Kann das Inkassobüro seine Kosten einklagen?
Ich habe hier ein bisschen meine Schwierigkeiten mit folgendem, natürlich hypothetischen, Sachverhalt:
Der Schuldner S schuldet dem Gläubiger G, einem Verkehrsunternehmen, unbestritten 40 Euro aus einer Vertragsverletzung an Tag 1. Ihm wird dazu eine Zahlungsaufforderung ausgehändigt. Dort ist auch ein Datum genannt: "Überweisen Sie bitte (...) den Betrag bis zum Tag 14 an das Inkasso-Unternehmen I. Sollten Sie in Verzug geraten, so gehen die zusätzlich entstehenden Kosten zu Ihren Lasten". S bringt bereits mündlich zum Ausdruck, dass er die Angelegenheit zunächst noch einmal prüfen wird.
An Tag 27 überweist nun der S schließlich die geforderten 40 Euro an die I. Damit hält er die Angelegenheit für abgeschlossen.
An Tag 29 geht ein Schreiben, datiert vom Tag 26, bei S ein. Darin fordert die I einen Gesamtbetrag von 94 Euro und ein paar Cent, der sich zusammensetzt aus der Hauptforderung, Inkassokosten (45 Euro), Auslagen (9 Euro) und den Zinsen auf die Hauptforderung ab Tag 22. Da S die Hauptforderung inzwischen beglichen hat, hält er das Schreiben für gegenstandslos.
An Tag 34 erhält S ein weiteres Schreiben von I, datiert von Tag 30. Daraus geht hervor, dass I den Eingang der geleisteten Zahlung verbucht hat, jedoch weiterhin 54 Euro und ein paar Cent fordert.
S widerspricht daraufhin schriftlich der Forderung:
- Zunächst stellt S klar, dass seine Zahlung von Tag 27 ausschließlich zur Begleichung der Hauptforderung zu verwenden ist.
- Er erklärt, er habe sich nicht im Verzug befunden, da ihm keine Mahnung zugegangen sei. Ein einseitig vom Gläubiger festgelegter Zahlungstermin entspreche nach gängiger Rechtsprechung nicht den Voraussetzungen von §286 II BGB, nach denen keine Mahnung erforderlich wäre.
- Davon abgesehen könne es sich selbst dann nicht um vom Schuldner zu tragende Verzugskosten handeln, denn die I war ja offenbar bereits vor Eintritt des Verzugs beauftragt worden. Verzugskosten könnten aber nur solche Kosten sein, die erst durch den Verzug entstehen.
- Weiterhin argumentiert S, der G habe durch die Einschaltung der I gegen seine Schadensminderungspflicht nach § 254 II BGB verstoßen. Als geschäftserfahrenes Unternehmen hätte G zunächst versuchen müssen, die Schuld über das kaufmännische Mahnverfahren selbst einzutreiben.
- Im Übrigen hält S die geforderten Kosten für ein einfaches Zahlungserinnerungsschreiben für zu hoch.
S kündigt an, auf weitere Schreiben der I oder ihrer Anwälte nicht mehr zu reagieren, und gegen einen gerichtlichen Mahnbescheid Widerspruch einzulegen.
Die I versendet in den folgenden Wochen noch mehrere Schreiben an S, die alle unbeantwortet bleiben. Beim zuständigen Amtsgericht wird daraufhin ein Mahnverfahren eingeleitet. Dem Mahnbescheid widerspricht S vollumfänglich.
I erwägt nun, die Schuld einzuklagen. Hat sie damit Erfolgsaussichten?
5 Antworten

Hat sie damit Erfolgsaussichten?
Ich würde hier nein sagen und gehe in allen deinen Punkten mit. Einziger Knackpunkt wäre für mich §367 (1) BGB; das dürfte aber weg fallen, da die Inkassogebühren mangels Verzugs zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht hätten anfallen dürfen

Auf jeden Fall ist die Vertragsklausel "Sollten Sie in Verzug geraten, so gehen die zusätzlich entstehenden Kosten zu Ihren Lasten" schlichtweg unwirksam, da einseitig benachteiligend. Man kann nicht einfach so pauschal einem Verbraucher gegenüber sämtliche Kosten abdrücken wollen. Das wurde schon in hundertfachen Variationen versucht und stets ist man letztendlich vor Bundesgerichtshof damit gescheitert (wenn es denn jemals so weit ging).
Man muss dem Verbraucher stets eingestehen, dass er nachweisen darf, dass der tatsächliche Schaden niedriger sei. Die Schadensminderungspflicht (§254 BGB) darf nicht durch solche Klauseln ausgehöhlt werden.

eine Argumentation mit §367 I, um eine strittige Nebenforderung durchzusetzen, halte ich für ziemlich ausgeschlossen.

I erwägt nun, die Schuld einzuklagen. Hat sie damit Erfolgsaussichten?
Nein. Deine Argumentation ist stichhaltig und nachvollziehbar. § 254 BGB und § 4 Abs. 5 RDGEG finden uneingeschränkt Anwendung.
Die Ansprüche des Gläubigers sind befriedigt. Das Inkassobüro könnte für diesen ohnehin nicht klagen.
Also würde ich abwarten ob tatsächlich eine Klageschrift folgt und für den Fall einen entsprechenden Anwalt bemühen eine Klageerwiderung mit eben dieser Kernargumentation vorzubringen.

§4 RDGEG besagt ja gerade, dass die gebühren verlangt werden könnten (sofern sie denn überhaupt gefordert werden könnten), die einem rechtsanwalt zuständen. hier könnte man möglicherweise argumentieren, dass für eine so einfache tätigkeit wie in diesem fall nur ein faktor von 0,3 statt 1,0 oder 1,3 angemessen wäre. die dort genannte deckelung wurde vom justizministerium bisher nicht beschlossen.

Kleiner Tipp am Rande, ohne dass ich Namen nennen will:
Die Kontonummer, auf die die 40€ zu überweisen sind, dürfte dieselbe sein, auf die das Inkasso I seine Zahlung haben will.
Wieso ist das so? Von Anfang an ist bereits der Großkonzern, der hinter I steht, mit der Abwicklung beauftragt. Bedeutet: Die Mehrkosten fürs Inkasso I befinden sich nur auf dem Papier. Das sind pure Erfindungen für zusätzlichen Reingewinn. Das sind keinerlei Schäden, die irgendwer zu vertreten hat... ;-)

Ich würde mal behaupten, dass der Gläubiger gute Chancen hat, sein Geld einzuklagen. Zahlungsziel wurde klar genannt und nicht eingehalten. Zahlungserinnerungen und Mahnungen müssen nicht zwangsweise verschickt werden, also hat der Gläubiger alles richtig gemacht.

Zahlungsziel wurde klar genannt und nicht eingehalten.
Das rechtfertigt aber keinen Verzug
Zahlungserinnerungen und Mahnungen müssen nicht zwangsweise verschickt werden, also hat der Gläubiger alles richtig gemacht.
Lies dir doch einfach mal den §286 BGB durch. Der Fragesteller hat eigentlich schon alles dazu richtig erklärt

Ich würde mal behaupten, dass der Gläubiger gute Chancen hat, sein Geld einzuklagen.
Der Gläubiger ist befriedigt. Er hat seine 40,- € erhalten. Wenn das Inkasosbüro nicht einverstanden ist den eingegangen Betrag wie gefordert mit der Hauptforderung zu verrechnen muss es das Geld zurücküberweisen (§ 367 Abs. 2 BGB) sonst macht es sich ggf. wegen Unterschlagung (§ 246 StGB) strafbar.
Zahlungsziel wurde klar genannt und nicht eingehalten.
Das Zahlungsziel muss vertraglich oder gesetzlich vereinbart werden und kalendertechnisch eindeutig bestimmbar sein, damit eine Mahnung obsolet ist.
Automatischer Verzug nach 30 Tagen kann auch nur eintreten wenn darauf bei Rechnungsstellung eindeutig hingewiesen wurde, gab es hier eine Rechnung? Ich empfehle § 286 BGB noch einmal genau zu lesen.

Bei uns in Frankfurt ( viele Schwarzfahrer) wurde noch nie expl wg vorgerichtlichen Inkassogebühren geklagt
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch §309 Nr.4 BGB.