Ab wann spricht man von einen Verfahrensfehler (Juristisch)?

4 Antworten

Wenn gegen jemanden ein Strafverfahren läuft, dann kann die Justiz nicht einfach alles so machen, wie sie will. Sie muss sich an sehr viele Vorschriften halten. Für das Strafverfahren sind diese Regeln vor allem in der Strafprozessordnung (StPO) festgeschrieben.

Eini Beispiel: In § 136a StPO werden bestimmte Methoden verboten, mit denen Beschuldigte vernommen werden könnten. So darf ein Beschuldigter zB nicht körperlich misshandelt oder gefoltert werden, damit er einen Aussage macht.

Es gibt noch viele andere Regeln, die das Strafverfahren ordnen. Es werden Rechte und Pflichten des Beschuldigten begründet und gesichert, aber auch die Rechte und Pflichten von Zeugen. So wird zB geregelt, wann und unter welchen Voraussetzungen und Umständen eine Durchsuchung stattfinden darf. Oder wann ein Zeuge die Aussage verweigern darf. Oder welche Rechte ein Angeklagter während der Gerichtsverhandlung hat. Oder wann ein Richter an einem Verfahren nicht mitwirken darf. Oder wann und unter welchen Umständen ein Gericht den Verfahrensausgang vorher mit den Beteiligten absprechen darf. Oder unter welchen Umständen Beweise gewonnen werden dürfen (vor allem was die Bespitzelung, die Telefonüberwachung etc. angeht). Oder oder oder...

Dies alles dient dazu, ein gerechtes Verfahren unter Rücksichtnahme auf die Grundrechte aller Beteiligten zu ermöglichen. Das große Schlagwort, das dahinter steht, ist der Rechtsstaat.

Wenn jetzt solche Verfahrensvorschriften in einem Strafverfahren nicht eingehalten, also verletzt werden, spricht man von einem Verfahrensfehler. Nicht jeder Verfahrensfehler ist besonders gravierend. Daher führen auch längst nicht alle Verfahrensfehler dazu, dass ein Urteil aufgehoben wird. Wenn Verfahrensfehler vorliegen (oder jemand das meint), dann kann der Verurteilte (bzw. sein Verteidiger) oder auch die Staatsanwaltschaft Revision einlegen. Dann muss sich ein anderes Gericht (bei erstinstanzlichen Urteilen des Amtsgerichts sowie bei Berufungsurteilen des Landerichts das OLG; bei erstinstanzlichen Urteilen des Landgerichts der BGH) mit dem Fall beschäftigen und beurteilen, ob Verfahrensfehler vorliegen und welche Auswirkungen sie haben.

Hebt das Revisionsgericht das Urteil auf, so kommt der vorher verurteilte Straftäter nicht frei bzw wird freigesprochen. Das Verfahren muss wieder von vorne anfangen, wird also nochmal durchgeführt. Nur in seltenen Fällen entscheidet das Revisionsgericht im Strafverfahren selbst und fällt ein endgültiges Urteil.

Artus01  25.07.2017, 19:55

Recht gute Antwort, wenn auch zu lang. Das hier allerdings ist nicht korrekt.

Nur in seltenen Fällen entscheidet das Revisionsgericht im Strafverfahren selbst und fällt ein endgültiges Urteil.

Das Revisionsgericht fällt niemals ein Urteil, es beschließt lediglich daß das gerügte Urteil aufgehoben wird und verweist an ein anderes Gericht zur Neuverhandlung. In der Beschlußfassung kann
allerdings deutlich gemacht werden wie die Revisionsinstanz den Fall
beurteilt. Es werden auch nur die in dem Revisionsantrag gerügten Fehler geprüft, mehr nicht.

Friedel1848  26.07.2017, 00:29
@Artus01

Natürlich kann das Revisionsgericht auch selbst in der Sache entscheiden, ohne die Sache zur erneuten Verhandlung zurückzuverweisen - wenn auch, wie von mir geschrieben, nur in seltenen Fällen.

Ein Blick ins Gesetz hätte da durchaus weitergeholfen:

§ 354 Abs. 1 StPO:

Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

Von einem Verfahrensfehler kann man so eigentlich nicht sprechen.

Erfolgreiche Revisionen können z. B. sein daß eine im Prozeß aufgekommene Tatsache im Urteil nicht ausreichend berücksichtigt wurde oder aber nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Dazu gehören aber auch so simple Sachen wie das fehlen eines Aushangs am Gerichtssaal, wenn ein Ortstermin stattfindet.

Zudem bedeutet eine erfolgreiche Revision nicht, daß der Verurteilte frei kommt. Es wird dann lediglich, vor einem anderen Gericht, neu verhandelt, das Urteil kanbn durchaus das Gleiche sein.

Verfahrensfehler sind Verstöße gegen den vorgeschriebenen Ablauf eines juristischen Verfahrens....also grob gesagt alles, was in den jeweiligen Prozessordnungen geregelt ist

z.B.

befangenheit
nocheinnutzer  25.07.2017, 18:52

Ein Verfahrensfehler liegt vor, wenn eine gesetzlich vorgeschriebene Verfahrenshandlung unterblieben ist oder fehlerhaft vorgenommen wurde oder wenn eine unzulässige Verfahrenshandlung vorgenommen wurde.

So können beispielsweise Formvorschriften bei einer gerichtlichen Zustellung verletzt oder die Beachtung von Fristen missachtet worden sein