Wie ist die Rechtslage, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber erst im Kündigungsgespräch über seine Schwerbehinderung informiert?

5 Antworten

Solange der schwerbehinderte Mensch seine arbeitsvertraglichen Pflichten erfüllen kann, ist er nicht verpflichtet, seine Schwerbehinderung dem AG mitzuteilen.

Der Arbeitgeber muss allerdings dann informiert werden, wenn sich die Behinderung einschränkend auf die Tätigkeit auswirkt, ganz besonders dann, wenn durch die Behinderung eine Selbst- oder Fremdgefährdung besteht.

Der besondere Kündigungsschutz nach dem SGB IX gilt für den schwerbehinderten Arbeitnehmer auch dann, wenn er den AG nicht informiert hat. Bei Kündigung muss dieser Kündigungsschutz dann innerhalb von drei Wochen geltend gemacht werden, damit er noch wirksam werden kann. Dadurch wird dem AG noch Zeit gegeben, sich rechtstreu zu verhalten und u.a. das Integrationsamt einzuschalten. Denn das muss auch in diesem Fall beteiligt werden.

http://talentplus.de/arbeitnehmer-bewerber/bestehende-arbeitsverhaeltnisse/Behindert_was_nun/Information_Arbeitgeber/index.html

Wenn durch die Schwerbehinderung eine Eigen- oder Fremdgefährdung nicht ausgeschlossen werden kann, muss die Behinderung sofort angezeigt werden, damit der Arbeitgeber reagieren kann (Vorsichtsmaßnahmen, Umsetzung des Arbeitnehmers etc.). Also Vorsicht, bevor man hier unnötig ein Eigentor schießt. Ein Gabelstapelerfahrer mit einer Einschränkung, die seine Reaktionszeit verlängert, kann mit seiner Schwerbehinderung nicht erst bei der Kündigung aus der Hecke kommen.

Wenn das nicht der Fall ist, muss die "Schwerbehindertenkarte", die Berufung auf den Sonderkündigungsschutz innerhalb von 3 Wochen erfolgen. Das ändert aber nichts an der 3-Wochenfrist für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage.

Ein Anwalt oder die Rechtsberatung oder -vertretung durch die Gewerkschaft ist jetzt dringend angeraten.

Wenn schon ein Gutachten davon ausgeht, dass du deine tariflich vereinbarte Arbeit nicht dauerhaft leisten kannst, hat der Arbeitgeber immer das Recht auf Kündigung. Eventuell kannst du eine Abfindung erreichen, das Integrationsamt wird dir auch keinen behindertengerechten Arbeitsplatz bei deinem Arbeitgeber schaffen.

Wenn der Arbeitnehmer unter einer Behinderung leidet, bei der durch die Behinderung eine Eigen- und/oder Fremdgefährdung besteht, muss der Arbeitgeber über die Behinderung bei Einstellung, bzw. wenn die Behinderung erst während des Beschäftigungsverhältnisses entsteht, direkt nach Entstehung, bzw. Diagnosestellung, informiert werden.

Unabhängig davon sollte bei Kündigung, ohne Rücksicht darauf wann der Arbeitgeber über die Behinderung informiert wurde, das Integrationsamt informiert werden. Und das aus gutem Grund:

Es gab in meiner Verwandschaft einen Fall, daß eine Krankenschwester Berufsunfähig wurde. Die Klinik behauptete, sie nicht weiterbeschäftigen zu können, da kein für ihre Behinderung passender Arbeitsplatz vorhanden sei und auch nicht eingerichtet werden könne.

Erst nachdem sich Integrationsamt und Rentenversicherung eingeschaltet hatten und dem Arbeitgeber auch ganz klar signalisiert wurde, daß man bei weiterhin mangelnder Kooperationsbereitschaft auch bereit sei den Klageweg zu beschreiten, lenkte der Arbeitgeber urplötzlich ein.

Ursprünglich wollte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis der 57-jährigen Krankenschwester auflösen, die zu diesem Zeitpunkt einen GdB von 70 hatte, diesen der Klinik jedoch nicht bekannt gegeben hatte. Dass sie Schwerbehindert war, gab sie der Betriebsärztin erst an, als diese sie wegen Eigen- Fremdgefährdung für Berufsunfähig erklärte. Nach der genannten Intervention einigte man sich außergerichtlich folgendermaßen: Da die Krankenschwester für ihre damalige Arbeitsstelle schon 12 Monate krankgeschrieben war, stellte sie einen Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente so, daß sich dieser bei Genehmigung auf eine 50%ige EUR erstrecken würde. Das war mit der Rentenversicherung so besprochen. Gleichzeitig verpflichtete sie sich gegenüber ihrem Arbeitgeber zu dem frühesten Zeitpunkt in Altersrente zu gehen, zu dem sie das mit einem 10%igen Abschlag auf die Altersrente tun könne. Der Arbeitgeber hingegen verpflichtete sich gegenüber der Rentenversicherung zu einer Ausgleichszahlung zugunsten der Krankenschwester, die bewirkte, daß der 10%ige Abschlag von der Altersrente zu ungunsten der Krankenschwester nicht erhoben wurde. Die war ein Betrag von etwas über 18.000 Euro, den der Arbeitgeber an die Rentenversicherung entrichtete.

Das Ergebnis war, daß die Krankenschwester abschlagsfrei mit 60 Jahren und 11 Monaten abschlagsfrei in Altersrente gehen konnte und die letzten ca 2 Jahre auf einer 50%-Stelle arbeiten konnte und zusätzlich eine 50%ige Erwerbsunfähigkeitsrente bekam. 

Ohne die Meldung ans Integrationsamt hätte sie die letzten 2 Jahre Arbeitslosengeld I bekommen und hätte dann den 10%igen Abschlag auf die Altersrente hinnehmen müssen.

Also ist die Meldung ans Integrationsamt im vorliegenden Fall des Fragestellers absolut notwendig und sinvoll!

Wenn der Arbeitnehmer unter einer Behinderung leidet, bei der durch die Behinderung eine Eigen- und/oder Fremdgefährdung besteht, muss der Arbeitgeber über die Behinderung bei Einstellung, bzw. wenn die Behinderung erst während des Beschäftigungsverhältnisses entsteht, direkt nach Entstehung, bzw. Diagnosestellung, informiert werden.

Mag sein, dass ich da falsch liege, da ich so einen Fall noch nicht hatte. Aber ich kenne keine Vorschrift, die den AN zur (ungefragten) Offenlegung seiner Schwerbehinderung verpflichtet. Dass das sinnvoll ist, stelle ich nicht in Frage...

@DarthMario72

Im Regelfall muss der AG auch nicht informiert werden, wenn der AN bereit ist, dafür z.B. auf den zusätzlichen Urlaub (1 Arbeitswoche) der Schwerbehinderten zusteht zu verzichten. Wenn aber durch die Erkrankung, bzw. eine der Erkrankungen die der Schwerbehinderung zugrunde liegen eine Eigen- und/oder Fremdgefährdung entsteht, muss der Arbeitgeber informiert werden, da ansonsten arbeitsrechtliche Konsquenzen drohen können. Stell Dir nur mal eine Krankenschwester vor, die wegen einer Epilepsie 50% GdB hat. In Krankenhäusern ist es oft so, daß Patienten von einer Person z.B. zu Untersuchungen transportiert haben. Wenn diese Schwester während des Transports eines Patienten in einem wenig frequentierten Teil der Klinik (z.B. aufgrund der Uhrzeit) einen Anfall bekommt, kann sie sterben und falls der transportierte Patient an einer akuten Erkrankung leidet, er eventuell auch. Die Krankenschwester kennt aber das Risiko das sie eingeht, wenn sie mit einer solchen Erkrankung weiter in ihrem Beruf arbeitet. Deswegen muss sie die Erkrankung zumindest gegenüber des/der Betriebsarztes/-ärztin angeben, diese widerum muss es der Pflegedienstleitung mitteilen und die muss es an die Stationsleitung weiterleiten, damit sichergestellt werden kann, daß diese Schwester nicht z.B. für Nachtdienste, oder andere allein zu bewältigende Dienste eingeteilt wird. Deswegen die Pflicht zur Mitteilung an den AG, oder einen seiner hierfür Bevollmächtigten, z.B. Betriebsarzt bei Eigen- und/oder Fremdgefährdung. 

Ich würde mich zwecks Beratung an dieses Amt wenden. Informieren in jedem Fall, damit das AA keine Mitschuld am Verlust des Arbeitsplatzes unterstellen kann.

Vermutlich ist hier nichts zu erreichen, da die dauernden gesundheitlichen Bedenken möglicherweise /  wahrscheinlich schon bei Antritt dieses Jobs bestanden haben.