Ist dieses Arbeitszeugnis noch als mittelmäßig anzusehen oder eher schlecht?

7 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Man kann ein Arbeitszeugnis nur dann richtig beurteilen, wenn man es vollständig liest.

Zu dem kurzen Ausschnitt folgende Anmerkungen:

  • "Frau S. hat sich in den ihr gestellten Aufgabenbereich eingearbeitet": Das ist ja wohl selbstverständlich. Es fehlt eine Info darüber, wie schnell und wie gut. Mit diesem Wortlaut klingt das nach: hat lange gedauert, bis sie es kapiert hat.
  • "Sie hat die ihr übertragenen Aufgaben stets mit großer Umsicht und pünktlich zu unserer Zufriedenheit erledigt": Zu unserer Zufriedenheit entspricht der Schulnote 4. Pünktlich bedeutet so gerade noch rechtzeitig.
  • "Die Qualität ihrer Arbeitsergebnisse erfüllte in vollem Umfang die an sie gestellten Anforderungen": Heißt soviel wie: Wir haben auch nicht viel von ihr erwartet.
  • "Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden war stets einwandfrei": Das ist das einzige, was an diesem Zeugnis gut ist.
  • "Frau S. verlässt unser Unternehmen zum 30.09.2014": Hier fehlt der Grund. So klingt das nach einem Ar***tritt.
  • Kein Bedauern, dass du das Unternehmen verlässt. Mit anderen Worten: Schade dass sie nicht schon früher gegangen ist.
  • Keine Erfolgswünsche. Normalerweise schreibt man sinngemäß "wir wünschen ihr weiterhin viel Erfolg." So heißt das: sie hatte keinen bei uns und wird wohl auch im nächsten Job keinen haben.

Letztlich kann man also schon aus diesem Ausschnitt erkennen, dass dein AG offenbar nicht sehr zufrieden war, ein vernichtendes Urteil. So ist das Zeugnis nichts wert, nicht viel mehr als Altpapier.

ABER: Ich kann natürlich nicht einschätzen, ob der AG das bewusst so geschrieben hat oder ob er vom Zeugnisschreiben einfach nur keine Ahnung hat. Auf jeden Fall solltest du dieses Zeugnis umgehend beanstanden.

Das Zeugnis ist ziemlich schlecht.

Frau S. hat sich in den ihr gestellten Aufgabenbereich eingearbeitet
  • Weder "schnell" noch "problemlos" - hat also ziemlich lange gedauert, bis sie begriffen hat worum es geht.
und verfolgte die vereinbarten Ziele mit Fleiß und Ausdauer.
  • verfolgte - erreichte sie aber nicht
  • die vereinbarten Ziele - und nur diese, zeigte keine Initiave
  • mit Fleiß und Ausdauer - aber ohne Erfolg
Sie hat die ihr übertragenen Aufgaben stets mit großer Umsicht und pünktlich zu unserer Zufriedenheit erledigt.
  • die ihr übertragenen Aufgaben - und nur diese, nochmals ein Hinweis auf mangelnde Initiative
  • stets mit großer Umsicht - Erbsenzähler
  • pünktlich - immer auf den letzten Drücker
  • zu unserer Zufriedenheit erledigt - also akzeptabel
Die Qualität ihrer Arbeitsergebnisse erfüllte in vollem Umfang die an sie gestellten Anforderungen.
  • die an sie gestellten Anforderungen - wir haben keine hohen Anforderungen gestellt.
Ihr Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Kunden war stets einwandfrei.

Das ist zumindest OK.

Frau S. verlässt unser Unternehmen zum 30.09.2014.

Wir haben sie rausgeworfen

Wir danken Frau S. für die erbrachte Leistung und wünschen ihr für die Zukunft weiterhin alles Gute.
  • Kein Bedauern - wir sind froh, die los zu werden
  • Keine Erfolgswünsche - hat auch im nächsten Job keinen

Notenmässig: 4-5

Yandira 
Fragesteller
 04.11.2014, 15:54

Ein besonderes Dankeschön für deine Antwort. Du scheinst dich mit Zeugnissprache sehr gut auszukennen!

Es gibt ne Internet Seite wo du dein arbeitszeuniss hin schicken kannst und Leute die sich damit auskennen es lesen und dir eine Rückmeldung geben auch noch kostenlos ( man kann sein arbeitszeuniss auch selber schreiben wenn man nicht einverstanden ist zumindest in der Zahntechnik)

Frau S. war bei uns angestellt und hat auch gearbeitet. Mit mehr oder minderen großem Erfolg. Manchmal etwas langsam, aber am Ende ging es doch.

Verhaltensmäßig war nix auszusetzen. Ihre Aufgaben erfüllte sie mit einigen anschubsern und Nachbesserungen.

Wir bedauern nicht das sie den Betrieb verlässt.

So lese ich dieses Zeugnis.

verreisterNutzer  04.11.2014, 15:55

So lese ich die Fragmente auch, die hier eingestellt wurden - in den anderen Teilen (bzw. in der anschließenden Gesamtschau) können sich noch schlechtere Bewertungen verbergen, denn:

Grundsätzlich kann man ein Arbeitszeugnis nur bewerten, wenn man es insgesamt liest, die Branche sowie die weiteren Umstände / Hintergründe der Ausstellung usw. kennt. Ein Zeugnis beginnt mit dessen Überschrift und hört mit dem Ausstellungsdatum bzw. den Unterschriften auf. Überall (insbesondere durch die Reihenfolge der Tätigkeiten sowie durch Aus- und Weglassungen) können sich versteckte Hinweise im Rahmen der immer noch zwischen den Arbeitgebern praktizierten sog. "geheimen Zeugnissprache" befinden.

Die hier eingestellten Fragmente wurden so fasst, dass sie sowohl inhaltlich als auch stilistisch zu verbessern sind.

Fazit: Ohne den Rest des Zeugnisses zu kennen, sind diese Passagen für mich Bestandteil eines schlechten Zeugnisses, das in keiner Weise für das berufliche Fortkommen geeignet ist. Es ist daher in geeigneter Form zu reklamieren.

Um dies in Angriff zu nehmen, empfehle ich Dir zunächst, das Zeugnis hier noch einmal vollständig (!) einzustellen.