Was ist der Unterschied zwischen rechtfertigender und entschuldbarer Notwehr?

5 Antworten

In Notwehr handelt, wer einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem anderen abzuwenden versucht. Auch wenn die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken überschritten werden, wird er nicht bestraft.

Davon zu unterscheiden ist ...

- der rechtfertigende Notstand, durch den nicht ein Angriff, sondern eine Gefahr von sich oder einem anderen abgewendet werden soll. Dabei wird eine Abwägung der widerstreitenden Interessen verlangt. Und die Tat muss angemessen sein;

- der entschuldigende Notstand: Die Tat wird als rechtwidrig bewertet, aber der Schuldvorwurf wird aufgrund eines Entschuldigungsgrundes so weit herabgesetzt, dass auf eine Bestrafung zu verzichten ist.

Die Strafbarkeit einer Tat ist in Deutschland in drei Stufen eingeteilt - jede dieser drei Stufen muss erfüllt sein, damit ein Verhalten strafbar ist.

Die erste Stufe ist der Tatbestand. Eine Tat muss zunächst mal einen gesetzlichen Straftatbestand in objektiver und subjektiver Hinsicht erfüllen. Als Beispiel: A schlägt B absichtlich mit der Faust nieder. Dadurch erfüllt er in objektiver Hinsicht die Voraussetzungen der Körperverletzung, in subjektiver Hinsicht handelt er mit Vorsatz. Der Tatbestand der Körperverletzung ist damit erfüllt.

Als zweite Stufe muss die Tat auch rechtswidrig gewesen sein. Im Rahmen der Rechtswidrigkeit werden Rechtfertigungsgründe geprüft. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass eine tatbestandliche Handlung auch rechtswidrig ist, es sei denn, es greift ausnahmsweise ein Rechtfertigungsgrund. Die Notwehr (§ 32 StGB) ist ein solcher Rechtfertigungsgrund. Wird eine Tat also in Notwehr begangen, so rechtfertigt die Notwehr die Tat und der Täter hat sich nicht strafbar gemacht; er handelte nicht rechtswidrig.

Auf der dritten Stufe wird die Schuld geprüft. Auch die Schuld ist grundsätzlich bei tatbestandlichem und rechtswidrigem Verhalten gegeben, aber ausnahmsweise können Entschuldigungsgründe eingreifen. Diese führen ebenfalls dazu, dass die Tat nicht strafbar ist. Ein solcher Entschuldigungsgrund ist beispielsweise der entschuldigende Notstand. Außerdem können bestimmte Umstände die Schuld des Täters ausschließen. Das ist beispielsweise der Fall bei Kindern (d.h. unter 14). Nach § 19 StGB handeln sie "nicht schuldhaft". Das bedeutet, dass Kinder zwar den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllen können und das Ganze auch rechtswidrig ist, aber eben nicht schuldhaft und daher nicht strafbar. Auch wer total betrunken ist, kann unter Umständen ohne Schuld gehandelt haben, sodass er sich nicht nach dem in Frage stehenden Delikt strafbar gemacht hat.

Die Notwehr ist aber immer eine Sache der Rechtswidrigkeit. Es gibt also nur die rechtfertigende Notwehr. Das sagt auch § 32 Abs. 1 StGB:

Wer eine Tat begeht, die durch Notwehr geboten ist, handelt nicht rechtswidrig.

Die Notwehr kann unter bestimmten Umständen allerdings auch die Frage nach der Schuld betreffen. Das ist der Fall beim sogenannten Erlaubnistatbestandsirrtum. Dieser liegt vor, wenn der Täter sich nach seiner Vorstellung in einer Notwehrlage befand und dann nach seiner Vorstellung durch Notwehr gerechtfertigt eine Tat begeht - das Ganze ist aber in Wirklichkeit gar keine Notwehr gewesen. In diesem Fall wird diskutiert, wie eine solche Tat zu bewerten ist. Ein Lösungsansatz ist dabei auch, die Schuld entfallen zu lassen, wenn der Irrtum unvermeidbar war. Allerdings ist diese Konstruktion umstritten und nicht eindeutig geklärt. Jedenfalls ist das eine Situation, bei der die Notwehr im Rahmen der Schuld eine Rolle spielen kann. Dennoch kann man hier nicht von "entschuldigender Notwehr" sprechen, denn in einem solchen Fall liegen die Voraussetzungen einer Notwehr gar nicht vor.

FAZIT: Es gibt nur die rechtfertigende Notwehr. Die Notwehr kann nur in bestimmten Situationen auch im Rahmen der Schuld eine Rolle spielen, ist dann aber kein Entschuldigungsgrund; somit kann man nicht von entschuldigender Notwehr sprechen.

Ersetze Notwehr durch das Wort Notstand und deine Frage ist richtig gestellt.

Vielleicht solltest Du dir erst einmal den Unterschied zwischen Notwehr und Notstand erklären lassen.

Notwehr ist immer ein Rechtfertigungsgrund.

Es gibt Rechtfertigungs -und Entschuldigungsgründe! Die einen schließen die Rechtswidrigkeit einer Tat aus, die anderen die Schuldhaftigkeit....Die Notwehr ist immer ein Rechtfertigungsgrund.

Danke !

Hi beo,

zu der Erlaubnisnorm des § 32 StGB wurde inzwischen ja einiges gesagt. In diesem Fall liegt ein Rechtfertigugnsgrund vor.

Ich glaube, dass du mit "entschuldbarer Notwehr" vermutlich den § 33 StGB meinst, den sog. Notwehrexzess. Hierbei handelt es sich um einen Schuldausschließungsgrund.

Anerkannt ist, dass der § 33 StGB eigentlich nur bei intensiven Notwehrexzessen greift, wenn der Täter also die Grenzen der Notwehr hinsichtlich der Erforderlichkeit und Gebotenheit überschreitet. Grund dafür ist insbesondere, dass der § 33 StGB seinen Voraussetzungen nach an eine Notwehrlage i.S.d. § 32 StGB anknüpft.

Erfolgt diese Überschreitung dann aufgrund eines "asthenischen Affektes" (Verwirrung, Furcht, Schrecken), so ist die Schuld des Täters ausgeschlossen. Er ist dann nicht strafbar.

Viele Grüße, JS