Hat man vor Gericht eine Chance gegen die Polizei?
Folgender Fall:
Als ich neulich von meiner Freundin nach Hause fuhr, war ich sehr in Gedanken und hatte wie immer meine rechte Hand auf meinen Oberschenkel gelegt, wenn ich ihn nicht grad zum Schalten benötige. Von da aus hielt ich das Lenkrad mit Daumen und Zeigefinger zusätzlich fest.
Plötzlich hält mich die Polizei an, angeblich Handy am Steuer, 130€ Strafe und ein Punkt in Flensburg. War erst total perplex und verwirrt und wollte mich nicht wehren, schließlich weiß ja die Polizei, was sie gesehen hat - oder?
Als ich zu meinem Handy sah, lag es noch genau dort, wo ich es vor der Abfahrt hingelegt hatte und als ich das Display anschaltete, war sogar noch das gleiche zu sehen, das ich meiner Freundin beim Besuch gezeigt hatte.
Als ich dann zu widersprechen begann, ging der Beamte gar nicht richtig auf mich ein und wollte auch das Handy nicht begutachten. Stattdessen erklärte er mir nochmal, dass er und sein Kollege beim Aussteigen aus ihrem Fahrzeug genau gesehen hätten, wie ich gerade mit ca 50kmh an ihnen vorbeifuhr und dabei das Handy mit gesenktem Kopf unter dem Lenkrad bedient hätte.
Je mehr ich über die Aussage nachdachte, desto sicherer war ich, dass das nicht so war.
Also hab ich Einspruch eingelegt. Nach drei Wochen kam dann der Brief, dass ich den Einspruch zurücknehmen soll, sonst geht das ganze zur Staatsanwaltschaft und ich muss vor Gericht.
Fakt ist: Die waren zu zweit, ich (wenn man das schlafende Kleinkind auf der Rückbank nicht mitzählt) allein. Das sind Polizisten, ich nur ne normale Person.
Ich kann mit keinen guten Anwalt leisten und hab auch keine Rechtsschutzversicherung.
Sollte ich dann einfach nachgeben und etwas zugeben und mich für etwas bestrafen lassen, das ich nicht begangen habe?
Danke schonmal für eure Hilfe!
4 Antworten
Ich hatte einen ähnlichen Fall selbst vor einigen Jahren. Allerdings ging es um einen Toröffner. Den nehme ich natürlich in die Hand, wenn ich noch 100-150 m oder so vom Tor zum Grundstück entfernt bin, um das Tor zu öffnen. In diesem Fall stand am Straßenrand ein Polizeifahrzeug und die Geschichte nahm ihren Lauf... mein Einspruch wurde nicht berücksichtigt. Die Richterin akzeptierte meine Darstellung jedoch, denn wenn ich mit auch nur 30 km/h an einem stehenden Fahrzeug vorbeifahre, ist der Toröffner von einem Handy nicht zweifelsfrei zu unterscheiden. Ohne Fotobeweis bleibt es bei Aussage gegen Aussage und dass ich meinen Toröffner kurz vor der Einfahrt ins Grundstück verwende, ist auch plausibel. Das Verfahren wurde eingestellt.
Anderer Fall: ich wurde mit 120 km/h auf der Autobahn geblitzt und durfte (nach Ansicht der Bußgeldstelle) dort max 80 km/h fahren (in einer Baustelle). Auch dieser Fall ging vor Gericht, denn ich war nicht einsichtig. Als ich auf 120 km/h beschleunigte, war da keine Baustelle mehr. Es stellte sich dann vor Gericht heraus, dass die (Wander-) Baustelle plausiblerweise zu dem Zeitpunkt, als ich durchfuhr, wahrscheinlich noch nicht weitergewandert war, d.h. ich war tatsächlich NACH der Baustelle und nicht in dieser. Die Polizei hatte zwar die Geschwindigkeitsmessung aufgestellt, aber nicht dokumentiert, ob dies auch in der Baustelle erfolgte oder danach. Auch dieses Verfahren wurde eingestellt.
Die Aussage von Polizisten hat sicher ein gewisses Gewicht vor Gericht, aber man sollte das nicht überbewerten. Ich persönlich finde Deine Darstellung ebenso plausibel und die Tatsache, dass jemand nach unten blickt, bedeutet ja nicht automatisch, dass dort ein Handy zu finden ist - ebenso ist die Erkennung eines in der Hand gehaltenen Handys in einem mit 50 km/h vorbeifahrenden Fahrzeug ziemlich schwierig - es sei denn, das Display leuchtet wirklich sehr deutlich.
Wenn Du Dich durch die Situation nicht unter Druck setzen läßt, verbal gut ausdrücken und logisch argumentieren kannst, benötigst Du keinen Anwalt, sondern kannst Dich auch selbst vor Gericht vertreten. Auf diese Weise oder alternativ mit einem guten Anwalt könntest wahrscheinlich zumindest Zweifel streuen, aber auf Anwaltskosten würdest Du bei einer Einstellung des Verfahrens ohne Verkehrsrechtschutzversicherung sitzen bleiben. Das Ergebnis der Gerichtsverhandlung kommt sehr auf Deine Historie in Flensburg, Deine Argumentation/Glaubwürdigkeit und vor allem den/die Richter/in an. Es zählen Fakten.
Die weitere Vorgehensweise ist eine Abwägung von Recht haben und Recht bekommen... und den damit verbundenen Risiken. Diese Entscheidung kann Dir niemand abnehmen.
Tja, heute würdest du auch für das Bedienen des Toröffners bestraft. Das Gesetz ist ja vor einer Weile entsprechend erweitert worden.
Wenn man entsprechend Zeit und Nerven investiert, kann man sich durchaus immer wieder gegen wackelige Bußgeldbescheide durchsetzen. Aber die Frage ist halt: Will man das? Lohnt sich das?
Danke für die schnellen Antworten. Ehrlich gesagt hatte ich genau das erwartet, denn in meinem Bekanntenkreis gab es kürzlich ähnliche Erfahrungen. Und obwohl es einerseits frustrierend uns verärgernd ist, dass die Polizei so viel Narrenfreiheit bekommt, bin ich doch dankbar und erleichtert, dass mir von "normalen Menschen" Glauben geschenkt wird und ich ehrliche respektvolle Antworten bekommen habe. Danke!
Das ist völlig Chanchen los, vor Gericht irgendetwas zu erreichen. Der Richter wird vermutlich die Strafe erhöhen. Du darfst dann neben Anwaltskosten und Gerichtskosten eine höhere Strafe zahlen.
Richter glauben der Polizei grundsätzlich und Angeklagten eher nicht. Alles was Du vorbringst wird Dir eh nicht geglaubt, es sei denn Du kannst Beweise vorlegen, die nicht widerlegt werden können.
Also kannst Du Dir das sparen. Zahlen ist wesentlich billiger.
Warum die sowas machen? Weil sie Verurteilungen erreichen müssen für ihre Beförderung. Es ist ja leichter, jemanden zu Beschuldigen, als richtige Straftäter zu verfolgen. Selbst wenn das alles widerlegt werden könnte, bleibt eine falsche Beschuldigung für die beiden Beamten folgenlos und der Richter wird nach einer anderen Möglichkeit suchen, Dich zu verurteilen.
Ich glaube dir deine Geschichte,
aber gegen 2 Polizisten die das vor Gericht aussagen werden hast du keine Chance, zahle die Geldstrafe sonst wird es richtig teuer.