Ist das Klauen, wenn jemand im Supermarkt dir etwas aus dem Wagen nimmt?

58 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Es ist nicht gestattet:

Dazu gab es Mitte letzten Jahres eine schöne Antwort von Semmel76 die ich hier mal (angepasst) zitiere:

Du erlangst nach allgemeiner Anschauung im Sinne des § 854 BGB (vgl. Palandt - 63. Auflage, § 854 BGB, Rd.Nr. 2) Besitz an der Ladestation, indem sie sie aus dem Regal nimmst und in deinen Einkaufswagen legt. Juristisch gesehen trägst du damit nach außen hin erkennbar den Willen, Sachherrschaft und letztlich mittels Zahlung an der Kasse auch Eigentum an besagter Ladestation zu erlangen und wird somit zur Anwärterin auf Kauf dieser. Zumindest bist du auch unmittelbare Besitzerin der Station (-> Sachherrschaft). Der Gewahrsam und Eigentum am gegenständlichen Artikel bleibt bis zum Bezahlen indes beim Ladeninhaber.

Nun kommt der fiese Kunde XY ins Spiel, welcher in verbotener Eigenmacht (vgl. § 858 BGB), weil u.a. ohne erkennbaren oder geäußerten Willen deinerseits bzw. Rechtsgrundlage, das auch von ihm begehrte, zudem letzte Produkt aus dem Einkaufswagen von dir entnimmt und somit zwar zum Besitzer wird, jedoch der Besitz des XY an Station nach § 858 Abs. 2 Satz 1 BGB fehlerhaft im Rechtsinne ist und damit der XY eben weder der rechtmäßige Besitzer noch Anwärter auf die Ladestation ist.

Vorliegend handelt es sich beim Einkaufswagen nämlich um den sog. "Herrschaftsbereich", so dass u.a. eine Besitzbeeinträchtigung dem XY vorwerfbar ist. Dir wiederum dürfte sich nunmehr der verbotenen Eigenmacht des XY im Sinne des sog. "Selbsthilferechts" (vgl. § 859 BGB) innerhalb bestimmter Grenzen der Rechtsausübung sogar mit Gewalt erwehren (Besitzwehr) oder dem XY den Artikel wieder wegnehmen (Besitzkehr), ferner hat sie neben einem Schadenersatzanspruch nach dem § 823 Abs. 1 oder alternativ §§ 823 Abs. 2 i.V.m. 858 Abs. 1 BGB aus der Verletzung ihres Besitzrechts gegenüber dem XY zudem noch einen Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes gemäß § 861 BGB. Alternativ ist im Einzelfall bei einem vergriffenen Artikel unter Umständen des auch ein Schadensersatzanspruch aus § 826 BGB über die Differenz zwischen Angebotspreis (ggf. Sondepreis) und Normalpreis begründet.

Im Ergebnis tut meines Erachtens ein gestellter XY also in jedem Fall gut daran, den rechtswidrig aus einem fremden Einkaufswagen entnommenen Artikel schleunigst wieder zurückzugeben.

Der angedachte Strafbarkeit nach § 242 StGB ist hingegen abwegig, weil es schon an der Absicht rechtswidriger Zueignung fehlt. Vor obig dargestelltem Hintergrund will offenbar der XY ja den Artikel nicht etwa aus dem Laden (!) stehlen, sondern sich in widerrechtlicher Art und Weise lediglich den Besitz am inzwischen vergriffenen Artikel verschaffen um die rare und offensichtlich auch letzte Ladestation anstelle deinerseits zu erwerben. Tatsächlich ist der fiktive XY im Verhältnis zum anderen Kunden (dir) somit also vielmehr als ein Besitzstörer zu betrachten, wobei allerdings dein Besitzrecht indessen schon ohne eine diesbezügliche, rechtsgeschäftliche oder willentliche Besitzeinräumung durch den Ladeninhaber geschützt ist (vgl. Palandt/Sprau - 63. Auflage, § 823, Rn. 12 und 13), so dass letzlich die Tat des XY ungeachtet einer moralischen Wertung durchaus rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann.

AdoreSunrise  17.02.2012, 10:48

Nicht immer haben die guten Antworten viele DH! Dieser Beitrag verdient deutlich mehr Auszeichnungen!

floo28 
Fragesteller
 17.02.2012, 13:11
@AdoreSunrise

Super Antwort, Danke

Semmel76  17.02.2012, 13:35
@floo28

;-) Die allseits beliebte Einkaufswagenfrage...

Terezza  17.02.2012, 14:02
@MichaDD

wieder was gelernt hier!

Semmel76  17.02.2012, 14:09
@MichaDD

Ach, woher denn? :-)

Im Gegegenteil, es freut mich, wenn ich eine Vorlage geliefert habe, die letztlich (u.a. beim hier Antwortenden) Anklang findet, zumal sich offenbar nicht Wenige den Kopf darüber zerbrechen.


Ich habe zu danken für´s Publizieren. ;-)

RosaSchelfeis  17.02.2012, 15:33
@Semmel76

hört sich zwar gut an - ist aber in der Praxis fast nicht zu gebrauchen..

  • du gehst dem Streit aus dem Weg

  • der stärkere siegt

  • auf solch extreme Unanehmlichkeiten lässt man sich nicht ein, nerven kaputt.- öfftl. Gezänk

Semmel76  17.02.2012, 15:48
@RosaSchelfeis

hört sich zwar gut an - ist aber in der Praxis fast nicht zu gebrauchen..

Stimmt soweit - es handelt sich hierbei auch nur um die rechtstheoretische Sicht dieses Sachverhalts.

Wie man dies letzlich in der Praxis löst, macht (gemessen an der eigenen körperlichen und nervlichen Konstitution) wohl jeder mit sich selbst aus. ;-)

Rosengarten  17.02.2012, 22:15
@Semmel76

Aber es ist gut zu wissen, daß man im Recht ist, wenn man auch das Gefühl hat, im Recht zu sein !! Vielleicht sollte man sich das mal ausdrucken, in die Handtasche legen und bei Bedarf dem Übeltäter unter die Nase reiben!!

Semmel76  18.02.2012, 16:31
@Rosengarten

Zumindest besser, als dem Übeltäter die Handtasche um die Ohren zu hauen... ;-)

Martin2013  12.03.2012, 23:42
@Semmel76

aha und du hast schon mal die praxis gesehen?

Michi1985nrw  07.03.2012, 14:19

Most epic Answer ever. Ist der Fachanwalt? ^^

Semmel76  08.03.2012, 18:43
@Michi1985nrw

Most epic Answer ever.

Diese Wertung erfreut das Herz.

Ist der Fachanwalt? ^^

Nein, bin kein Fachanwalt für Einkaufswagenfragen. ;-)


Im Ernst: Volljurist (+) Anwalt (-), mehr sei an dieser Stelle aber nicht verraten.

Ja, wenn du etwas in den Einkaufswagen legst, gehört es quasi dir und niemand darf es aus dem Wagen nehmen! Außerdem ist das ja schon unverschämt, wen dir jemand etwas aus dem Wagen nimmt während du nicht beim Wagen stehst! Also das heißt nicht, dass es Ok ist wenn dir jemand etwas aus dem Wagen nimmt während du daneben stehst. Wenn du den erwischst, der dir etwas aus dem Wagen genommen hat, stell ihn vor anderen Leuten zur Rede! Ich hoffe das passiert dir nicht nochmal :)

Stellt sich hier die Frage, ob mit der Verbringung in deinen Einkaufswagen bereits ein Vertrag (übereinstimmende Willenserklärung) zw. Supermarkt und Dir zustandegekommen ist. Wenn ja, hat der Supermarkt seine Schuld Dir gegenüber beglichen da Du das Teil ja in Deinem Besitz hast. Es ist lediglich noch Deine Schuld aus diesem Vertrag zu begleichen (an der Kasse bezahlen) - aber das Teil ist bereits Deines.

Meiner Meinung nach ist es Diebstahl, weil ich den Einkaufswagen mit einer Münze angemietet habe und durch das hineinlegen einer Ware kommt ein Vorverkaufsvertrag zustande, der an der Kasse abgeschlossen wird.

Nein, noch gehört der Gegenstand dem Supermarkt; der Kaufvertrag wird erst an der Kasse nach der Bezahlung gültig. Wenn man dir dann etwas wegnimmt - DAS ist Diebstahl.