wieso überlässt man die Entscheidung den Geschworenen?

9 Antworten

Der Richter mag zwar ein Jurastudium haben, aber dafür hat er vielleicht nicht so viel Lebenserfahrung. Er ist ja alleine.

Und die Jury besteht aus 15 (bist du dich sicher wegen der Zahl?) verschiedenen Menschen, mit verschiedenen Hintergründen. Alleine wenn es um so was die Herkunft geht. Stell dir vor, ein weißer Richter urteilt über einen Schwarzen. Wer garantiert, daß der Richter sein Urteil ohne Rassismus, vorurteilsfrei fällt.

Oder eine hübsche Blondine, die versucht den Richter milde zu stimmen. Darum sollte eine Jury gut durchmischt sein: Männer, Frauen, Alte, Jüngere, Schwarze, Weiße, etc.

Bei höheren Strafen entscheiden DIE Richter. Außerdem sind Richter nicht mehr die Jüngsten wenn sie anfangen.

Ein Richter soll parteiisch bzw. so leicht beeinflussbar sein? Hier soll ein Vorteil der Jury sein? Die Jury muss einstimmig beschließen. Also ist es deiner Meinung nach wahrscheinlicher, dass sich ein Richter "von einer hübschen Blondine" beeinflussen lässt oder ein Rassist ist als bei 12 normalen Leuten, die dann einstimmig entscheiden? Realitätsferner gehts wirklich nicht mehr.

Es gibt KEINEN Vorteil an dem amerikanischen Jurysystem gegenüber dem Deutschen.

@BSimon91

Woher nimmst du die Annahme, dass es KEINEN Vorteil gibt ? Berufserfahrung ? Selbst Richter ? ;)

Solche Aussagen sind doch gefährliches Halbwissen. Alleine schon die viel genaueren Beweisverfahren in Rechtsordnungen die das Geschworenengericht vorsehen, eben weil die Geschworenen rechtsunkundig sind, sind ein großer Vorteil gegenüber dem Einzelrichter bzw. Schöffengericht, bei dem die Berufsrichter schon durch stundenlanges Aktenstudium "vorbelastet" sind.
Ein weiterer Vorteil ist die Rotation nach der die Richter (Geschworene) ausgewählt werden. Diese sind nur für wenige Jahre gewählt und damit wird die Justiz noch unabhängiger.
Es gibt also mit Sicherheit einige Vorteile. Und es gibt ja auch nicht nur das amerikanische Jurysystem, das vergessen auch immer viele...

@Steyrer22

Ja hab ich und? Das macht meine Meinung noch fundierter.

Genauere Beweisverfahren? Das stimmt doch gar nicht. Die Jury bekommt die gleichen Infos wie bei uns die Richter, da sie nur über Schuld entscheiden und nicht über Rechtsfragen. Daher ist rechtsunkundigkeit nicht bedeutend. Ja mir wärs schon lieber wenn sich jemand bewusst mit den Fall befasst (auch durch stundenlanges Aktenlesen) als wenn jemand ohne Ahnung da rein geht.

Es hat keinen Vorteil. Deine Argumente sind praxisfern.

@BSimon91

Die Argumente die ich genannt habe (genaueres Beweisverfahren als vor Einzelrichter und Schöffengericht) sind die Argumente die vorallem von den Berufsrichtern und Verteidigern selbst gebracht werden. Wenn diese Meinung von dir als "praxisfern" bezeichnet werden weiß ich auch nicht.

Es gibt wissenschaftliche Themen die sich in Österreich zu diesem Thema beschäftigen und viele Autoren kommen zu ähnlichen Schlüssen. Das Beweisverfahren ist deswegen genauer, weil die Geschworenen kein Aktenstudium haben und man bei den Vernehmungen viel genauer arbeiten muss, als wenn ein Richter in der Verhandlung sitzt, der bereits den ganzen Sachverhalt kennt.

zB. hier : https://www.youtube.com/watch?v=4VmiRlX7PAs&t=2420s
Minute 39:05

Würde mich interessieren wie du also annehmen kannst, dass es keinen Vorteil hätte und die Argumente "praxisfern" sind, wenn diese von genau von den "Praktikern" so hervorgehoben werden.

nee 15 war nur beispielshalber

Der Gedanke ist super: Nicht ein von oben eingesetzter Staatsbeamter spricht Recht, sondern die Staatsbürger, die den Staat tragen. Die Forderung nach Geschworenengerichten bzw. Schöffengerichten ist eine urdemokratische Forderung unserer Vorfahren im Kampf gegen Fürsten und Obrigkeitsstaat im 19. Jahrhundert. Wir haben zum Glück Schöffengerichte (für mittelschwere Strafsachen mit zwei Laienrichter und einem Berufsrichter). Damit kann der Staatsbürger Einfluss nehmen.

Natürlich setzt das voraus, dass der Geschworene/Schöffe verantwortlich handelt. Die Erfahrung zeigt, dass Berufsrichter mindestens genauso beeinflussbar, unsachlich und vorurteilsvoll sein können wie Laienrichter.

  1. sind es 12 und nicht 15
  2. ist das Schöffensystem in Deutschland auch nicht viel anders
  3. ergeht das Urteil „Im Namen des Volkes“. Was spricht dagegen, das Volk über Schuld bzw. Unschuld entscheiden zu lassen? Mehr machen die Geschworenen nicht, und zwar unter juristischer Anleitung durch den Richter. Über die Höhe der Strafe entscheidet trotzdem der Richter.

Das Schöffensystem ist viel anders.

Die Schöffen könnten theoretisch den Richter überstimmen. Kommt in der Praxis nie vor. Folglich entscheidet hier der Richter.

Falls es mal so weit kommen würde entscheiden in der Berufung 3 Richter, die können nicht überstimmt werden.

Im Jurysystem gibt es sowas nicht, da entscheiden wirklich normale Bürger. Was spricht da dagegen? Unglaublich viel. Einfaches Beispiel: Filmklassiker die Jury. Selbstjustiz, klarer Mord. Wird freigesprochen. In Amerika möglich, in Deutschland nicht. Möchte nicht wissen wie oft jemand in die Jury geschmuggelt wurde bzw. Jemand bestochen oder erpresst wurde und dadurch kam vorsätzlich ein falsches Urteil raus. Tolles Rechtssystem

@BSimon91

Nun würde ich Filme, egal ob Klassiker oder nicht, nicht unbedingt als Maßstab nehmen. Geschworene entscheiden „nur“ über Schuld bzw. Unschuld. Das steht in keinem Gesetzestext, sondern ist eine Entscheidung nach Anhörung aller Prozessbeteiligten. Rein mathematisch ist die Chance, dass dabei ein Richter daneben liegt, 12 x höher, als dass es 12 Geschworene gemeinsam tun.

@archibaldesel

12 Laien sollen die Schuld besser beurteilen können als 1 oder 3 Richter mit evtl. jahrelangen Erfahrung? Im Leben nicht. Auch ist die These schon falsch. Im Gesetzestext steht die Schuld drin. Die Schuld ist in der Handlung impliziert. Deshalb gibt es Entschuldigungsgründe. Ein Richter kann nicht sagen obwohl er eine Straftat begangen hat wird er nicht verurteilt. Eine Jury kann das.

@BSimon91

Nur so als Beispiel:

Der letzte Prozess, dem ich beiwohnte, war ein Mordfall.

Ein eifersüchtiger Ehemann hat seine Frau, die ihn verlassen wollte, in einen Hinterhalt gelockt und später auf ziemlich bestialische Weise ermordet. Der Richter (ein Mann) entschied auf Totschlag.

JEDE Frau, die mit dem Fall zu tun hatte inklusive der Staatsanwältin, sah alle Mordmerkmale als gegeben an. Nur der vorsitzende Richter redete das klein.

Ehrlich gestanden haben wir alle gedacht: Typisch Mann! Eine Jury mit höherem Frauenanteil oder ein weiblicher Richter hätten sicher anders entschieden.

@BSimon91

Was qualifiziert einen Juristen für das Erkennen der Schuld? Das das Inhalt der Ausbildung ist, wäre mir neu. Dafür sind sehr viele Menschen erheblich qualifizierter.

@Kristall08

Deswegen hat man die Revision erfunden

@archibaldesel

Wer soll es sonst machen? 12 zufällige Personen auf einer Liste ist ja viel besser. Sehr viele Menschen können es besser? Na klar und du bist wahrscheinlich auch noch dabei oder?

@BSimon91

Mit welcher Begründung? Frauen würden anders entscheiden? Das reicht nicht vor Gericht.

@Kristall08

Wenn ein Mordmerkmal erfüllt ist und die Richter lagen da falsch dann kann das mit der Revision angegriffen werden. Liegt nur für euer Rechtsverständnis ein Mordmerkmal vor, die Richter aber nach der Gesetzeslage entschieden haben dann Pech für euch. Da ist das Problem das Gesetz und nicht das System. Oder darf die Jury schon die Gesetze ändern?

@BSimon91

Die Staatsanwältin sah das ebenfalls anders. Und die würde ich durchaus für eine Fachfrau halten.

@Kristall08

Dann soll sie in Revision gehen. Kommt öfter mal vor. Ist doch nichts dabei

In Amerika sind es 12.
In Österreich sind es 8
In Schottland sind es 15... usw.
Es gibt nicht DAS Geschworenengericht, sondern viele unterschiedliche Rechtsordnungen und damit Geschworenengerichte...

Das ist in der heutigen, hoch komplexen Welt wirklich problematisch! Das amerikanische Justizsystem mit Geschworenengerichten auf nahezu allen Stufen ist beispielsweise ein geschichtlich bedingtes Überbleibsel aus der Siedlerzeit. In den Städten des Wilden Westens wurde bereits der Sheriff gewählt, nicht aufgrund seiner Qualifikation für den Job, sondern aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses von Laienmeinungen der Einwohner. Ebenso wurden Gerichte eben ad-hoc zusammengerufen, wenn es was zu beurteilen gab. Ein Profirichter musste oftmals über viele hundert Meilen erst herbeigeholt werden, wenn das überhaupt möglich war. So wurden Laiengremien zur Urteilsfindung herangezogen, zusammengesetzt aus "unbescholtenen Bürgern der Stadt". Kaum mehr wegzukriegen. Das hat inzwischen auch Gründe, die beim Bildungsstand der jeweiligen Bevölkerungsgruppe zu suchen sind.

Das ist in der heutigen komplexen Welt einfach nicht mehr zeitgemäss und Geschworenengerichte leiden tatsächlich am Fachmangel des Gremiums. Die Einflussnahme aufgrund von Show und auch ihre persönliche Meinungsbildung aufgrund einer Identifikation mit Opfer oder Täter ist immens gefährlich.

Aber eben, sie finden das toll und deshalb wird es beibehalten.

Es bringt aber auch nichts bei der Frage Geschworenengericht JA oder NEIN immer nur das amerikanische Modell als "abschreckendes" Beispiel zu nehmen.
In Europa gibt es Geschworenengerichte zB. in Österreich, Spanien, Russland, Norwegen usw.

@Steyrer22

Da gebe ich dir Recht. Bei uns in Helvetien wurden die Geschworenengerichte auf Stufe Kanton (Obergericht) vor noch nicht so langer Zeit abgeschafft, als eine Gesetzesrevision im Paket behandelt worden war. Der Grund war wirklich die Laienbesetzung. Man muss aber erst die Einsicht gewinnen, dass es eben Laien sind und dass Laien (nicht in korpore, sondern im Einzelfall) eben andere Kriterien an eine Verurteilung anlegen. Aber merke: jedes Land hat die Regierung, die es sich wünscht. Und auch jedes Land hat jenes Justizsystem, das es sich wünscht.

@tenno5034

Wenn man sich die Historie ansieht ist ja genau die Laiengerichtsbarkeit DER entscheidende Punkt der für die Geschworenengerichtsbarkeit spricht.
Ich kann nur von Österreich sprechen, aber hier bei uns gibt es diese Art der Gerichtsbarkeit seit der Monarchie und wurde auch in der Bundesverfassung 1920 beibehalten. Der Ständestaat 1934 hat die Geschworenengerichte abgeschafft und die Unabhängigkeit der Justiz in Frage gestellt. Nach dem 2. Weltkrieg hat man die Geschworenengerichte wieder eingesetzt und war seitdem immer sehr sehr behutsam, wenn es darum ging diesen Grundbestand der justiziellen Verfassung in Frage zu stellen.

Es ist aber im Grunde genommen nicht so, dass die Laien hier irgendwie entscheiden können oder gänzlich andere Maßstäbe haben können wie Berufsrichter, denn sie bekommen auf ihrem Weg zur Entscheidung genaue Vorgaben und müssen an sie gestellte Fragen mit JA oder NEIN beantworten. Die Entscheidung der Geschworenen muss dabei nicht einstimmig sein, die einfache Mehrheit genügt um eine Frage zu Bejahen oder zu Verneinen. Da es außerdem eine ausführliche Rechtsbelehrung durch die Berufsrichter gibt, ist eine Gefahr von Fehlurteilen nicht viel größer als im Einzel- oder Schöffenverfahren. Ist dann einmal eine Entscheidung der 8 Geschworenen doch falsch, können die 3 Berufsrichter durch einstimmigen Beschluss die Entscheidung "aussetzen" und es muss das ganze Verfahren neu verhandelt werden, was jedoch in der Praxis sogut wie nie vorkommt, wie die Statistiken beweisen.

Es ist also immer eine Frage der inhaltlichen Regelung und mMn nicht per se eine Entscheidung ob Geschworenengerichtsbarkeit JA oder NEIN. Was mich jedenfalls nur immer stört ist, dass sofort immer das amerikanische System als Vergleich herangezogen.

@Steyrer22

Natürlich ist eine pauschale Negierung eines Laiengerichts nicht optimal. Leider tendieren Laien aber bei ihrer Urteilsfindung oft, nicht immer, aber eben oft zu moralischen Bemessungen der Sachlage. Und moralische Betrachtungen haben in der Juristerei direkt nichts mehr verloren. Das soll eben der Gesetzgeber über die parlamentarischen Verhandlungen in die Gesetzestexte aufnehmen. Und vor allem das amerikanische System ist stark moralisch belastet. Sie haben einen von unserem komplett anderen Rechtskreis. Ihre Gesetze kommen auf anderen Wegen zustande.

Bei uns gibt es doch auch Schöffen die in Prozessen dem Richter beisitzen. Die Schönen sollen den Richter bei der Urteilsfindung unterstützen.

Die Geschworenen in US Gerichten haben wahrscheinlich mehr Einfluss auf die Urteile, als Schöffen bei uns am Gericht.

@Ontario

Ja, in den USA haben die Geschworengerichte einen ganz anderen Stellenwert. Bei uns in der Schweiz hat man bis auf die zweite Gerichtsstufe (1. Stufe Bezirksgericht, 2. Stufe Kantonsgerichte, 3. Stufe Bundesgericht auf nationaler Ebene) die Schöffen/Geschworenen abgeschaft, da Laien extrem launische und auch moralisch beeinflusste Urteile fällen. Unsere Gerichte sind - bis auf wenige Ausnahmen - nun fast flächendeckend Profigerichte. Kann jedoch sein, dass unter bestimmten Fällen trotzdem noch Geschworenengerichte einberufen werden bei extrem Gerichtsfällen.

Erklärungsversuch: Die USA haben eine lange Phase der Anarchie durchlebt. Gerichte, Polizei waren lange Zeit nichts Selbstverständliches. Um den Gerichten eine höhere Legitimität zu verschaffen, hat man zu diesem Mittel gegriffen.

Natürlich gibt es diese Problematik. In diesem Zusammenhang gibt es ja viele weitere Missstände (überfüllte Gefängnisse, Waffenbesitz, Todesstrafen ...). Die Amerikaner können sich vielleicht nicht von Ihrer anarchischen Vergangenheit lösen, in der dies üblich war.

Genau aus diesem Grund gibt es die Geschworenengerichtsbarkeit auch in Österreich oder Spanien nehme ich an ? ;)