Nachteilsausgleich für ADHS Kinder

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo Mariechen11, ich kann deine Sorgen teilweise ganz gut nachvollziehen. :-)

Leider kenne ich als Schweizerin das Schulsystem in Bayern nicht. Trotzdem möchte ich meine Erfahrungen mit ADHS und Lernschwierigkeiten an dich weitergeben. Ich schreibe einfach mal drauf los, weil ich keine Ahnung über deine ADHS-Kenntnisse habe. Vielleicht kannst du etwas Nützliches für euch herauslesen. Bitte verstehe meine Worte nicht als Vorwurf oder Belehrungen, sondern einfach bloss als Anregungen. :-)

Mein 12-j. Sohn ist ein ADSler mit mittlerer Ausprägung und wurde vor ca. 3 1/2 abgeklärt, weil er in der 2. Klasse enorme Lernschwierigkeiten aufwies. Seit diesem Zeitpunkt erhält er medikamentöse Unterstützung, zuerst mit Ritalin Einzeldosis und nun seit längerer Zeit Ritalin SR, welches es sehr gut verträgt. Ich selber mache gute Erfahrungen mit Concerta, nachdem ich mich mit einigen anderen Präparaten unwohl fühlte.

Das wichtigste ist den passenden Wirkstoff, das passende Präparat und die richtige Dosierung zu finden. Unter Umständen kann das ein mühsamer Prozess werden, doch es lohnt sich! Eine gering überhöhte Dosis wirkt fast sedierend und eine noch höhere Dosis wiederum hypriger. Das oft erwähnte Gefühl "anders" oder "nicht-mehr-sich-selbst" zu sein, weist für mich eindeutig auf falsche Medikation hin, ebenso bei massiven Nebenwirkungen! Auch die Wirkungsdauer ist wie alles bei ADSler individuell sehr unterschiedlich. Habt ihr auch schon Amphetaminetropfen ausprobiert? Diese können viel genauer dosiert werden.

Doch auch die beste Medikation löst keine Probleme! Sie wirkt beim ADSler "bloss" innerlich beruhigend und bewirkt eine kontrolliertere Wahrnehmung. Wichtige Voraussetzungen um den Anforderungen erfolgreich nachkommen sowie sich selber und auch andere besser wahrnehmen und entsprechend reagieren zu können. Ohne Fleiss, kein Preis. ;-)

Wann wurde denn zuletzt der Eisenwert bei deinem Sohn kontrolliert? Ein Eisenmangel kann die ADHS-Symptome erheblich verstärken und sogar Depression verursachen. In diesem Fall helfen die Medis dann auch nicht mehr. Der Ferritin-Wert sollte auf jeden Fall über 100ng/ml sein, da solltest du unbedingt darauf bestehen!

ADHS selbst ist nicht mit Lern- oder Teilleistungsschwächen gleichzusetzen. Einige ADSler haben keine Lernschwierigkeiten und haben durchaus gute Noten (wie ich z. B. ;-). Andere haben LRS, Dyskalkulie und verzögerte Sprachentwicklung (wie mein Sohn ;-). Wiederum andere zeigen motorische Teilleistungsschwäche, sind hochbegabt - einfach die ganze Palette an Möglichkeiten wie Nicht-Adsler eben auch. Somit kann ich das Problem mit gezielter Förderung nicht erkennen. ??? Da musst du mir wohl auf die Sprünge helfen. ;-)

Jedoch gibt es schon einige grundsätzliche Unterschiede beim Lernverhalten. Der ADSler benötigt viel mehr Wiederholungen, bis das Erlernte dauerhaft im Gedächtnis abgespeichert wird. Oft sind sie eher der visuell-räumliche Lerntyp. Was für ein gutes Lernen allgemein wichtig ist, ist beim ADSler umso wichtiger. Eine vertrauensvolle Beziehung zum Lehrer ist für eine erfolgreiche Schulkarriere für den ADSler von immenser Bedeutung! Ebenso wichtig ist beim Lernen der Erfolg, der wiederum motiviert. Es gibt dazu eine Annahme, dass Teilleistungsschwächen infolge Überforderung, Misserfolg entstehen können.

Das Buch Lernen mit ADS-Kindern von Armin Born & Claudia Oehler hat meinem Sohn sehr geholfen, "seine" Lerntechnik zu finden. Er konnte damit den beträchtlichen schulischen Rückstand innert kurzer Zeit aufholen und geht nun sogar gerne zur Schule. :-) Falls du es nicht schon hast, kann ich dir dieses Buch nur wärmstens empfehlen. Darin erfährst du wie der Lernprozess im Gehirn funktioniert sowie allgemeine und konkrete Tipps zu Lerntechniken und -methoden. Eigentlich sollte jedes Schulhaus über dieses Buch verfügen. :-)

Wenn dein Sohn verständnisvolle Lehrer hat, kannst du aufgrund des Buches bestimmt einige Anpassungen bewirken. Vielleicht ist es möglich, vorerst einmal einige Aufgaben zugunsten des Erfolgserlebnisses zu reduzieren. Bei Schreibschwächen könntest du z. B. einige Schreibarbeiten übernehmen. ADSler brauchen gewöhnlich auch etwas länger Zeit, bis sie grösstenteils selbstständig arbeiten können. Deshalb solltest du dich nicht von seinem Alter beirren lassen und ihn noch fleissig unterstützen. Dasselbe sollte auch für die Lehrer gelten. Sobald er sich sicher fühlt, wird er von alleine auf eure Hilfe verzichten.

ADSler denken eher parallel wie linear. Deshalb ist es gut möglich, dass z. B. eine "simple" Aufgabe den ADSler verunsichern, ja sogar überfordern kann, weil er mehrere Interpretationen daraus entwickelt als andere. Deshalb sollte es deinem Sohn möglich sein, bei Bedarf ungeniert zu fragen. Bestimmt kann er euch selber auch noch nützliche Tipps geben. Gebraucht eure Phantasie, ihr werdet ziemlich schnell merken ob die Veränderungen erfolgsversprechend sind.

Ich wünsche dir noch viele hilfreiche Antworten und viel Erfolg! :-)

Buckskin  15.06.2011, 07:03

Hey Mariechen11, vielen herzlichen Dank für den Stern! freu

Ich hoffe sehr für euch, dass dein Sohn endlich die notwendige Unterstützung bekommt! Ebenso wünsche ich dir viel Mut, Geduld und Ausdauer für dein Engagement für deine family, es lohnt sich auf jeden Fall!

Liebe Grüsse aus der Schweiz! :-)

Das ist nicht einfach zu beantworten - ich gehe mal davon aus, dass es (falls es so etwas geben sollte) abläuft wie bei den Legasthenikern und anderen Lernstörungen. Ein guter Ansprechpartner diesbezüglich wären zunächst einmal der Beratungslehrer an dem Gymnasium oder die staatliche Schulberatung:

http://www.schulberatung.bayern.de/schulberatung/index.asp

Hier findet man sehr viele Informationen!

Eine weitere Frage ist natürlich, ob man an Ritalien vorbeikommen wird. Ich kenne die Vor- und Nachteile!

Cebi1  11.06.2011, 18:52

Zu dem Psychopharmaka Ritalin möchte ich noch sagen, dass die Kinder extrem ruhig werden (verändert ihr Wesen) , aber sie können sich dafür im Unterricht wesentlich besser konzentrieren und schreiben bessere Noten! Tja - das ist eine schwere Entscheidung!

Ich habe bereits einen Beitrag dazu geschrieben:

http://www.schukiju.de/adhs.html

Am Ende meines Artikels sind auch noch Links die weiterhelfen können!

Viel Erfolg! (:

Mariechen11 
Fragesteller
 12.06.2011, 02:10
@Cebi1

Danke für deinen Kommentar. Mein Sohn bekommt schon seit 6 Jahren, Medikinet, Concerta etc. Das mit dem Einstellen ist ja auch so ne Sache. Da gibt es permanente Höhen und Tiefen. Depression und viele andere Veränderungen.Im Moment merke ich, dass das Wachstum gebremst wird. Er ist jetzt 12 Jahre alt und die Kinder wachsen ihm über den Kopf.weiterhin deck die Medikation nicht alle Erscheinungen des ADHS ab.Deshalb wäre es nur selbstverständlich dem Kind einen Nachteilsausgleich, 7 min. mehr Zeit bei Probearbeiten, zu geben

Gruß

Mariechen

Cebi1  14.06.2011, 22:49
@Mariechen11

Wünsche euch, dass ihr diesen erhofften Ausgleich erhaltet!

Mariechen11 
Fragesteller
 12.06.2011, 02:01

Hallo und Danke für den Link.

Das Problem ist das Legasthenikern der Nachteilsausgleich gewährt wird, wahrscheinlich eine interne Absprache zwischen den Rektoren in Bayern. Bei ADHS, welches ein extremeres Krankheitsbild darstellt, habe ich keine Chance. Beratungslehrer, etc. habe alles durch. Ich kämpfe jetzt seit 2 Jahren. Im Gesetz spricht man nur von Behinderung. Welche Art dabei berücksichtigt bleibt, obligt anscheinend dem Rektor. Der hält sich natürlich die ADHSler vom Leib. Da gibt es natürlich zu viele, ergo wachsen jetzt die Legastheniker aus dem Boden wie die Pilze.Aber wer stempelt sein Kind zum legastheniker um sein Ziel zu erreichen. Mir ist das zuwider. Die wenigsten Eltern kämpfen dafür. Man könnte ja negativ auffallen. Schade!

LG

Mariechen

Cebi1  14.06.2011, 23:11
@Mariechen11

Ich gehe jetzt mal davon aus, dass Du mit dem Rektor schon gesprochen hast.

Ich sehe vor allem ein ein Problem, das liegt in der Art des Nachteilsausgleich. Denn ich kenne einen Fall von einem Mädchen, dass eine leichte Behinderung hatte und da ist es so, dass ein Arzt festsetzt in wie weit der Ausgleich gehen soll, z.B. 10 % Zeitzugaben bei schriftlichen Arbeiten. Denn nur wenn so ein Gutachten von einem Arzt vorliegt, kann der Rektor was damit anfangen! Er kann das ja nicht aus dem Bauch heraus entscheiden!

Sprecht da einmal mit eurem Arzt darüber oder lasst euch eine Überweisung zu einem Spezialisten geben.

Das mit den Legasthenikern wurde so weit ich weiß von der Kultusministerkonferenz beschlossen - aber das gilt für ADHS auch und man kann es ja gut mit einer Behinderung gleichsetzten. Das machen Eltern schon, aber nur wenn es nicht anders geht, denn Legasthenie bzw. LRS ist auch schlimm, aber natürlich nicht zu vergleichen mit ADHS.

Sollte der Schulleiter nach dem Gutachten immer noch mauern könntest Du eventuell noch den entsprechenden Ministerialbeauftragten für Gymnasien einschalten, den gibt es für jeden Regierungsbezirk.

Also so müsste das aber klappen!

Mariechen11 
Fragesteller
 19.06.2011, 00:13
@Cebi1

Guten Abend , vielen Dank, dass du nochmal geschrieben hast. Ja ich war beim Rektor, mit Attesten vom Facharzt. Der rät dringend dem Kind einen Nachteilsausgleich einzuräumen, da durch die Medikation, sich ja auch die gesammte Motorik verlangsamt. Das heißt er geht in jede Klausur mit klopfendem Herzen. Die Ticks sind offensichtlich. Der Rektor hat das letzte Wort. Er kann also und nur er, so sagt der Facharzt, die Genehmigung hierfür erteilen.Diese Antwort bekam ich auch vom Kultusministerim in München.

Das mit dem Ministerialrat habe ich mir auch schon überlegt. glaube aber nicht, dass er eine Entscheidung über den Kopf des Rektors hinweg trifft.

Mir wurde auch schon angeboten, dem Kind eine Legastenie bescheinigen zu lassen, dann wäre doch der Stress vorbei. Genau das, denke ich, tun einige Eltern. Das kann es nicht sein.Bist Du etwa Elternbeirat? Würde mich interessieren.

Gruß

Mariechen

Cebi1  19.06.2011, 11:28
@Mariechen11

Ich bin von Beruf Lehrer! (;

Der Ministerialbeauftragte bringt dann auch nichts, da er ja zwischen KM und Schulleiter steht und deshalb sicher auch nichts unternimmt. Sie wollen einfach nicht! Leider!

Ich finde es sehr traurig, dass Eltern zu dem Trick mit der Legasthenie-Bescheinigung greifen müssen. Jetzt verstehe ich erst, wieso es in der Schule so viele Schüler gab, die zwar eine Bescheinigung hatten, aber doch relativ gut schreiben konnten!