Kameraüberwachung am Arbeitsplatz ohne Einverständnis?

2 Antworten

Macht sich der AG strafbar?

Nach Deiner Schilderung: schlicht und einfach JA!

Videoüberwachung ist grundsätzlich nicht vom Gesetz gedeckt! Ob sie im Einzelfall dennoch erlaubt ist, kommt immer auf die ganz konkreten Umstände an.

Innerhalb des Betriebes, im nichtöffentlichen Bereich (also z.B. kein Publikumsverkehr wie bei einer Bank oder keine Kundschaft wie im Laden/Geschäft), ist sie jedenfalls ohne konkreten Anlass oder ein besonderes begründetes Interesse des Arbeitgebers und verdeckt und unangekündigt nicht erlaubt - die zwingend vorgeschriebene Mitbestimmung des Betriebsrates (sofern es einen gibt) einmal außen vor gelassen.

Eine Videoüberwachung ist grundsätzlich nur dann erlaubt, wenn es um die Wahrung konkreter Sicherheitsbedürfnisse (z.B. durch Videoüberwachung des Schalterraums eine Bank zur Erleichterung der Aufklärung bei Überfällen oder des Ladenraums zur Verfolgung von wahrscheinlichen Ladendiebstählen) und um die Aufklärung von Straftaten bei konkret begründetem Tatverdacht; in allen Fällen muss die Videoüberwachung dann aber allgemein bekannt gemacht werden.

Die Erlaubnis zur Videoüberwachung bei Beschäftigten richtet sich nach dem Bundesdatenschutzgesetz BDSG § 32 zur "Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses". 

Ohne diese Voraussetzungen stellt sie eine schwerwiegende Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen und des Persönlichkeitsrechts der Betroffenen dar und kann zu spürbaren Schmerzensgeldansprüchen gegen den Arbeitgeber führen!

Dazu gibt es eindeutige Urteile, u.a. des Landesarbeitsgerichts Hessen (Urteil vom 25.10.2010 - Az. 7 Sa 1856/09). Darin heißt es in den Entscheidungsgründen u.a.:

Bei einer Kollision des allgemeinen Persönlichkeitsrechts mit den schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers ist eine Güterabwägung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls erforderlich. Das zulässige Maß einer Beschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bestimmt sich nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Dabei muss die vom Arbeitgeber getroffene Maßnahme - hier das Anbringen von Videoüberwachungskameras - geeignet, erforderlich und unter Berücksichtigung der gewährleisteten Freiheitsrechte angemessen sein, um den erstrebten Zweck zu erreichen. Gesetzlich erlaubt ist eine Videoüberwachung nicht.

(Quelle:  http://www.schweizer.eu/guterrat/urteile.html?id=15044  )

Bei Nichtbeachtung der Voraussetzungen kann der Arbeitgeber in zivil-/arbeitsrechtlicher und in strafrechtlicher Hinsicht belangt werden!

Im Internet findest Du zahlreiche Seiten zu diesem Thema, z.B. auf der Seite des Bundesdatenschutzbeauftragten:  https://www.bfdi.bund.de/DE/Datenschutz/Themen/Technische_Anwendungen/TechnischeAnwendungenArtikel/Videoueberwachung.html  

Wesentlich für Deine Situation ist aber:

Selbst wenn der Arbeitgeber berechtigterweise in seinem Betrieb (in der Halle) eine Videoüberwachung installiert hat, darf er die dabei ermittelten Daten/Erkenntnisse nur für die Zwecke verwenden, derentwegen die Videoüberwachung durchgeführt wird.

Wenn die Videoüberwachung also der Prävention und Aufklärung von Diebstählen dient, dann darf sie nicht zur Überwachung des Arbeitsverhaltens der Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen benutzt werden!

2001Jasmin  27.07.2017, 16:32

Boah wie das tönt !! So als ob der Arbeitnehmer sich alles erlauben darf & der Chef das einfach still hinnehmen muss! Unglaublich! Der Chef steckt sein ganzes Leben in den Betrieb und hat schlussendlich ( laut dem Gesetz) ja fast keine Rechte !
Schlicht und einfach UNFAIR!!!!

Familiengerd  27.07.2017, 17:14
@2001Jasmin

Sorry, diese Äußerungen sind ein völliger und geradezu grandioser Blödsinn!

Weder darf der Arbeitnehmer "sich alles erlauben", noch muss der Arbeitgeber "das alles still hinnehmen" oder hat "fast keine Rechte"!

Der Arbeitgeber darf eben nur nicht seine Arbeitnehmer ausspionieren - das ist alles. Ansonsten ist es immer noch er, der im Vertragsverhältnis Arbeitgeber - Arbeitnehmer in der entscheidend mächtigeren Position ist.

Im Übrigen hat das Bundesarbeitsgericht in einem Urteil heute noch einmal bestätigt, was in den zwei Vorinstanzen schon ausgeurteilt wurde: Ein Arbeitgeber darf seine Arbeitnehmer nicht umfassend überwachen, und Erkenntnisse, die er dabei gewonnen hat, darf er nicht gegen sie verwenden - und das ist auch richtig so!

Also: Erst nachdenken - dann schreiben; ansonsten kommt zu oft nur Unsinn dabei heraus!