Warum stirbt der Beruf Hebamme aus?
Ich wollte eigentlich immer Hebamme werden, bloß mir raten jetzt viele da von ab. Irgendwas mit der Versicherung, könnte mir das jemand erläutern?
4 Antworten
Die mediale Aufmerksamkeit, die wir Hebammen in den letzten Jahren erhalten haben, ist ein zweischneidiges Schwert. Natürlich war es gut, dass auf Missstände hingewiesen wurde.
Aber Sprüche wie "Hebammen leben am Existenzminimum", "Hebamme ist ein Beruf ohne Zukunft" oder "Hebammen sterben aus" tragen nicht dazu bei, junge Frauen für den Beruf zu interessieren und Berufseinsteigerinnen zu halten.
Die Berufshaftpflichtproblematik hat sich mittlerweile in großen Teilen gelöst.
Vom Gesetzgeber wurde der sogenannte Sicherstellungszuschlag eingeführt, damit die steigenden Haftpflichtprämien für Geburtshilfe kompensiert werden.
Bei Interesse kannst du gerne hier nachlesen:
https://www.hebrech.de/sicherstellungszuschlag.html
Hebammen im Angestelltenverhältnis erhalten ein Einstiegsgehalt von rund 2800€ brutto (TVÖD) plus diverse Zulagen - das finde ich nicht zwingend schlecht bezahlt.
Auch eine freiberuflich arbeitende Hebamme mit einem gut organisierten Arbeitstag verdient besser als gedacht.
Laut Hebammengesetz kann eine Hebamme eine normal verlaufende Geburt alleine leiten. Ein Arzt dagegen darf eine Frau nur in Notfällen ohne eine Hebamme entbinden. Diese Hinzuziehungspflicht gibt es nur in Deutschland. Sie gilt übrigens auch bei einem Kaiserschnitt.
Es gibt in Deutschland (noch) zwei Wege, den Beruf der Hebamme zu erlernen:
Die althergebrachte Ausbildung erfolgt in Deutschland an einer der rund 60 Hebammenschulen (die an Krankenhäuser angegliedert sind) und es wird in der Regel ein Ausbildungsgehalt gezahlt.
Hier findest du alle Hebammenschulen:
https://www.hebammenverband.de/beruf-hebamme/ausbildung/hebammenschulen/
Die Zugangsvoraussetzungen für die Ausbildung sind im Hebammengesetz § 7 geregelt (gesundheitliche -physische und psychische- Eignung, Realschulabschluss oder gleichwertige Schulbildung oder Hauptschulabschluss und eine mindestens 2-jährige abgeschlossene Berufsausbildung oder die Erlaubnis als Krankenpflegehelferin oder Krankenpflegehelfer).
Jetzt schon haben knapp 70% der Hebammen das Abitur. Die Ausbildung zur Hebamme dauert 3 Jahre und schließt mit dem Examen ab.
Mittlerweile gibt es aber auch einen Bachelorstudiengang (z.B. in Bochum, Fulda und Berlin) zur Hebamme. Mittel- bis kurzfristig (ab 2020) wird das Studium die Ausbildung an einer Hebammenschule ersätzen, um dem europäischen Standard zu entsprechen. Dann ist für dich der Erwerb der Fachhochschulreife Gesundheit und Soziales sinnvoll.
Der Beruf der Hebamme ist nicht immer Friede-Freude-Eierkuchen, süße Babys, selbstbestimmende, kraftvolle Gebärende und glückliche Mütter...
Als Hebamme begleitest du auch Geburt mit weniger schönem Ausgang; stille (Tod- oder Fehl-) Geburten, Geburten von behinderten oder missgebildeten Kindern bis hin zu nicht mit dem Leben zu vereinbarende Fehlbildungen, dramatische Notfälle unter der Geburt mit Bedrohung des Lebens von Mutter und Kind, Geburten von unerwünschten Kindern...
Du kommst mit sämtlichen Ausscheidungen in Berührung; Blut, Fruchtwasser, Urin, Kot, Erbrochenes... Nicht jede werdende Mutter ist frisch geduscht, wohlduftend und gut gepflegt...
Nicht selten kommst du mit bakteriellen und viralen Infektionen und Pilzerkrankungen in Kontakt; Syphilis, Toxoplasmose, Gonorrhoe, Chlamydien, Varizellen, Masern, Mumps, Tuberkulose, B-Streptokokken, Röteln, Cytomegalie, Herpes simplex, Hepatitis B und C, HIV, Humanes Papillomavirus...
Du arbeitest als angestellte Hebamme im Schichtdienst; nachts, am Wochenende, an Feiertagen..., springst bei Krankmeldungen häufig ein und machst oft Überstunden, immer mehr Schreibkram und weniger Zeit für die eigentliche Hauptaufgabe und das alles bei chronischer Unterbesetzung...
Du arbeitest als freiberufliche Hebamme als selbstständige Unternehmerin in Dauerbereitschaft...
Im Krankenhaus wirst du nach Tarif bezahlt (etwas besser als eine Krankenschwester) und arbeitest bei Vollzeit 38,5 Stunden. Freiberuflich rechnest du über die Gebührenverordnung mit den Krankenkassen ab.
Es ist ein stressiger, verantwortungsvoller, manchmal auch trauriger und unterbezahlter Beruf und er ist vielfältig, erfüllend und wunderbar.
Auf jeden Fall - sowohl um einen Einblick in den Beruf zu erlangen als auch um deine Chancen bei deiner Bewerbung für einen Ausbildungsplatz zu erhöhen - empfehle ich dir ein mehrwöchiges Praktikum. Das kannst du z.B. im Krankenhaus, in einer Hebammenpraxis, im Geburtshaus und/oder bei einer freiberuflichen Hebamme machen.
Schau auch mal unter
https://www.hebammenverband.de/beruf-hebamme/
oder
http://www.ausbildung-hebamme.de/Bewerbung-Hebammenausbildung.html
Alles Gute für dich!
Vielen Dank für deinen Stern!
Hebammen gibt es weiterhin. Die wenigsten können es sich jedoch leisten, selbständig zu arbeiten. Grund dafür sind die stark gestiegenen Beiträge in der Berufshaftpflichtversicherung.
Im Krankenhaus gibt es nach wie vor Hebammen.
Giwalato
Das freut mich für die Frauen, die diesen verantwortungsvollen und abwechslungsreichen Beruf ausüben und auch in Zukunft ausüben wollen.
Natürlich war es gut, dass auf Missstände hingewiesen wurde. Die mediale Aufmerksamkeit, die wir Hebammen in den letzten Jahren erhalten haben, ist aber leider ein zweischneidiges Schwert.
Es ist an sehr vielen (auch Hebammen!) vorbeigegangen, dass man den Sicherstellungszuschlag beantragen kann.
Googlet man "Hebamme", kommt sofort das Thema Berufshaftpflichtversicherung, nicht aber die Lösung. Danach muss man schon gezielt suchen.
Das viel größere Problem zur Zeit ist der akute Hebammenmangel (sowohl Angestellte als auch Freiberufliche).
Diverse geburtshilfliche Abteilungen in Deutschland mussten in den letzten Jahren aus Personalmangel ganz oder vorübergehend schließen oder nehmen Patientinnen nur nach vorheriger Anmeldung (mit Anmeldestopp!) an.
Das merken aber nur die Schwangeren, die vor der geschlossenen Türe stehen.
Alle freiberuflichen Kolleginnen die ich kenne, können nach der 12. SSW (!) keine Frauen mehr annehmen. Viele Frauen finden gar keine Hebamme mehr, ob nun für eine außerklinische Geburt oder zur Nachsorge.
Ich kenne kein Krankenhaus in meiner Umgebung, dass alle seine Planstellen besetzt hat.
Deren Pflichtversicherungen sind unendlich teuer geworden
Die Berufshaftpflichtproblematik hat sich mittlerweile in großen Teilen gelöst.
Vom Gesetzgeber wurde der sogenannte Sicherstellungszuschlag eingeführt, womit die steigenden Haftpflichtprämien für Geburtshilfe kompensiert werden.
Wer sagt das denn?
Hebammen.
Die Pflichtversicherungen sind so teuer geworden, daß es sich bald nicht mehr lohnt.
Die Berufshaftpflichtproblematik hat sich mittlerweile in großen Teilen gelöst.
Vom Gesetzgeber wurde der sogenannte Sicherstellungszuschlag eingeführt, womit die steigenden Haftpflichtprämien für Geburtshilfe kompensiert werden.
Die Berufshaftpflichtproblematik hat sich mittlerweile in großen Teilen gelöst.
Vom Gesetzgeber wurde der sogenannte Sicherstellungszuschlag eingeführt, womit die steigenden Haftpflichtprämien für Geburtshilfe kompensiert werden.