Sind Inkassogebühren von 138% der Hauptforderung möglich – Erkennt das Gericht eine Inkasso-Gebühr an, die mehr als doppelt so hoch ist wie die Rechnung?
Hallo Forum.
Ich habe folgenden Fall. Vielleicht weiß jemand Rat. Ich hatte eine 40 Euro Rechnung an die S-Bahn Berlin nicht rechtzeitig bezahlt und drei Tage nach Ablauf der Zahlungsfrist eine Rechnung über 94 € von Infoscore-Forderungsmanagement erhalten. Zu den 40 Euro kamen nämlich 54,00 hinzu, ausgezeichnet als “Inkassokosten aus Inkassoauftrag(Verzugsschaden §§ 280,286 BGB) analog §13 RVG i.V.m. VV: 1,0 Gebühr (Nr.2300 VV) 45,00 € zzgl. Auslagen(Nr.7002 VV) 9,00".
Selbstverständlich bin ich selbst Schuld, dass ich es überhaupt mit einem Inkassobüro zu tun bekomme, dennoch erschienen mir 54 € Gebühr bei einer Hauptforderung von 40 € übertrieben hoch zu sein und Recherchen im Internet schienen mir dies zu bestätigen. Also habe ich sogleich die Hauptforderung plus Zinsen und Porto überwiesen und im Verwendungszweck den Zusatz “Nur Hauptforderung + Briefporto + Zinsen“ dran geschrieben, damit diese Summe auch wirklich an die BVG geht und nicht etwa für die “Auslagen“ des Inkassobüros verwendet werden kann.
In einem Widerspruch an Infoscore (Einschreiben mit Rückschein) habe ich dargelegt warum mir deren Gebühr zu hoch erscheint. Ich bekam, wie zu erraten war, keine nach unten korrigierte Rechnung, sondern weitere Mahnungen. Stets wurde von „Forderung der S-Bahn- Berlin GmbH“ gesprochen, obwohl es sich ja eigentlich nur noch um die Forderung der Infoscore-Forderungsmanagement handeln kann, da die S-Bahn Rechnung ja beglichen wurde.
Jetzt ging die Sache an deren Hausanwälte Rainer Haas & Kollegen. Die Rechnung beträgt nun wieder 90,56 €, bestehend aus den 54 € Inkasso und zusätzlichen 37,80 € Rechtsanwaltskosten. In der Forderungsdarlegung sind auch die längst bezahlten -41,57 brav als Minusbetrag angegeben.
Nun meine Fragen an Euch. Liege ich richtig mit der Annahme, dass ich auf den Rechtsanwaltsbrief nicht reagieren sollte? Stimmt es, dass ich lieber erst auf einen eventuellen Mahnbescheid des Gerichtes antworten sollte? Und gehe ich Recht in der Annahme, dass auch das Gericht eine Inkasso-Gebühr, die mehr als doppelt so hoch ist wie die Ausgangssumme, nicht als angemessen erachten wird?
Noch könnte ich Haas und Infoscore einfach das Geld in den Rachen schmeißen, aber das sehe ich irgendwie nicht ein. Inkassogebühren gut und schön, aber selbst der Rechtsanwalt Haas jetzt hat nicht so hohe Gebühren veranschlagt wie Infoscore für ihren Brief. Ich habe 13 Euro als angemessene Gebühren gegoogelt, bis 25 € hätte ich nichts gesagt, aber 54? Nee, oder? Danke im Voraus für Eure Einschätzung.
7 Antworten

Rechnung beträgt nun wieder 90,56 €, bestehend aus den 54 € Inkasso und zusätzlichen 37,80 € Rechtsanwaltskosten.
Erstatte bitte sofort Strafanzeige wegen versuchten Betrugs gegen die Rechtsanwälte und gegen das Inkassobüro. Verbotene Kostendoppelung! Wird ein RA hinzugezogen fallen die Inkassokosten automatisch weg. Das ist höchstrichterlich bestätigt (VII ZB 53/05)
Zusätzlich Beschwerde an die Rechtsanwaltskammer und an das Aufsichtsgericht des Inkassobüros.
Liege ich richtig mit der Annahme, dass ich auf den Rechtsanwaltsbrief nicht reagieren sollte?
So ist es.
Stimmt es, dass ich lieber erst auf einen eventuellen Mahnbescheid des Gerichtes antworten sollte?
Korrekt.
Es gibt keine Rechtspflicht sich außergerichtlich zu äußern, noch entsteht dadurch ein Rechtsnachteil. Du hast deinen Willen erklärt und damit ist die Sache zu Ende, es sei denn es folgen Mahnbescheid oder Klage.
Und gehe ich Recht in der Annahme, dass auch das Gericht eine Inkasso-Gebühr, die mehr als doppelt so hoch ist wie die Ausgangssumme, nicht als angemessen erachten wird?
Die Bahn ist ein geschäftserfahrener Gläubiger und braucht keine Hilfe für sein Mahnwesen. Daher ist die einzig akzeptable Summe für Inkassokosten exakt: 0,- € (folgt aus §§ 254 BGB und 4 Abs. 5 RDGEG).
Noch könnte ich Haas und Infoscore einfach das Geld in den Rachen schmeißen, aber das sehe ich irgendwie nicht ein.
Vom Geld ausgeben ist noch niemand reich geworden.

Forderung nach nur zwei Wochen ohne Mahnung an Inkassobüro verkaufen
Ein Verkauf hat nicht stattgefunden. Es fehlt an der Urkunde hierzu (§ 410 BGB). Bei verkauften Forderungen entstehen keine Inkassokosten. Das Inkasso ist dann Gläubiger und handelt auch eigene Rechnung. Passiert aber mit nicht-titulierten Forderungen so gut wie nie.
aber das scheint nicht verboten zu sein
Es darf ein Inkassobüro eingeschaltet werden, sobald Verzug vorliegt. Ob das sinnvoll ist, ist eine andere Sache.
Wenn sie aber ein Inkassobüro beauftragen, müsste dieses doch das Recht haben eine Gebühr für seine Dienste zu verlangen.
Hat es auch, aber erst einmal vom Gläubiger, nicht vom Schuldner. Denn dieser erteilt den Auftrag. Ich kann ja auch schlecht Dinge für meine Firma kaufen und dann meinem Nachbarn sagen, du bezahlst die.
Ob der Schuldner, dann die Kosten des Gläubigers erstatten muss, ist eine andere Thematik.
Für den Gläubiger gilt die Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB). Er kann vom Schuldner nur jene Kosten erstattet verlangen, die notwendig und zweckdienlich waren. Ein Inkassobüro ist beides nicht.
- Erbringt es keine konkrete Rechtsberatung (darf es auch nicht, da das RVG dies ausschließlich den Rechtsanwälten vorbehält).
- Prüft es die Forderung meist nicht auf Rechtmäßigkeit - obwohl es das mittlerweile müsste
- Ist es nicht zur Vertretung des Auftraggebers im streitigen Verfahren berechtigt (auch dies ist den RAen vorbehalten). Im Falle einer Klage müsste also ohnehin wieder ein Anwalt hinzugeschaltet werden.
- Im Masseninkasso - wie es Großkonzerne gerne auslagern - stellen Inkassobüros ihre Kosten dem Gläubiger aber entweder nur als Flatrate in Rechnung oder arbeiten auf Erfolgsbasis. Wenn es also keinen finanziellen Schaden gibt der dem Gläubiger durch Beauftragung des IB's entsteht, mit welcher Grundlage sollte der Schuldner die Inkassokosten zahlen müssen?
Pokern die einfach und es klappt bei den meisten Menschen?
Natürlich. Inkassobüros leben von der Unkenntnis der Menschen. Viele glauben nur weil auf einem ein Brief von einem Inkassobüro kommt, ändert sich auf einmal die Rechtslage und eine strittige Forderung wäre auf einmal statthaft.
Wer eine berechtigte Forderung an dich hat, wird einmal mahnen, vielleicht zweimal. Danach folgt ein Brief vom Rechtsanwalt mit Ankündigung des MB's bzw. der Klageerhebung oder gleich die Klageschrift bzw. der Mahnbescheid.
Wenn ein Gläubiger partout die gerichtliche Auseinandersetzung scheut ist die Forderung meist recht haltlos und eine Klage würde vermutlich kostenpflichtig abgewiesen.

Prüft es die Forderung meist nicht auf Rechtmäßigkeit - obwohl es das mittlerweile müsste
Wie solles das auch außer sich die Rechnung vorlegen zu lassen. Machen Anwälte auch nicht... sonst müsste er ja Verträge, AGB und was weiß ich was prüfen für den Einzelfall... dann wären die Anwaltgebühren für ne 30€ Rechnung ja schon bei locker mal 1000€ aufwärts Anwaltsgebühren.

Bei uns In Frankfurt (viele Schwarzfahrer) ist es meines Wissens noch nie zu einer Klage expl wg vorgerichtlichen Inkassogebühren gekommen
Vorgerichtliche Inkassogebühren sind übrigens grundsätzlich nicht zusätzlich zu vorgerichtlichen Anwaltsgebühren zu zahlen
Eine Klage ist extrem unwahrscheinlich
Ich weis auch nicht ob es Sinn macht jetzt schon schriftlich die Forderung zurückzuweisen denn bei Infoscore/Haas handelt es sich um Dienstleister die im Masseninkasso tätig sind
Die werden wohl mit Bausteinbriefen antworten
Ergo : Auf den mahnbescheid warten und vollumfänglich fristgem und begründungslos widerspechen ( die 2 im Widerspruchsformular ankreuzen)

Also wenn Du streiten willst, würde ich mich gegen den Ansatz einer 1.0 Gebühr mit dem Argument wehren, daß ein Standard-Mahnschreiben als Schreiben einfacher Art angesehen werden muß und von daher nur eine 0.3 Gebühr gerechtfertigt ist.
Vgl. hierzu
RVG VV Nr. 2300, 2301

Es gibt nur entweder Inkasso oder RA-Gebühren, niemals beides!

Richtig, nur orientiert sich die Höhe der Inkassogebühr am RVG.
PS: Wobei ich den Ansatz in Deiner Antwort interessant finde, gleich richtig zurückzuschiessen, gefällt mir fast noch besser :-)

Richtig, nur orientiert sich die Höhe der Inkassogebühr am RVG.
Korrekt, schließlich steht es so auch im Gesetz (§4 RDGEG). Im Gesetz steht aber auch nicht ohne Grund ein "bis zu". Bedeutet: Die Schadensminderungspflicht muss im Einzelfall dagegen gehalten werden. Zudem gibt es da noch den Massen-Inkasso-Paragraphen (Absatz 5). Der Gesetzgeber hat vorgeschlagen das auf 10€ zu begrenzen.

Stets wurde von „Forderung der S-Bahn- Berlin GmbH“ gesprochen, obwohl es sich ja eigentlich nur noch um die Forderung der Infoscore-Forderungsmanagement handeln kann, da die S-Bahn Rechnung ja beglichen wurde.
Das ist ein Denkfehler da du ja keinen Vertrag mit dem Inkasso hast. Die Forderung kommt als Schadensersatz vom Gläubiger und das Inkasso treibt sie nur ein (in dem Fall den Schaden dem dem Gläubiger dadurch entstanden ist das er das Inkassobüro einschalten musste). Ob und in welcher Höhe der Schaden vor Gericht anerkannt werden ist nochmal ein anderes Blatt.

Hallo nochmal,
heute flatterte mir ein Mahnbescheid vom Gericht ins Haus. Auch wenn dieser die Hauptforderung mit auflistet, ein grober Fehler, da die schon längst beglichen wurde, beunruhigt mich die geradlinige Vorgehensweise. Hier und an anderer Stelle im Internet wurde ja vermutet, dass die Inkassofirma nicht soweit gehen würde.
Der Vordruck des Widerspruches gibt mir eigentlich nur die Möglichkeit ein Kreuzchen zu setzen und den Kram wieder abzuschicken. Wenn die Gegner jedoch Erfolg haben, erhöhe ich so nur meine Kosten. macht es Sinn unmd gibt es überhaupt die Möglichkeit, den Widerspruch gleich zu begründen? Ich zweifele gerade, ob ich die unverschämte Gesamtsumme nicht einfach hätte bezahlen sollen.

Die Kontonummer hatte gestimmt ?
Der MB ist logischeweise raus da der Geldeingang nicht eingemeldet wurde.
Nicht Dein Fehler

MB? Was meinst Du? Ja, der Eingang der hauptforderung wurde mir bestätigt und ist auch auf den vorgerichtlichen Mahnungen ausgewiesen.

Der Vordruck des Widerspruches gibt mir eigentlich nur die Möglichkeit ein Kreuzchen zu setzen und den Kram wieder abzuschicken.
So soll es ja auch sein.
Wenn die Gegner jedoch Erfolg haben, erhöhe ich so nur meine Kosten.
Dass im streitigen Verfahren für die Gegenseite keine Aussicht auf Erfolg besteht wurde bereits hinreichend dargelegt.
Der Widerspruch sollte auf keinen Fall begründet werden.

Okay, danke!

MB = Mahnbescheid , Du hattest gepostet das die von Dir überwiesene Summe nach wie vor im MB aufgelistet ist - Ist aber irgendwie unlogisch wenn im Vorfeld der geldeingang bestätigt wurde
Oder habe ich da was falsch verstanden ?

Im Vorfeld wurde mir in der Mahnung eine Rechnung aufgestellt. Und in der wird der Betrag als minus erwähnt. Aber ihre Gebühr für Inkasso und Rechtsanwalt wollten sie haben. Im MB vom Gericht haben sie die Zahlen ganz anders aufgeschlüsselt und der bereits bezahlte Betrag steht dort wieder als Vorderung. Ich hoffe, dass das ein gutes Zeichen für mich ist. Da wurde offensichtlich geschlampt. Könnte aber auch schlecht für mich sein, da es so erstmal so aussieht, als hätte ich nichts gezahlt. Ich könnte meine Zahlung zwar beweisen, aber so würde es erstmal vor Gericht landen und ich hätte den Ärger damit.
Vielen Dank für Deine ausführliche Antwort. Die Sache mit dem “geschäftserfahrenen Gläubiger“ versteh ich aber nicht. Die S-Bahn handelt zwar mies (Forderung nach nur zwei Wochen ohne Mahnung an Inkassobüro verkaufen), aber das scheint nicht verboten zu sein. Wenn sie aber ein Inkassobüro beauftragen, müsste dieses doch das Recht haben eine Gebühr für seine Dienste zu verlangen. Was passiert nun wenn ein Schuldner diese Gebühr als unverschämt erachtet, so wie ich? Die haben solche Fälle doch bestimmt täglich. Pokern die einfach und es klappt bei den meisten Menschen?