Welche Gültigkeit hat das alte Testament noch für die Christen?

16 Antworten

Es ist weder eine Ergänzung, noch gleichgestellt. Die Frage nach der Gültigkeit stellt sich so auch gar nicht, es handelt sich nicht um eine Anleitung oder Prinzipiensammlung, die es umzusetzen oder zu meiden gälte.

Hier ein paar erhellende Informationen zum AT.

https://www.unilu.ch/magazin/artikel/die-bibel-vom-himmel-gefallen-9025/

Christus hat zwar das mosaische Gesetz beendet (Römer 10:4). Trotzdem hat das AT für Christen nach wie vor denselben Wert, wie für Christus, der eifrig daraus zitierte — siehe Matthäus, Kapitel 4.

Das Alte Testament ist die Grundlage für das Neue Testament. Das Neue Testament ist die Erfüllung des Alten Testamentes. Ohne das Alte Testament kann das Neue Testament nicht verstanden werden.

Es gibt Kirchenväter, Reformatoren und weitere Theologen, die unterschieden haben zwischen:

  • dem Moralgesetz des Alten Testamentes, welches in den Zehn Geboten zusammengefasst ist und für alle Zeiten gültig ist
  • dem Zeremonialgesetz, das sich in Jesus Christus erfüllt hat und damit vollendet ist. Zum Zeremonialgesetz gehören Beschneidung, Reinigungs- und Speisegesetze, Opfer.

Es gibt Theologen, die anstatt von "Altes Testament" und "Neues Testament" lieber von "Erstes Testament" und "Zweites Testament" sprechen (z. B. der Alttestamentler Erich Zenger). Die Bezeichnung "Erstes Testament" hat u. a. den Vorzug, dass sie die traditionelle Abwertung vermeidet, "die sich assoziativ und faktisch mit der Bezeichnung 'Altes Testament' verbunden hat."

Eine interessante Abhandlung dazu findet man u. a. hier:

https://www.deutschlandfunk.de/die-bibel-das-zersaegte-testament.2540.de.html?dram:article_id=401652

Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass es zu dieser Frage mindestens seit Luther krude Streitereien bis hin zu blutigen Auseinandersetzungen unter den Gottesvasallen gab und gibt.

Bspw. vertrat der bekannte Kirchenhistoriker Adolf Harnack (1851-1930) die Meinung, wonach das Alte Testament theologisch dem Status der sogenannten Apokryphen zuzurechnen sei. Also jenen jüdischen Texten, die nicht dem biblischen Kanon und damit den heiligen Schriften zugeordnet werden. Denn das Alte Testament sei kein Zeugnis des Gottesverhältnisses, sondern Dokument "einer ethnisch gebundenen Stammesreligion" mit partikularem Anspruch.

Eine ganze Bibliografie zu diesem Thema findest du hier:

https://www.uni-heidelberg.de/ fakultaeten/theologie/personen/oeming_bibliographie.html

Was nur belegt, dass es auch hierzu keine einheitliche Linie unter den "Bibelkennern" gibt und auch hier deren Gott traditionell - wie immer - lieber zusieht, wie sich sein Bodenpersonal den Schädel einschlägt als sich mal klärend einzumischen!

Mein Eindruck:

Im Alten Testament hat der wütende, grausame, rachsüchtige Gott die Überhand.

"Unglück über Unglück will ich auf sie häufen, meine Pfeile will ich gegen sie verschießen. Sie sind entkräftet vor Hunger und verzehrt von Fieberglut und giftiger Pest. Ich lasse die Zähne wilder Tiere auf sie los und das Gift derer, die im Staub kriechen … den Säugling samt dem ergrauten Mann." (Dt 32,23-25)

Die ganze Welt soll wissen: "Der Herr hat dies alles getan." (Dt 32,27)

Dieses blinde Gewüte gegen seine eigene "Schöpfung" wurde den Jesus- Followern dann selbst vermutlich zu bunt.

Im Neuen Testament tötet also nun nicht mehr Gott, sondern der Teufel. Und Gott konnte damit zu dem werden, als den ihn die Kirchen bis heute verkünden: einem Gott der "Liebe", was Bergpredigt, Heilungswunder, undifferenzierte Verteilung von leeren Hoffnungen auf ein besseres Leben "danach" usw. belegen sollen.

Dass die Kreuzigung Jesu als "Liebesakt Gottes" letztlich auch wieder ein Gewaltakt war, und dass die Apokalypse des Johannes, das letzte Buch der Bibel, erneut Gott als Urheber von Vernichtung, Plagen und Seuchen sehen konnte, wird dann auch wieder nur schön gequatscht!

Das Alte Testament gilt für Christen ebenso wie das Neue Testament. Die Bibel muss aber im Kontext gelesen und ausgelegt werden. Es geht darum, was für wen in welcher Heilszeit gilt. Ansonsten kommt man leicht durcheinander und zu falschen Aussagen...

Das hört sich kompliziert an, ist aber eigentlich ganz einfach.

Die Gesetze des Mose (das aus insgesamt 613 Einzelgeboten besteht) wurde beispielsweise nur dem Volk Israel und nicht den Christen verordnet. Dementsprechend gelten sie auch nur für das Volk Israel und nicht für Christen. Jesus hat das Gesetz des Mose erfüllt und zu seinem Ende bzw. Endziel gebracht:

  • "Denn Christus ist das Ende des Gesetzes zur Gerechtigkeit für jeden, der glaubt." Römer 10,4
  • "Bevor aber der Glaube kam, wurden wir unter dem Gesetz verwahrt und verschlossen auf den Glauben hin, der geoffenbart werden sollte. So ist also das Gesetz unser Lehrmeister geworden auf Christus hin, damit wir aus Glauben gerechtfertigt würden. Nachdem aber der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter dem Lehrmeister; denn ihr alle seid durch den Glauben Söhne Gottes in Christus Jesus." Galater 3,23-26

Für Christen ist also nicht das Halten des Gesetzes bedeutsam, sondern der Glaube an Jesus Christus, der uns allein retten kann:

  • "Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben." Johannes 3,16
  • "Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und dem glaubt, der mich gesandt hat, der hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist vom Tod zum Leben hindurchgedrungen." Johannes 5,24
  • "Denn der Lohn der Sünde ist der Tod; aber die Gnadengabe Gottes ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserem Herrn." Römer 6,23

Dass Glaube auch zu guten Werken führt, ist wieder ein anderes Thema (vgl. den Jakobusbrief). Im Neuen Testament werden viele Verhaltensweisen für Christen aufgeführt wie Nächstenliebe, Feindesliebe oder die Frucht des Geistes:

  • "Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit, Gütigkeit, Treue, Sanftmut, Enthaltsamkeit" (Galater 5,22-23).

Trotzdem können Christen aus dem Alten Testament auch viel lernen, wenn wir z. B. die Sprüche, die Psalmen, das Verhalten von Gläubigen wie Abraham, Mose, David, Elia, Daniel usw. anschauen oder auch den Umgang der Menschen mit ihren Mitmenschen und das Handeln Gottes in den jeweiligen Zeitaltern...