Frage zur Notwehr; Rechtsgüter und Notwehr?

6 Antworten

Das Gesagte ist vollkommen richtig. Dass es allerdings keine Verhältnismäßigkeit gibt ist in dieser Pauschalität nicht korrekt, da die Gebotenheit der Notwehrhandlung als eine Art Korrektiv für unhaltbare Ergebnisse dient. Richtig ist, dass die Notwehr im Einzelfall auch die Tötung eines anderen Menschen rechtfertigt und keine dem § 34 StGB ähnliche Güterabwägung kommt.

Allerdings gibt es bestimmte Fallgruppen, in denen das Notwehrrecht eingeschränkt wird. Das ist beispielsweise der Fall bei dem Einsatz der Schusswaffe oder bei einem Angriff von erkennbar schuldlos Handelnder (z.B. Schizophrene oder Kinder). Hier ist auf das Drei-Stufen-Modell zurückzugreifen. Danach musst Du:

  1. Zurückweichen/Fliehen etc., wenn das nicht möglich ist;
  2. Schutzwehr üben; und erst im letzten Schritt
  3. zur Trutzwehr übergehen.

Für den Einsatz der Schusswaffe ist danach regelmäßig ein Warnschuss zu fordern. Es kommt aber auch immer (!) auf den Einzelfall an. Greift dich eine gebrechliche Frau oder ein Rocker mit Baseballschläger an? Ggf. kann dann auch ohne Weiteres Trutzwehr (= aktiver Angriff) geübt werden.

Eine weitere Fallgruppe sind die sog. Bagatellangriffe. Bekanntestes Beispiel ist der Diebstahl eins Apfels vom Nachbargrundstück. In einem solchen Fall wäre die Tötung sicherlich nicht mehr von § 32 umfasst. Früher hat die Rechtsprechung für Angriffe in der Ehe ebenfalls die Beachtung des Drei-Stufen-Modells gefordert. Diese Rechtsprechung wurde glücklicherweise aufgegeben. Für Eheleute gilt also eine Einschränkung nicht schon deswegen, weil sie verheiratet sind.

Interessante Fragen werfen Fälle der Notwehrprovokation auf. Hierbei geht es um Fälle, in denen das Opfer den Täter provoziert, um sich später seinerseits auf Notwehr zu berufen. Sofern das vorsätzlich geschieht ist das Notwehrrecht nach herrschender Meinung ausgeschlossen. Geschieht dies fahrlässig ist der Provozierende auf die Beachtung des Drei-Stufen-Modells verwiesen.

Der Satz "Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen" ist also in dieser Absolutheit (glücklicherweise) nicht richtig.

Der Angriff des Hooligan auf Dein Auto ist ein rechtswidriger Angriff auf Dein Eigentum; somit darfst Du diesen Angriff auch beendigen.

Ja, du darfst auch dein Eigentum mit Gewalt schützen. Selbst deine Ehre ist ein Rechtsgut, gegen Angriffe (Beleidigungen) dagegen könntest du dich mit Gewalt wehren.

Beachte, dass Notwehr keine Verhältnismäßigkeit kennt, das Verteidigungsmittel muss erforderlich sein.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Du "sprichst" gerade einen interessanten Punkt an. Ein Rechtsgrund ist ja Ehre soweit ich richtig informeirt bin.

Ehre als solches ist ja ein Begriff der sehr unterschiedlich definiert ist. Für den einen ist es bereits ein Ehrenverlust wenn die Mutter beleidigt wird (Du Hur***soh*), für andere Kulturen wäre es wahrscheinlich ein Ehrenverlust wenn die Kuh beleidigt wird.

Wenn nun Person A von Person B permanent beleidigt wird. Darf Person B sich körorerklich wehren und sich anschliessend auf Notwehr "berufen".

@lschecker90gf
Wenn nun Person A von Person B permanent beleidigt wird. Darf Person B sich körperlich wehren und sich anschliessend auf Notwehr "berufen".

Ja, das darf er. Allerdings muss die Notwehr vom Verteidigungswillen getragen werden und der Angriff noch im Gange sein, also die Beleidigungen andauern.

Unzulässig wäre es demnach, demjenigen, der einen als A...Loch bezeichnet hat und sonst nichts, eine reinzuhauen, weil man sich rächen will. - es fehlt der Verteidigungswille. Zudem wäre der Angriff bereits beendet.

Eigentlich ist gegen Beleidigungen nichts anderes möglich, als diese mittels Gewalt zu stoppen. Weggehen um dem auszuweichen braucht man nicht und Reden würde sicherlich nicht bewirken, dass der Angreifer aufhört.

@furbo

Echt komische Regelung... Also wenn jemand ununterbrochen schimpft darf ich ihm einen reinhauen. Sorry.... mich Notwehre... Wenn aber jemand alle ein zwei stunden einen Spruch ablässt, dann darf ich ncihts dagegen unternehmen? stimmt das?

@lschecker90gf

Wenn du es so sagst... ja.

Die Notwehr ist eine Regelung für Notlagen, das heisst, man wird angegriffen und gerade diesen Angriff willst du abwehren. Greift dich aber jemand an und hört auf, bevor du dich verteidigen kannst, ist nichts mehr mit Notwehr.

@furbo

Naja irgendwie ziehmlich irreführend.

Aber ich arbeite mich ja auch erst wieder in das Themengebiet ein, von daher wird das sicherlich bald sittzen.

Also Rechtsgüter sind Notwehrfähig.

Zu den Rechtsgütern gehört unter anderem auch die Ehre.

Diese wird ja ziehmlich unterschiedlich definiert. Wenn mich also jemand beleidigt, bzw. eine Beleidigungswelle über mich kommt von einer Person die nicht aufhören will. Darf ich mich wehren. Auf gut deutsch gesagt ich dürfte ihm eine knallen. Dann müsste aber geklärt werden ob es verhältnismässig wäre oder wie? Also ob ich nicht besser auch zurück geschimpft hätte. Habe ich das richtig verstanden?

@lschecker90gf

Nein. Die Notwehrhandlung muss nicht verhältnismäßig sein. Sie muss erforderlich sein. Erforderlich bedeutet, dass du von mehreren zur Verfügung stehenden Mitteln das Mildeste nimmst. Allerdings ist du auch nicht verpflichtet, dich durch die Wahl eines zu milden Mittels auf einen Kampf mit ungewissen Ausgang einzulassen.

Müsste eine Notwehr verhältnismäßig sein, wäre das das Ende der Notwehr.

Lediglich bei einem krassen Missverhältnis zwischen angegriffenen und verteidigten Gut wäre eine Notwehr unzulässig (z.B. du erschiesst den penetranten Beleidiger kurzerhand).

Übrigens: wird ein Polizeibeamter angegriffen oder wehrt er einen Angriff von jemandem ab, so muss er verhältnismäßig handeln. Denn er übt zunächst rechtlich keine Notwehr aus, obwohl es die gleichen Handlungen sind. Jeder rechtswidrige Angriff ist gleichzeitig ein Angriff auf die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die ein Polizeibeamter mit Mitteln des Polizeirechts (und nicht mit denen des Notwehrrechts) abwehren muss. Und die Anwendung unmittelbaren Zwangs unterliegt - wie jedes hoheitliche Handeln - nun mal der Verhältnismäßigkeit.

@furbo

oh man ich habe da noch einiges was ich erst verdauen und verarbeiten muss. irgendwie erschlieest mir das 100 %ige richtige handeln nicht. Aber naja.

@lschecker90gf

Wenn du in die Grundzüge des materiellen Strafrechts einsteigen willst, solltest du dir ein paar gute Lehrbücher "Einführung in das Strafrecht. " zulegen. Das Forum hier ist damit überfordert, vor allem geistern hier viele mit 0 Fachwissen rum, die dir viel erzählen.

@furbo

Es geht mir hierbei nciht darum das gesamte Strafrecht zu verstehen (keine Ahnung was für Rahmengrenzen das mit sich ziehn würde). Mir geht es vorallem erst einmal das zu verstehen was im rahmen der Sachkundeprüfung/Unterrichtung nach 34a gefordert wird.

@lschecker90gf

Das ganze Strafrecht versteht kaum einer, denn das steht auch Blödsinn drin. Mein Hinweis bezog sich auf den allgemeinen Teil. Aber du hast Recht, zumal es Mit dem Strafrecht nicht getan ist. Das BGB enthält gleichlautende Vorschriften und erlaubt dir Sachen, die beim Strafrecht nie vorkommen könnten.

@furbo

zum Beispiel? Also das eine Gesetzbuch erlaubt Dinge oder Handlungen die in einem anderen Gesetzbuch verboten sind?

@lschecker90gf

Nein. Das BGB geht in einigen Bereichen sogar weiter als das StGB. Schau dir nur mal den § 229 BGB an, der erlaubt sehr viel.

Kleines Beispiel: dir wird die Uhr geklaut, trotz deiner Notwehr gelingt dem Täter die Tat und kann flüchten. Deine Uhr ist weg. Tags drauf siehst du den Täter, aber ohne Uhr. Das StGB bietet dir nun keine Rechtsgrundlage mehr, das BGB aber schon, denn es erlaubt die Festnahme.

@furbo

Warte mal die Festnahme hat doch drei Voraussetzungen die zutreffend sein müssen.

  • Zivilrechtlicher Anspruch (liegt in dem Fall vor)
  • Keine Polizei oder Hoheitsberechtigeter oder so ähnlich (trifft zu)
  • Ohne sofortiges Eingreifen wird das durchsetzten des Anspruches wesentlich erschwert (ob der Punkt nun zutrifft kann ich nicht sagen, da auch nicht klar gestellt werden kann ob es der selber ist)

??? wie siehst du das

@lschecker90gf

Das hast du gut und richtig aufgezählt.

@furbo

DAs würde aber auch bedeuten dass man nciht mehr eingreifen darf am nächsten Tag... Oder warte mal... Meinst du am nächsten Tag dürften der vermeidliche Dieb so lange ffestgehalten werden, bis die Polizei kommt?

Wenn ja was ist wen es der falsche ist?

Hat die Person (der Nicht-Dieb-Dieb) dann einen Anspruch gegenüber dem Sicherheitsmitarbeiter?

@lschecker90gf

Ja, man dürfte ihn festnehmen. Wenn es der falsche ist, hätte der Festnehmer aber ein Problem. Die Freiheitsentziehung wäre rechtswidrig und würde ggf. Schadensersatzansprüche oder Schmerzensgeldansprüche nach sich ziehen.

@furbo

Genau da liegt das Problem. Wenn also dem Dieb nicht nachgewiesen werden kann dass die Person etwas unrechtes getan hat, wäre der Sicherheitsmitarbeiter selber in Not. Gibt es für sowas einen Beispielfall?

@lschecker90gf

Für eine Freiheitsentziehung aufgrund BGB und Irrtum? Habe ich ad hoc keinen Beispielfall. Allerdings dürften im Sicherheitsgewerbe diese Freiheitsentziehungen eher die Ausnahme sein.

Wie wäre es mit der Festnahme nach 127 StPO, da liegt die Sache bei einem Irrtum etwas anders.

@furbo

wie wäre den sich Sachlage da? bei den vorhergeganegenen Beispiel.

@lschecker90gf

Grundsätzlich: der Festnehmende erfüllt mit der Festnahme eine Aufgabe, die eigentlich dem Staat zustände.

Zum 127 StPO gibt es mehrere "Ansichten". Reicht ein dringender Tatverdacht oder muss tatsächlich eine Straftat begangen worden sein?

Die eine Ansicht verlangt, dass wirklich eine Straftat begangen worden ist. Ich halte diese Ansicht für falsch. Der Festnehmende erfüllt quasi eine hoheitliche Aufgabe, wird aber schlechter gestellt als die hauptamtlichen Hoheitsträger, denen ein Irrtum zugestanden wird. Sein persönliches Risiko ist also höher.

Ich tendiere zur Ansicht, dass für eine rechtmäßige 127er Festnahme der dringende Tatverdacht ausreicht. Das passt auch in die Systematik der StPO, denn für alle Maßnahmen der StPO reicht der dringende Tatverdacht. Denn ob tatsächlich eine Straftat vorliegt, entscheidet letztlich der Richter.

Von daher wäre die Festnahme aufgrund (fälschlich angenommenen) dringenden Tatverdachts immer noch gerechtfertigt.

NOTWEHR wird geregelt in §32StGB, www.gesetze-im-internet.de/stgb/__32.html

danach darf man alles ! tun was "erforderlich" !!! ist einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden.

Das muß auch kein Angriff auf Leib & Leben sein, alle individuellen Rechtsgüter sind Notwehrfähig.

Lass dir nicht einreden du dürftest erst reagieren wenn der Angriff schon im Gange ist, bei einem Angriff mit Tötungsabsicht wäre das eindeutig zu spät.

Im §32StGB steht nichts von verhältnismäßig*. Es kann auch Notwehr sein einen unbewaffneten Angreifer zu töten, wenn kein milderes erfolgversprechende Mittel verfügbar ist.

Man muss sich auch keinesfalls auf einen Kampf mit ungewissem Ausgang einlassen. (Von wegen Angriff nur mit gleichen Mitteln abwehren).

Selbstverständlich endet das Recht auf Notwehr sobald der Angriff beendet ist.

Andererseits wird jede Körperverletzung nachträglich durch unser Rechtssystem im Einzelfall untersucht und dann werden Unbeteiligte anhand der Fakten und Zeugenaussagen entscheiden ob die Tat "erforderlich" war oder bestraft wird. 

Es gibt kein Rezept und keinen Freibrief für eine Situation die jemand von vornherein ein Recht auf ein bestimmtes Notwehrverhalten zuspricht. 

Wenn du dir einen Überblick verschaffen möchtest was Gerichte für Urteile fällen lies hier: 

https://dejure.org/dienste/lex/StGB/32/1.html

Ein besonders interessantes Urteil weil hier zur Notwehr eine illegale Schusswaffe eingesetzt wurde:

http://www.quellengrun.de/index.php?option=com_content&view=article&id=160

Oder hier mit einer legalen Schusswaffe gegen die Polizei:

http://www.stern.de/panorama/stern-crime/polizist-erschossen-bundesgericht-spricht-hells-angel-frei-3875278.html

Ich möchte aber nicht verschweigen dass man vor Gericht auf das Wohlwollen des Richters angewiesen ist. 

Es kann auch so ausgehen:

http://www.abendzeitung-muenchen.de/inhalt.muenchen-nach-604-tagen-gefaengnis-notwehr-messerstecher-kommt-frei.fe3a5b15-1b55-4ca1-a458-c151986d6bba.html

*In Beiträgen zum Thema Notwehr/Selbstverteidigung wird oft das Wort "verhältnismäßig" benutzt, leider meist von Leuten die den Wortsinn missdeuten.

Verhältnismäßig (lt. Duden: 1.im Verhältnis zu etwas anderem, 

verglichen mit oder gemessen an etwas anderem, relativ --

2. einem bestimmten Verhältnis angemessen; entsprechend) würde bedeuten dass die Abwehr im "fairen/vergleichbaren" Verhältnis zum Angriff steht 

also wenn der Angreifer unbewaffnet wäre dürfe man nicht schiessen o.ä.

Daß das so nicht stimmen kann erklärt sich schon dadurch dass niemand 

von einer Frau verlangt sie dürfe sich gegen eine Vergewaltigung nur mit einem Penis verteidigen.

Selbstverständlich darf sie den Angreifer notfalls töten 

(sofern eine mildere Verteidigung nicht erfolgversprechend ist) und zwar mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln.

Lass dir nicht einreden du dürftest erst reagieren wenn der Angriff schon im Gange ist

Wie anders würdest du denn die Formulierung im Gesetz "um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff..." verstehen wollen?

Natürlich kann man schon mal reagieren, wenn das Gegenüber bedrohlich dreinschaut und knurrt und den Baseballschläger zur Hand nimmt. Man kann sich dabei halt bloß nicht auf Notwehr berufen...

@Havenari

Du hast völlig recht, das ist unglücklich formuliert.

Darf ich, obwohl ich weiss dass der Angriff auf das Sachgut/Rechtgut ausgerichtet ist, die Person/Angreifer in Notwehr schlagen darf?

Ja, du darfst alles Erforderliche tun, den gegenwärtigen Angriff abzuwenden. Es findet keine Güter- und Interessenabwägung im Sinne einer Verhältnismäßigkeit oder Angemessenheit statt; das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen; wer sich auf die Seite des Unrechts stellt, darf keinen Schutz erwarten.