohnrecht erwerben will, andernfalls trägt er aber die Lasten (Versicherungen, Grundsteuer, Müll, Schornsteinfeger, Dachsanierung, Heizungsaustusch usw) anteilig als Miteigentümer daran mit.
Zwar kann er fiktive Mieteinnahme zu 1/3 gegen die Miterben fordern, aber das können alle gegen jeden und das hebt sich eben auf.
Aber diesen Antrag könnte man stellen
Nachlassverwaltung macht nur Sinn, wenn man überschuldeten Nachlass befürchtet und Erbenhaftung auch aus Privateigentum ausschkiessen will. Andernfalls wäre der nicht nur teuer, sondern würde den Nachlass monatelang einfrieren (Werpapierdepot).
Also die Zeit nutzen: Gäbe es nichts, auch keine Schulden und stünde das Haus auf keiner Mülldeponie oder ehemal. Gerberei, macht das wenig Sinn :-O
G imager761
Viele Dank für die weiteren Erklärungen, jetzt ist mir das schon ein wenig deutlicher. Muss mich noch mit meinen Geschwistern besprechen und dann mal sehen wie es weiter geht.Gruß Naizah
Das mit den Bestattungskosten weiß ich nicht. Normalerweise können sich die Erben über den Betrag einigen. Schließlich ist ja jeder daran interessiert, dass ein Verstorbener gescheit unter die Erde kommt.
Das lebenslange Wohnrecht ist rechtens. Eine Immobilie, in der sich jemand mit lebenslangem Wohnrecht befindet, ist viel schwerer als ohne lebenslange Bewohnerin zu verkaufen. Schließlich gilt das Wohnrecht unabhängig vom Besitzer.
Ich schätze mal, dass Ihr für die Tilgung der restlichen Schulden aufkommen müsst.
Die Bestattungskosten werden aus dem Erbe bezahlt bevor es verteilt wird.
Hallo Imager761, vielen Dank für deine ausführliche Antwort!!!
Zu 5. wäre noch zu sagen, dass das oben kursiv gedruckete das vollständige Testament im genauen Wortlaut ist. Einzig die persönlichen Daten (Name,Anschrift) habe ich ersetzt.
zu 2. Sie waren ganz normal verheiratet, eben im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Es gibt außer der LV, dem Bausparvertrag und der Immobilie (welche abbezahlt ist) keine weiteren Güter (Barvermögen auf dem Konto sind gerade mal 500€, keine weiteren Konto oder dergleichen existent). Die LV und der Bausparvertrag fallen wenn ich das richtig verstanden habe aufgrund einer festgelegten begünstigten Person nicht in die Erbmasse, also bliebe noch die Immobilie. Reinnachlass wäre also alles was zusätzlich zur Immobilie noch da wäre, z.B. Barvermögen, Aktien, Fonds, Wohnungsausstattung (wobei daran kein Interesse besteht)? Da da nichts ist woher käme dann das1/4 Zugewinnsausgleich? Um den fiktiven Gesamtreinnachlass zu ermitteln müßte man quasi alles z.B. wie Aktien... mit dem Verkehrswert der immobilie addieren? Da da nichts ist bliebe es quasi beim 1/8 der Immobilie plus 1/4 Zugewinnsausgleich (woher der auch immer käme?) zu 4. Aber diesen Antrag könnte man stellen und wie wahrscheinlich wäre da wohl eine Genehmigung? Die 6 Wochenfrist nach dem Tod sind noch nicht rum. Wir befinden uns gerade mal in Woche 3.
zu 6. Ich habe etwas zu ungenau gefragt. Miete darf man als Eigentümer ggüber dem der lebenslanges Wohnrecht hat ja nicht verlangen, aber eine andere Art der Abschlagszahlung z.B. für Strom Wasser... eben NK?
Wie sieht es denn mit dem Pflichtteil der Kinder aus? Wenn die Ehefrau F. in der Wohnung verbleibt und kann uns doch der Pflichtteil aus dem Verkehrswert der Wohnung nicht ausbezahlt werden, oder muß sie das vornehmen?
Vielen vielen Dank für die schnelle und ausführliche Antwort, welche uns sehr weitergeholfen hat. Grüße Naizah