Warum lernt man in der Schule nicht signifikante Dinge fürs Leben?

13 Antworten

Hallo!

Interessante Frage ----> DH! Erst gestern hatte ich's in einer tollen Diskussion mit einem pensionierten Lehrer über exakt dieses Thema.. und er hatte die selbe Ansicht, die ich schon lange hege!

Die Kultusministerien sind schlicht zu weit vom Schuss! In ihren Regierungsbauten der Landeshauptstädte bekommen sie einfach nicht mit, wie der Schulalltag "da draußen" abgeht, wie es da läuft & was die Jugendlichen heute als Rüstzeug für die moderne Gesellschaft/die Arbeitswelt wirklich brauchen.

Das Problem ist, dass das oft überalterte Ministerien sind mit Leuten, an denen die Realität der letzten sagen wir 20-30 Jahre mehr oder weniger vorbeigezogen ist.. was man ihnen aber nicht mal "verdenken" kann, da sie in ihren Bauten mehr oder weniger von der Realität in den Schulen auf dem Land abgeschirmt sind.

Der Lehrer i.R. kritisierte massiv, dass Kultusministerien auch jegliche Vorschläge abblocken, weil sie in ihrer Bürokratie keine Chance sehen oder sogar von vornherein total passiv seien. Nach dem Motto: "Es soll so bleiben, wie es bis heute war, denn es war wunderbar"^^ ihr wisst sicher, was ich meine ;) Naja...!

Mir persönlich (Mittlere Reife 2007) haben in der Realschule lediglich die Fächer Geschichte, Erdkunde, Gemeinschaftskunde und in gewissen Grundkenntnissen auch Physik, Musiktheorie und Religion geholfen.. die Fremdsprachen Englisch & Französisch bis zum gewissen Grad auch. Das sind allgemeinbildende Fächer, wo man z.B. auch erfuhr, was der Prager Frühling war, wie die DDR und das III. Reich funktionierten, wie die Gesetze geschrieben sind und wie die Regierung aufgebaut ist, was der Landtag macht, wie die Welt aussieht & wer die bekanntesten Komponisten sind, wie die Bibel interpretiert werden kann usw.! Und das ist für alle deutlich wichtiger als das, was wir in den "Hauptfächern" zumindest in der Realschule lernten. 

In Mathematik war man nach anspruchsloser Geometrie, der Bruchrechnung und rationalen Zahlen (ca. 6./7. Klasse-Realschule) mit "brauchbaren" Dingen spätestens durch ---------> komplexe Algebra, Flächenberechnungen oder komplizierte Geometrie erweckten mir stets mehr den Anschein der "Zeitfüllung".. sorry! Deutsch ab ca. 7./8. Klasse mit Gedichtbeschreibungen, lateinischen Fachbezeichnungen für Fälle der deutschen Sprache und anderen "Feinheiten" hatte den unerwünschten Effekt, dass viele in der 10. noch immer nicht richtig die Rechtschreibung beherrschten & auch Satzzeichenfehler noch ein Dauerthema waren ------> weil man sich im Gegenzug nicht groß um Rechtschreibung oder Satzzeichenlehre/Sprachlehre scherte. Der Lehrplan sah dieses wichtige Thema nicht vor. Und das kann's doch echt auch nicht sein, bei aller Liebe!

Meine Meinung!

Ich habe es von jemand höherem in der Hierarchie, daß der Sinn der Schule (ihr Hauptziel) nicht die Bildung ist, sondern die Integration in die Gruppe.

Du siehst also, es will auch keiner, daß die Schüler richtig etwas lernen (sehr zum Leidwesen der Berufsausbilder, die stellenweise ihre Ausbildung auf den Kopf stellen müssen, weil die Kinder nicht mehr die Voraussetzungen dafür mitbringen!!)

Da hilft wirklich nur, sich selbst um seine Bildung zu kümmern.

Immer wieder höre ich, daß Kinder, die jahrelang selber gelernt haben und später in die Schule gegangen sind (meist, um einen Abschluß zu erlangen), dies als große Zeitverschwendung ansehen, die sie am Lernen hindert.

Die Schule vermittelt durchaus sehr praxisrelevante Dinge. Dazu gehört insbesondere auch die Fähigkeit, sich Informationen zu verschaffen - sei es nun über das Balzverhalten der Grasmücke oder eben das Ausfüllen einer Steuererklärung. Und sie sollte die Fähigkeit vermitteln, Texte verstehend zu lesen - ob das nun ein Sonett ist oder ein Mietvertrag.

Neben diesen praktischen Aspekten geht es aber auch darum, als Mitglied unserer Gesellschaft leben zu können. Dazu gehören soziokulturelle Fragen, wie sie z.B. im Religions- oder Ethikunterricht behandelt werden. Um zu verstehen, wie unsere Gesellschaft funktioniert und warum sie sich zu dem entwickelt hat, was sie heute ist, dient u.a. der Geschichtsunterricht. Gerade in der heutigen Zeit wird immer deutlicher, wie wichtig dieser ist.

Davon abgesehen, soll die Schule natürlich eine Bildungsgrundlage für alle möglichen weiteren Laufbahnen schaffen. Für die einen Schüler sind diese Inhalte wesentlich, für andere sind es jene. Es liegt in der Natur der Sache, das Unterrichtsinhalte für eine Gruppe nicht jedem Individuum maßgeschneidert passen können.

Deine Frage hatte ich mir als Schüler auch gar viele Male gestellt
und festgestellt, dass ich viel Gerümpel höherer Art mir einverleiben
mußte, für dich ich im täglichen Leben keine oder nur geringe Verwendung
fand und finde. Manches kommt mir vor, wie Stuck an der Decke, also
bloßer Zierat, mit dem sich bei Bedarf ein wenig prunken läßt, mehr aber
auch nicht. Das Meiste, was einen praktischen Nutzwert hat, lernte ich
entweder durch andere Menschen kennen, oder bei "learning by doing". Was
ich an Bildung zwecks Hobbypflege erwarb, bedurfte gleichfalls nicht
der Schule, sondern eignete ich mir autodidaktisch an, oder der
Grundstein wurde in meiner einstigen Familie gelegt. Ich verdanke der
Schule lediglich gewisse Deutschkenntnisse, Englisch, Französisch und
ein wenig Mathe. Die höhere Mathematik brauchte ich nach dem Abitur nie
wieder, gleiches gilt für einige andere Fächer, da diese im Alltag
völlig irrelevant sind. Auch im Berufsleben konnte ich mein
zurückliegendes Schulwissen kaum gebrauchen, ja selbst im Studium war es
nicht sonderlich hilfreich, wenn auch nicht völlig vergebens. 

Ein Großteil des Schulwissens dient ja auch nur als Zubringer für die Welt
der Arbeit, gewissermaßen als Sockel, auf dem dann in einer weiteren
meist recht nützlichen Berufsausbildung aufgebaut und draufgesattelt
wird. Die bloße Schulbildung allein reicht fast nie, um einen Beruf
sinnvoll ausüben zu können.

Was mich schon einst am Schulunterricht störte und später dann noch mehr, ist die Praxisferne,

der fehlende Bezug zum Alltag, die erfolgreiche und erfolgversprechende
Nutzanwendung zur Lebensbewältigung. Mir ist das noch viel deutlicher
geworden, als ich vom Sowjet-Pädagogen Makarenko seine
autobiographischen Romane mit dem Titel "der Weg ins Leben" sowie
"Flaggen auf den Türmen" las, wo eine andere Art der Bildung dargestellt
wrd. Makarenko war Leiter von 2 pädagogischen Kolonien, die er in den
20-er und 30-er Jahren in der Sowjetunion gründete. Mit seiner Pädagogik
vermochte er es, nicht nur lebensnahe Bildung seinen Zöglingen zu
vermitteln, sondern er schaffte es gar, Kriminelle und Verwahrloste in
rechtschaffene Bürger umzuwandeln, etwas was hierzulande fast nie
gelingt. Makarenko schaffte es durch Selbstbestimmung der Jugendliche
und mit der Verzahnung von Arbeit und Schulwissen, die sich gegenseitig
durchdrangen und beeinflußten. Er nutzte auch den Sinnspruch der Alten
Römer "theoria cum praxi" , eine Maxime die der Marxismus übernahm.

Da im Kapitalismus eine scharfe Trennung in Kopf,- und Handarbeit
vorgenommen wird, zwecks Sortierung der Menschen nach Rängen, übt dies
die bürgerliche Schule schon mal ein.

Der fehlende Bezug zum Alltag, die erfolgreiche und erfolgversprechende
Nutzanwendung zur Lebensbewältigung. Mir ist das noch viel deutlicher
geworden, als ich vom Sowjet-Pädagogen Makarenko seine
autobiographischen Romane mit dem Titel "der Weg ins Leben" sowie
"Flaggen auf den Türmen" las, wo eine andere Art der Bildung dargestellt
wrd. Makarenko war Leiter von 2 pädagogischen Kolonien, die er in den
20-er und 30-er Jahren in der Sowjetunion gründete. Mit seiner Pädagogik
vermochte er es, nicht nur lebensnahe Bildung seinen Zöglingen zu
vermitteln, sondern er schaffte es gar, Kriminelle und Verwahrloste in
rechtschaffene Bürger umzuwandeln, etwas was hierzulande fast nie
gelingt. Makarenko schaffte es durch Selbstbestimmung der Jugendliche
und mit der Verzahnung von Arbeit und Schulwissen, die sich gegenseitig
durchdrangen und beeinflußten. Er nutzte auch den Sinnspruch der Alten
Römer "theoria cum praxi" , eine Maxime die der Marxismus übernahm.

Da im Kapitalismus eine scharfe Trennung in Kopf,- und Handarbeit
vorgenommen wird, zwecks Sortierung der Menschen nach Rängen, übt dies
die bürgerliche Schule schon mal ein.

Kennst Du den Film Alphabet?

https://www.youtube.com/watch?v=Kgn9LWQqkj0

Hier ein Vorgeschmack.

@Hooks

Nee, kannte ich nicht, ein recht interessantes Video

@voayager

Und ein recht interessantes Konzept. Ich kenne viele Menschen, die danach leben, in allen möglichen Abstufungen von "Schule zuhause" bis "Freilernen". Es funktioniert! Und es macht Spaß.

Und das Wissen bleibt viel länger haften, ist also nachhaltig, wie es so schön heißt.

@Hooks

mit Sicherheit isses so, ich pflicht dir bei

Solange man nicht genau weiß, was für wen relevant ist, muss jeder eben auch Dinge lernen, die er später nicht braucht.

Oft werden die Dinge erst dadurch relevant, dass man sie lernt und sich mit ihnen beschäftigt. Für die meisten in meinem Jahrgang war Latein ein toter Ballast - mir hat es beim Lernen anderer Sprachen enorm geholfen.

Ich habe bei meinen 20- und 30-Jahres-Abiturfeiern einige wiedergetroffen, für die das Abitur der geistige Höhepunkt ihres Lebens blieb, weil sie danach in dumpfe Routinejobs abgetaucht sind. Das ist sehr schade für sie - aber hätte man deswegen den ganzen Jahrgang nur auf dumpfe Routinejobs abrichten sollen? Und würde nicht auch diesen Leuten dann etwas fehlen?

Allerdings stimme ich Dir zu, dass die Schule in der heutigen Zeit ein paar mehr lebenspraktische Dinge vermitteln sollte - zum Beispiel ein Minimum an Grundwissen über den Umgang mit Geld.

Das sollte aber zusätzlich und nicht ersetzend vermittelnd werden.

Solange man nicht genau weiß, was für wen relevant ist, muss jeder eben auch Dinge lernen, die er später nicht braucht.

Ziemlich sinnlos, so ein Gießkannenwissen auf alle zu verteilen - das kann sich niemand anders leisten als die sog. allgemeinbildenden Schulen, die erschreckend viele Schüler heute nicht mehr zu Ende bringen.

Und wäre nicht auch Latein für andere sinnvoll, wenn sie nicht das Abi machen?

@Hooks

Welche Alternative zum "Gießkannenwissen" schlägst Du vor?

Freie Selbstbedienung nach Lustprinzip funktioniert erst ab einer Lebenserfahrung und Reife, die man im Schulalter noch nicht voraussetzen kann - und die Quote der Wunderkinder, deren Begabungsschwerpunkte schon im Grundschulalter erkennbar wird, ist recht gering.

Über Latein kann man diskutieren. Mir hat es sehr geholfen - für viele in meinem Jahrgang war es allerdings eine Verschwendung von Speicherplatz, den sie im Nachhinein mit einer lebenden Fremdsprache belegt hätten.

Wenn es dafür auch auf anderen Schulformen eine ernstzunehmende Nachfrage gäbe, würde man es wahrscheinlich auch anbieten.

@bronkhorst

Entschuldige, ich habe eben erst Deine Frage entdeckt.

Ja, das ist so eine Sache mit dem Lustprinzip...

Hast Du Dir mal Gedanken darüber gemacht, daß jedes Kind sich riesig auf die Schule freut, und die meisten bereits nach einigen Monaten, manche bereits nach Wochen, keine Lust mehr haben? Beobachte das mal.

Sollen wir nun sagen, wir mußten da auch durch, das sollen die gefälligst auch tun? Das ist doch ein bißchen armselig.

Hast Du Dir mal Gedanken darüber gemacht, wieviele Wissenschaftler in ihrem Lebenslauf den Passus haben "aus der Schule geflogen"?

Eines kann man auf jeden Fall noch vor dem Schulalter feststellen: die Kinder haben Interesse. An allen möglichen Dingen. Am Lesen (denn das eröffnet ihnen eine völlig neue Welt!), am Basteln, an Werktechniken, an Hausarbeit, an Bewegung - kurz: am Lernen.

Das Kind ist von Anfang an ein lernendes Wesen. Und das wird ihnen in der Schule gründlich ausgetrieben. Sie sollen pauken, irgendwas, das irgendwer aus irgendeinem Grund für notwendig hielt. Dazu in einer altershomogenen Gruppe, die jegliches soziale Lernen unterbindet.

Wir sind hier in Deutschland, deshalb wird man von den meisten Menschen als Ketzer angesehen, wenn man das tut, was viele Leute vor 1938 getan haben: Ihre Kinder zuhause unterrichten. Oder selber lernen lassen. Wir haben unsere beiden Großen aus der 3. bzw 2. Klasse herausgeholt und die andern gar nicht erst eingeschult. Dann haben wir nach teils festen und später immer lockereren Plänen gelernt bis hin zum Unschooling. Es hat ihnen sehr gutgetan in der gesamten Entwicklung. Schulisch, menschlich, sozial...

Ich will dazu jetzt nicht mehr viel schreiben (frage gerne, wenn Dich was interessiert), nur noch ein Zitat unseres Ältesten aus der Berufsschulzeit anfügen: "Mir scheint, die anderen Schüler sind dermaßen abgefüllt mit Lernstoff, daß die keine Lust mehr zum Lernen haben!" Er war Jahrgangsbester und macht nun als Abteilungsleiter noch ein Fernstudium Industriefachwirt, die andern sind alle irgendwo die Klassenbesten, beim Studium, Landesbester, Meisterschule...

Ich halte das für eine äußerst gute Alternative zum Gießkannenprinzip. Die Entbehrungen, die man dabei als Famile auf sich nimmt, tragen zudem sehr zur Charakterentwicklung bei.

Die Schule ist ein Ort der akademischen Bildung. Das Problem liegt am anderen Ende. Das Problem sind Eltern, die sich nicht um die Ausbildung ihrer Konder kümmern. Es wird zu oft davon ausgegangen, dass die Kinder in der Schule schon alles lernen werden.
Ich habe akademisches Wissen in der Schule erlangt und empfinde mein Wissen aus Deutsch oder Geschichte für sehr viel Lebensnäher als Analysis.

Worauf ich bei meinem ersten Mietvertrag und bei der Wohnungssuche achten musste haben mir meine Eltern erklärt.

Schlimm genug, dass Kindern in den ersten sechs Lebensjahren kaum etwas beigebracht wird ist schlimm genug, die Verantwortung aber noch weiter von den Eltern wegzunehmen halte ich für den falschen Weg.

Und doch werden Kinder immer früher fremdbetreut.

Sollten nicht die Eltern ihren Kindern wenigstens das Lesen, Schreiben und die Grundrechenarten beibringen können?