Was ist der Unterschied zwischen Versäumnis- und Anerkenntnisurteil?

2 Antworten

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Hallo "steph3",

Ausgangspunkt der Überlegung, ob ein Anerkenntnisurtei oder Versäumnisurteil sinnvoll ist, ist der, dass der Anwalt des Beklagten erkennt, dass die Verteidigung gegen die Klage aussichtslos erscheint.

Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass die Säumnis günstiger ist als die Anerkenntnis.

Bei einem Anerkenntnisurteil entstehen zuerst einmal zwei Verfahrensgebühren - für den eigenen und den gegnerischen Anwalt - zu 1,3 nach Nr. 3100 VV RVG. Daneben aber auch zwei Terminsgebühren zu 1,2 nach Nr. 3104 VV RVG. Dies gilt sogar für die Fälle, in denen eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich war, zum Beispiel wegen eines Anerkenntnisses im schriftlichen Vorverfahren oder auf anderem Wege außerhalb der mündlichen Verhandlung. Die Terminsgebühr entsteht infolgedessen auch dann, wenn von Gesetzes wegen oder auf Grund einer Anordnung im Prozess überhaupt kein Termin durchgeführt wird. Ferner entsteht aber nur eine Gebühr an Gerichtskosten nach dem Kostenverzeichnis Nr. 1211 GKG.

Das Versäumnisurteil hingegen verursacht zwar drei Gerichtsgebühren, jedoch fallen lediglich eine 1,3 Verfahrensgebühr und eine 0,5 Terminsgebühr für den Anwalt der Klägerpartei, sowie nur eine 0,8 Verfahrensgebühr für den Anwalt der Beklagtenseite an. Hierbei fangen die beim Anerkenntnisurteil geringer ausfallenden zwei Gerichtsgebühren die erheblich geringeren Gebühren für die beteiligten Anwälte, nicht wieder auf.

Ergebnisbetrachtet ist das Versäumnisurteil günstiger als das Anerkenntnisurteil.

Wie @Nemesis2010 aber bereits richtigerweise angemerkt hat, kann ein Anerkenntnisurteil günstiger sein. Dies wäre in zwei Fällen gegeben.

1.) Wenn ein Anerkenntnis unter den Voraussetzungen des § 93 ZPO möglich ist.

2.) Wenn sich die Aussichtslosigkeit der Verteitigung erst in der mündlichen Verhandlung herausstellt. Denn: Wenn trotz Säumnis nach § 333 ZPO auf beiden Seiten eine 1,2 Terminsgebühr nach dem Streitwert entsteht, sind die außergerichtlichen Kosten bei Säumnis und Anerkenntnis gleich hoch. Dementsprechend wirkt sich die Reduktion der Gerichtskosten auf 1,0 Gebühren beim Anerkenntnisurteil an Stelle von 3,0 Gebühren beim Versäumnisurteil voll aus. Der Beklagte spart 2,0 Gebühren nach GKG. Sind also beide Anwälte in der mündlichen Verhandlung erschienen, so ist es für den Beklagten günstiger, aufzutreten und anzuerkennen.

Es steht aber noch eine dritte Möglichkeit im Raum, mit der sich auf Beklagtenseite noch mehr Kosten sparen lassen. Sollte der Beklagte hinreichend zahlungsfähig sein, die streitige Summe in einer Summe ausgleichen zu können, so sollte er dies sofort tun und dem Gericht sogleich mitteilen. Die Gegenseite müsste daraufhin die Hauptsache für erledigt erklären, wonach durch den Beklagten lediglich eine Gerichtsgebühr und zwei Verfahrensgebühren zu zahlen wären.

vielen Dank für die ausführliche Antwort, ich möchte eine weitere Frage stellen.

Ich bin bereit die Forderung zu begleichen, aber erst in einigen Wochen auch dazu in der Lage. Vorher nicht, das habe ich mir schon überlegt, Ich habe selbst Forderungen an Schuldner, die ich gerade versuche, gerichtlich durchzusetzen.

Verhandlungen mit den Anwälten der Gegenseite über eine Ratenzahlung sind gescheitert.

Dazu meine Frage. Wieviel Zeit bleibt mir nach einem Versäumnisurteil zur Zahlung? Oder darf sofort vollstreckt werden? Kann es passieren, dass ich das Urteil im Briefkasten habe und die Anwälte am selben Tag eine Kontopfändung veranlassen ?

Das werden die machen, sowie sie die Gelegenheit dazu haben. Ich hatte leider schon einmal mit denen zu tun.

Gruß

@steph3

Hallo "steph",

vielen Dank für das freundliche Feedback und den mir gegenüber verteilten Stern. Gerne möchte ich natürlich auch Ihre Nachfrage beantworten.

Bevor der Gläubiger die Zwangsvollstreckung aus dem Versäumnisurteil betreiben kann, müssen die entsprechenden Voraussetzungen der

  1. Titel
  2. Klausel
  3. Zustellung

erfüllt sein.

Ein Titel, welcher die Grundvoraussetzung jedweder Zwangsvollstreckungsmaßnahme bildet, liegt vor, wenn das Versäumnisurteil ergeht, welches regelmäßig vorläufig vollstreckbar ist (vgl. § 704 ZPO).

Um die Zwangsvollstreckung durchführen zu können, ist gem. § 724 ZPO die sogenannte Klausel, eine vollstreckbare Ausfertigung des Urteils unabdingbar und unbedingte Voraussetzung.

Ferner muss Ihnen der Titel auch vor, beziehungsweise mit Beginn der Vollstreckung, wirksame zugestellt werden. Dies hat den Zweck, Ihnen gegenüber die bevorstehende Zwangsvollstreckung anzuzeigen und zugleich die Möglichkeit zu geben, den zugestelltn Titel auf Richtigkeit zu überprüfen.

Wie lange dieser Prozess dauert, vermag hier niemand mit Gewissheit sagen zu können, da nicht absehbar ist, wann die gegnerische Partei eine vollstreckbare Ausfertigung beantragt und diese auch vom Gericht angefertigt und zugestellt wird. Dies kann demgemäß eine, oder auch mehrere Wochen dauern.

Na, der Beklagte zahlt bei einem Anerkenntnis vor dem Gerichtstermin z.B. weniger Gerichts- und Anwaltskosten der Gegenseite.

Ein Versäumnisurteil ergeht u.a. z.B. auch, wenn der Beklagte im Termin nicht erscheint und somit den Klageabweisungsantrag nicht stellen kann. Der Termin findet dann natürlich ohne ihn statt und löst weitere Gerichts- und Anwaltskosten aus.

Muß mich korrigieren: Bei einem sofortigen Anerkenntnis nach Klagezustellung werden die Kosten dem Kläger auferlegt.

@Nemisis2010

zur Ergänzung, es geht um ein schriftliches Vorverfahren.

Das hatte ich vergessen zu erwähnen

@Nemisis2010

Na, der Beklagte zahlt bei einem Anerkenntnis vor dem Gerichtstermin z.B. weniger Gerichts- und Anwaltskosten der Gegenseite.

Das ist richtig, denn laut GKG werden die Gerichtskosten von einer 4,0-Gebühr auf eine 1,0-Gebühr ermäßigt.

Bei den Rechtsanwaltkosten bin ich mir grade nicht sicher, ob im schriftlichen Vorverfahren Unterscheide bei den Gebühren entstehen. Eine Terminsgebühr fällt in beiden Fällen nicht an und eine Verfahrensgebühr in beiden Fällen voll. Also wenn ich jetzt nicht irgendwas übersehe, dann spart man nur an den Gerichtskosten - dafür dabei aber ne Menge!

@Grinzz

Hallo "Grinzz",

ich darf hier mal korrigieren einspringen ;)

Richtig ist, dass die Gerichtsgebühren bei einem Anerkenntsurteil lediglich eine Gebühr, bei einem Veräumnisurteil hingegen drei (nicht vier) Gebühren betragen. Ferner sind die Anwaltskosten bei einem Versäumnisurteil, und nicht bei einem Anerkenntnisurteil, erheblich niedriger, was die zwei gesparten Gerichtsgebühren bei einem Anerkenntnis nicht auffangen können.

Folglich ist ein Versäumnisurteil günstiger als ein Anerkenntsnisurteil.

@WillLoman

Bei einem schriftlichen Verfahren fallen aber keine 3 Gebühren bei einem Versäumnisurteil an, sondern gem. Abs. II Nr. 2 zu Nr. 3015 VV-RVG 0,5 TB.

@Nemisis2010

Hallo auch an Dich, "Nemisis2010", und vielen Dank für Deinen Kommentar.

Bezugnehmend auf meinen Kommentar, in welchem ich von Gerichtsgebühren sprach, fallen sehr wohl drei (Gerichts-)Gebühren bei einem Versäumnisurteil an. Wie Du die Gerichtsgebühren nun in Verbindung zu der von Dir angesprochenen 0,5 Terminsgebühr setzt, erschließt sich mir nicht. Richtig ist aber, dass diese mit 0,5 - für den Anwalt der Klägerpartei - anzusetzen ist, was ich in meiner Antwort auch bereits ausführte. Wie ist Deine Ergänzung also zu verstehen?

P.S. Die von Dir gennannte Nr. 3015 VV-RVG existiert nicht; es muss hier 3105 VV-RVG heißen. Dies wurde auch von "Zaubermaus" im Thread auf Rechtspflegerforum.de in #5 korrigiert ;)