Urlaubsentgeltung bei Kündigung als Werkstudent?

Familiengerd  08.07.2020, 22:38

Was heißt 1,25 Tage?

Du arbeitest an 2 Tagen in der Woche! Wie sich das dann bezüglich der Stunden aufteilt (z.B. einmal 8 Stunden, einmal 2 Stunden), ist dann eine andere Frage.

Crysali 
Fragesteller
 09.07.2020, 17:19

So steht das bei mir im Vertrag in der Begründung der Urlaubstage, ich hätte eine "1,25-Tage-Woche", woraus sich dann 5 Urlaubstage ergeben würden.

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So steht das bei mir im Vertrag in der Begründung der Urlaubstage, ich hätte eine "1,25-Tage-Woche", woraus sich dann 5 Urlaubstage ergeben würden.

Das ist völliger Unsinn - und Dein Arbeitgeber zieht Dich über den Tisch!

Diese Klausel ist rechtswidrig, weil sie Dich um Deinen zwingenden gesetzlichen Mindesturlaub betrügt.

Zunächst einmal: Wenn Du an 1,25 Arbeitstagen arbeitest, dann arbeitest Du tatsächlich an 2 Tagen in der Woche - wenn auch (möglicherweise) mit unterschiedlicher Stundenzahl.

Damit hast Du - ausgehend von einem betrieblichen Urlaubsanspruch von 20 Arbeitstagen (bei einer 5-Tage-Woche) - einen Urlaubsanspruch von 8 Deiner Arbeitstage (gibt es im Betrieb allgemein mehr als den gesetzlichen Urlaub, ist das dann die Grundlage für Deinen anteiligen Anspruch).

Diese Urlaubstage können auf zweierlei Weise bezahlt werden:

  1. Mit dem Geldfaktor: Dann erhältst Du für jeden Urlaubstag das, was Du im Durchschnitt der vorangegangenen 3 Monate arbeitstäglich verdient hast (das ich die Regelung nach dem Bundesurlaubsgesetz BUrlG § 11 "Urlaubsentgelt" Abs. 1).
  2. Mit dem Zeitfaktor: Den hat die Rechtsprechung neben dem Geldfaktor entwickelt; danach bekommst Du für einen Urlaubstag dasjenige an Entgelt, was Du für den Tag bekommen würdest, wenn Du gearbeitet hättest. Beispiel: Du arbeitest am Mittwoch 6 Stunden und am Freitag 4 Stunden, dann haben auch die Urlaubstage, wenn Du dann Urlaub nimmst, diesen Geldwert von 6 und 4 Stunden. Weiteres Beispiel: Du solltest eigentlich am Mittwoch (ausnahmsweise) nach Dienstplan 9 Stunden arbeiten, am Freitag 6 Stunden, bekommst dann aber für diese beiden Tage Urlaub bewilligt: dann bist Du für diese beiden Urlaubstage auch für 9 und 6 Stunden zu bezahlen, weil Du dieses Geld bekommen würdest, wenn Du keinen Urlaub genommen hättest.

Grundsätzlich gilt das Lohn- oder Entgeltausfallprinzip, wonach Du dasjenige an Entgelt zu erhalten hast, was Du ohne den Arbeitsausfall (wegen Urlaub, Erkrankung, Feiertag) erhalten hättest.

Zu Deiner Frage Punkt 1.:

Wenn Dir noch Urlaub zusteht, muss der Arbeitgeber ihn Dir bis zum ende des Arbeitsverhältnisses gewähren. Nur dann, wenn das aus wirklich (!) dringenden (!) betrieblichen Gründen (oder wegen einer Erkrankung) nicht möglich ist, muss Dir der Dir noch zustehende Urlaub ausgezahlt werden (BUrlG § 7 "Zeitpunkt, Übertragbarkeit und Abgeltung des Urlaubs" Abs. 4).

Zu Deiner Frage Punkt 2.:

Du wurdest/wirst nach der Kündigung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses freigestellt (das ist dem Arbeitgeber erlaubt, weil es für diesen Fall vertraglich vereinbart wurde; ansonsten müsste er wichtige Gründe dafür anführen können). Bis zu diesem Ende bekommst Du weiterhin "normal" Dein vereinbartes Entgelt.

Nur dann, wenn die Freistellung als "unwideruflich" erklärt wurde (oder es keinen entsprechenden Hinweis gibt), darf vereinbart werden, dass noch ausstehende Urlaubsansprüche mit der Zeit der Freistellung verrechnet werden können.

Wurde die Freistellung aber als "widerruflich" erklärt (d.h., dass der Arbeitgeber Dich jederzeit wieder zur vertraglichen Arbeit auffordern kann), darf der Urlaub nicht angerechnet werden (Du kannst ihn ja nicht tatsächlich nehmen und z.B. verreisen, wenn Du damit rechnen musst, doch wieder arbeiten zu müssen) - es sei denn, der Urlaub wurde für einen bestimmten Zeitraum während der Freistellung "verordnet".

Eventuell vorhandene Überstunden können übrigens immer verrechnet werden.

Sollte es Probleme mit der Durchsetzung Deiner Ansprüche geben, kanst Du sie auch noch nachträglich einfordern, wobei aber fristen zu beachten sind:

Zwar gilt für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis in Deutschland grundsätzlich die gesetzliche Verjährungsfrist von 3 Jahren nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch BGB § 195 "Regelmäßige Verjährungsfrist". Ansprüche aus 2020 kannst Du dann also noch bis zum 31.12.2023 geltend machen.

Diese gesetzliche Verjährungsfrist kann aber arbeits- oder tarifvertraglich durch viel kürzere Ausschlussfristen ersetzt werden; die Ausschlussfrist darf einzelvertraglich 3 Monate nicht unterschreiten, tarifvertraglich kann sie kürzer sein, beträgt aber meist 3 oder zweistufig 6 Monate (zweistufig: Geltendmachung innerhalb von 3 Monaten, Einleitung gerichtlicher Durchsetzung innerhalb weiterer 3 Monate).

Crysali 
Fragesteller
 10.07.2020, 13:52

Vielen Dank für die ausführliche Beantwortung meiner Frage, damit haben sich meine Fragen geklärt!

Familiengerd  10.07.2020, 16:23
@Crysali

Freut mich, dass ich Dir helfen konnte - auch wenn es relativ viel Text war; aber manche Fragen lassen sich nicht mit nur einem lapidaren "Ja" oder "Nein" oder 2 Sätzen vernünftig beantworten (wie es in diesem Forum leider oft geschieht).

Viel Glück!🍀