Sozialsysteme aufrecherhalten?

10 Antworten

Ich denke, man kann hier drei Kategorien von Maßnahmen unterscheiden: Maßnahmen, um den demografischen Wandel zu verlangsamen, Maßnahmen, um das Sozialsystem demografiefester zu machen und Maßnahmen, um die Gesamtwirtschaft demografiefest zu machen.

Um den demografischen Wandel zu verlangsamen, könnte man erstens versuchen, die Fertilitätsrate in Deutschland zu erhöhen. Dafür wären Maßnahmen nötig, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern, vor allem eine bessere Betreuungsinfrastruktur. Mit Blick auf wissenschaftliche Studien(u.a. Bundesfamilienministerium) und andere Länder dürfte das der erfolgsversprechendste Weg sein.

Finanzielle Anreize, um Kinder zu bekommen, sind dagegen übrigens wenig effektiv.

Zweitens könnte man versuchen, eine dauerhaft hohe Zuwanderung zu erzielen. Zuwanderer-die in der Regel jung sind- würden Deutschland verjüngen und damit den demografischen Wandel bremsen.

Dann könnte man auch die Sozialsysteme demografiefester gestalten. Hierzu wäre z.B. mehr Steuerfinanzierung geeignet: Das Problem ist, dass das deutsche Sozialsystem gegenwärtig sehr stark über Lohnnebenkosten finanziert wird. Dadurch verteuert es Arbeit, außerdem werden dadurch z.B. Einkommen aus anderen Quellen als Arbeit(Vermögen etc.), Einkommen von Selbstständigen oder Einkommen oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze nicht in die Finanzierung miteinbezogen.

Steuern haben den Vorteil, Arbeit nicht zu verteuern und machen es außerdem möglich, das Sozialsystem auf eine breitere Finanzierungsbasis zu stellen. Damit wäre es demografiefester.

Und zuletzt dann die Maßnahmen, um die Wirtschaft an sich demografiefest zu bekommen. Hier besteht das Problem darin, dass eben die Verteuerung von Arbeit und die Erhöhung der Steuern und Abgaben kompensiert werden muss.

Möglich wäre das durch eine Verringerung der Sparquote z.B. durch niedrigere Zinsen, Beseitigung von Anreizen zum Sparen und Schaffung von Konsumanreizen. Dadurch würde das geringere Nettoeinkommen durch höhere Steuern und Abgaben kompensiert werden. Die Binnennachfrage würde dann nicht sinken.

Die Verteuerung von Arbeit könnte man durch Anhebung des Qualifikationsniveaus der Bevölkerung und durch allgemein günstige Bedingungen für Unternehmer kompensieren: Für ein qualitativ höherwertiges Produkt(hier: eine qualifiziertere Arbeitskraft) ist man auch bereit, etwas mehr auszugeben.

Und Unternehmern investieren mehr, wenn sie sich wohlfühlen. Dafür braucht es allgemein gute Bedingungen für Unternehmen, z.B. durch Eigentumsschutz, einen nicht zu hohen Grad an Regulierung und gute Technologie.

Bei den ersten beiden Maßnahmenbündeln hat Deutschland noch deutlichen Nachholfbedarf, insbesondere bei der Demografiefestigkeit des Sozialsystems.

In der dritten Kategorie dagegen steht Deutschland recht gut da: Diverse Rankings(u.a. Index of Economic Freedom) belegen, dass die Bedingungen für Unternehmer in Deutschland sehr gut sind. Und seit den ersten Messungen in den 90er Jahren hat sich das Qualifikationsniveau der Arbeitskräfte in Deutschland stetig verbessert. Erkennbar u.a. daran, dass Deutschland in internationalen Studien(z.B. Pisa) mit der Zeit immer besser abschneidet und auch die Akademikerquote immer weiter steigt.

Aber auch hier können wir uns deutlich verbessern: Gerade die sozial schwächeren Schichten liegen beim Qualifikationsniveau weit zurück(es braucht mehr Chancengleichheit), auch bei der Akademikerquote ist noch viel Luft nach oben.

"Finanzielle Anreize, um Kinder zu bekommen, sind dagegen übrigens wenig effektiv."

warum "ist" das "wenig effektiv"?

@deKlaus

Weil es kaum zu einer Erhöhung der Fertilitätsrate führt.

@deKlaus

Weil objektiv weder Kindergeld noch sonst was diesbezüglich etwas gebracht hat. In Slams bekommen die Frauen trotz Armut wesentlich mehr Kinder als Frauen bei uns, die Kindergeld bekommen und im Falle des Falles sogar über SGB II versorgt wären, und keine Angst haben müszten, die Miete nicht zahlen zu können oder ohne Heizung im Winter rum zu sitzen. 

Eine deutsche Frau bekommt im Schnitt 1,3 Kinder. Dabei gibt es etwas mehr Jungs als Mädchen. Damit die Population nicht ausstirbt, bedürfte es 2,1 Kinder pro Frau, wenn man noch vorherige Todesfälle einrechnet. 

Damit mit nur 1,3 Kinder pro Frau das funktioniert, müszten von 5 Kinder mindesten 4 weiblich sein. Ist aber nicht und so würde jeder Zoodirektor wissen, dasz diese Population früher oder später ausstirbt, wenn pro "Weibchen" nur 1,3 Junge nachkommen.

Wir werden die Sozialsysteme, wie wir sie heute kennen, nicht aufrecht erhalten können. Der demografische Wandel und die steigende Lebenserwartung werden uns hier zum Umdenken zwingen. Auch ein BGE wird daran nichts ändern.

Die Menschen in Deutschland werden heute im Schnitt mehr als 80 Jahre alt. Als im Jahr 1957 die Rentenreform durchgeführt wurde, lag die Lebenserwartung noch unter 72 Jahren.

Unterm Strich bekommen die Rentner heute doppelt so lange Rente wie 1957. Tendenz steigend. Das kann nicht funktionieren. Die Rentenformel geht schlicht und ergreifend nicht mehr auf.

Schauen wir uns die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung an. Dort werden mehr als 50% der Ausgaben für Medikamente und Heilbehandlungen von den über 65-jährigen beansprucht. Ebenfalls Tendenz steigend. Auch hier wird der Kostenrahmen gesprengt.

Diese Rundumversorgung werden wir uns künftig nicht mehr leisten können. Wir werden nicht umhin kommen, länger zu arbeiten. Wir werden auch nicht umhin kommen, die gesetzliche Krankenversicherung zu reformieren.

Als eines der Hauptprobleme sehe ich unser Anspruchsdenken. Wir sind der Meinung, die Rente müsse alle Lebenslagen voll abdecken und ein angenehmes Leben garantieren. Nur, wer soll das bezahlen, wenn wir selbst zu wenige Kinder und damit zu wenige Beitragszahler in die Welt gesetzt haben.

Wir sind der Meinung, sämtliche Leistungen um die Gesundheit wären kostenlos. Natürlich glauben das die Leute, wenn sie einfach nur ihr Kärtchen durchziehen. Nur, kostenlos ist das nicht. Der Arzt schreibt eine Rechnung. Diese bezahlt die Kasse und letztlich zahlt der Versicherte die Rechnung doch. Hier gehört mehr Kostenbewusstsein her.

Bei der Rente sieht das ähnlich aus. Auch hier sehen wir heute schon eine 2-Klassengesellschaft. auf der einen Seite sehe ich gut situierte Rentner, die in den eigenen 4 Wänden leben, mit 65 eine ordentliche Lebensversicherung ausgezahlt bekommen und auch sonst sich einiges zur Seite gelegt haben. Auf der anderen Seite sehe ich die, die von ihrer Rente noch Miete zahlen müssen, die keine Lebensversicherung bespart und auch sonst nichts zur Seite gelegt haben. Diese Menschen machen im Alter keine großen Sprünge mehr.

Strukturieren wir einfach mal unsere weltweite Gesellschaft um.

Grundbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung, Wohnraum (Eigentum, nicht gemietet!) und Medizin sollten völlig abgekoppelt sein vom Geldsystem.

Jeder Mensch (auch bis zu einem gewissen Behinderungsgrad...) ist ab einem gewissen Alter in der Lage, bei der Herstellung dieser Dinge mitzuwirken. Als Erntehelfer, Bauhelfer, Hobby-Handwerker und sogar als Pflegehelfer. Für einfache Arbeiten in diesen Bereichen braucht man keine langjährige Ausbildung, sondern es reicht, wenn man gezeigt bekommt, was man wie zu machen hat. Solche Hilfsarbeiten sollten grundsätzlich von jedem geleistet werden. Der Vorteil ist: wenn wirklich jeder sich daran beteiligt reduziert sich die Arbeitszeit für jeden auf ein erträgliches Maß.

Wer selbst das nicht bringen will, soll eben einfach mal hungern. Das bekehrt auch den faulsten  Faulpelz oder erlöst die Gesellschaft von ihm.

Wer jedoch nach höherem strebt, kann ja eine Ausbildung zur Fachkraft machen und dann auch mit seiner Arbeit Geld verdienen, wodurch er sich eben mehr Luxus leisten kann als die breite Masse. Die schwierigen Berufe befreien ab einem gewissen Bedarf auch von der Grundbedarf-Mitwirkungspflicht. Ein Arzt wird also nicht zum Erntehelfer "degradiert"... Er hat genug zu tun mit seinem Job, so daß die anderen ihn locker mit durchfüttern können. Aber er darf sich natürlich an der ernte beteiligen, wenn ihm langweilig ist. ;)

Die Bereitschaft, eine Ausbildung zu machen, wird nur in der Anfangszeit nicht so recht vorhanden sein. Die Menschheit braucht sicher  'ne Weile, das alte System hinter sich zu lassen. Es gibt aber immer Menschen, die gerne arbeiten. Heutzutage machen die ja meist ehrenamtliche Tätigkeiten. ;)

Das Grundeinkommen finanziert sich auf diese Weise also völlig geldfrei durch die reine Arbeitskraft der Menschen. Lebenslang.

Renten oder Arbeitslosengeld braucht man dann nicht mehr. Höchstens einen einfachen Sozialausgleich für diejenigen, die garnichts mehr leisten können. Zu alte und/oder zu kranke Menschen also.

Und den "finanziert" man als noch aktives Mitglied der Gesellschaft locker einfach mal durch "eine halbe Ernteration" mehr als nur das, was man selber benötigt. Freiwillige Mehrleistung nenne ich das.

warehouse14

Der Generationenvertrag wird nicht mehr aufgehen. Das liegt an der Entwicklung der Bevölkerung (mehr alte, weniger Kinder etc.).

Es wird vielleicht dazu kommen das der Renteneintritt erhöht wird, das heißt aber auch das wir mehr altersgerechte Arbeitsplätze brauchen. Andersweitig könnte man auch eine Einheitsrente einführen (für alle der gleiche Rentenbetrag).

Der Staat muss vielleicht weitere Anreize für junge Menschen schaffen Familien zu gründen, damit die Geburtenrate steigt.

Weiterhin sollte es gelingen Einwanderer schneller in die Arbeitswelt zu integrieren. Auch die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und eine Einschränkung von Hartz 4 ist möglich.

Aber auch all das würde den Bevölkerungsrückgang nur schwächen, aber nicht aufheben.

Weiteres hier: http://www.bpb.de/politik/innenpolitik/demografischer-wandel/75997/soziale-auswirkungen?p=all

Im Wesentlichen so, wie wir das auch heute tun.

Dies wird in Bezug auf den demografischen Wandel allerdings nicht mehr möglich sein.

@Indamouth

Nur in einer statischen Betrachtungsweise, die jedwede Anpassungsreaktion ausschließt. Dem demogrphischen Wandel kann man aber mit Zuwanderung entgegenarbeiten, mit besseren Rahmenbedingugen für die Geburtenentwicklung, mit einer Anpassung der Lebensarbeitszeit, etc. pp.

Ansosten betrifft der demographische Wandel auch nicht alle Sozialsysteme gleichermaßen, sondern eben nur das Rentensystem.

@Indamouth

Ich denke, dass die Begründung mit dem demografischen Wandel eine Lüge ist, um die aktuelle Zuwanderungpolitik bzw Einschnitte in den Sozialsystemen schmackhaft zu machen. Vor einigen Wochen wurde in einer Zeitung eine Statistik veröffentlicht, dass in Deutschland der Anteil am BIP, der für die Auszahlung der Renten verwendet wird, geringer ist, als in großen Abschnitten der Vergangenheit. Es ist also nicht so, dass wir als Gesellschaft uns die vielen Renter nicht leisten könnten, sondern, dass das Geld was wir mit unserer gestiegenen Produktivität erarbeiten anderweitig abfließt.

@atzef

Deutschland gilt nicht gerade als Land, das für Hochqualifizierte attraktiv ist. Vor einigen Jahren  beispielsweise wurde versucht, in der IT-ausgebildete Inder nach Deutschland zu "locken" ("Inder statt Kinder" war damls ein geflügelter Ausspruch), aber es kamen nur sehr wenige. Der Grund dürfte sein, dass diejenigen, die sowieso bereit sind auszuwandern, gleich in die USA gezogen sind, wo es eine geringe Abgabenlast gab, und vermutlich auch eine geringere Sprachbarriere. Attraktiv hingegen ist Deutschland für die nicht-arbeitende und zumeist nicht gebildete Menschen, die nur herkommt, um Hartz4 zu beantragen.

@BTyker99

Natürlich sind Sprachbarrieren ein Problem, ein anderes, namentlich in der IT-Branche, dass man auch nicht notwendigerweise nach Deutschland ziehen muss, um für deutsche Unternehmen tätig zu werden.

Das gros der Zuwanderer wiederum hat eine berufliche Qualifikation deutlich über jener, die sie in der deutschen berufsausübung umsetze können. Auch das hängt vor allem an Sprachproblemen, betrifft aber die Nachfolgegeneration kaum noch.

@BTyker99

Ja, alles Lüge...:-/ Es lohnt nicht, sich mit Ignoranten auseinanderzusetzen, die ihre dümmlichen Thesen glauben, noch nicht einmal mit einer belastbaren Quelle dokumentieren zu müssen...