Ist die Frist eingehalten, wenn der Brief bei der falschen Behörde fristgerecht ankommt?

4 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Wenn Du die Klage beim örtlich unzuständigen Gericht anhängig gemacht hast, wird das örtlich unzuständige Verwaltungsgericht durch Verweisungsbeschluss seine eigene Unzuständigkeit erklärt, und die Klage an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht verwiesen haben.

In einem solchen Fall ist die Klagefrist gewahrt - und zwar auch dann, wenn der Verweisungsbeschluss erst nach Ablauf der Klagefrist gefasst wurde, und die Unterlagen damit erst später beim richtigen Gericht eingehen. Das ergibt sich aus § 83 VwGO der auf die §§ 17 bis 17b GVG verweist. Das gleiche gilt, wenn die Klage vor dem instanziell unzuständigen Gericht eingelegt wird (Bsp.: A erhebt gegen den ihm zugestellten Bescheid fristgemäß Klage vor dem Amtsgericht, was die Sache wegen Unzuständigkeit an das Verwaltungsgericht verweist). Die Rechtsunkenntnis des Bürgers soll damit ausgeglichen werden, vor allem soll er nicht durch Verweisungsstreitigkeiten der Gerichte Gefahr laufen, Fristen zu versäumen, weil er die Klage vor dem falschen Gericht anhängig gemacht hat und das Gericht lange braucht um die eigene Unzuständigkeit festzustellen (siehe auch: Beck'scher Online-Kommentar VwGO, § 74, Rn. 25; VGH Mannheim NVwZ-RR 1989, 512, 513).

Anders sieht es aus, wenn ein Adressierungsfehler vorliegt. Wenn also jemand die Klage an Gericht A adressiert, sie aber versehentlich doch an das (falsche) Gericht B schickt. Oder wenn die Klage zwar an das richtige Gericht B gesendet wird, aber an das falsche Gericht A adressiert ist. Dauert die Weiterleitung dann zu lange, geht das zu lasten des Klägers. Teilweise wird aber auch in diesen Fällen die telefonische Mitteilung an das richtige Gericht über den Fehler und den wesentlichen Inhalt des Rechtsmittels als ausreichend zur Fristwahrung betrachtet (vorausgesetzt bei Gericht wird darüber ein Aktenvermerk angelegt) (dafür: OLG Zweibrücken NJW 1982, 1008). Auch die Klageerhebung bei der Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde ist im Übrigen zur Fristwahrung nicht ausreichend, wenn die Klageschrift erst zu spät ans Gericht weitergeleitet wird..

Hallo Mindermeinung ;-)

Das mit der "Rechtsunkenntnis des Bürgers" gefällt mir sehr gut, das will ich einbauen. Ich persönlich war mit § 17 GVG etwas überfordert, ich konnte deine Lösung da selbst nicht so herauslesen, aber es klingt an sich doch schlüssig.

Danke auch für den Verweis auf die Rechtsprechung, allerdings habe ich derzeit zuhause keinen Zugang dazu, aber das kann ich morgen in der Bib dann ja nachholen.

Noch einmal vielen Dank für deine ausführliche Antwort.

@bianchaneunzehn

§ 17a Abs. 2 S. 1, 2 ordnet an, dass bei Wahl des unzulässigen Rechtswegs von Amts wegen auf den zulässigen verwiesen wird.

§ 17b Abs. 1 Satz 2 GVG bestimmt das Fortbestehen der Rechtshängigkeit

§ 74 VwGO stellt auf die fristgemäße Klageerhebung ab. Gem. § 81 VwGO ist Klage erhoben, wenn sie dem Verwaltungsgericht zugegangen ist. In § 90 VwGO wird angeordnet, dass die Streitsache mit Klageerhebung Rechtshängig wird.

§ 83 VwGO verweist hinsichtlich örtlicher und sachlicher Zuständigkeit auf §§ 17 - 17b GVG und ordnet die entsprechende Anwendung an.

Daraus kann man ableiten: ist Klage erhoben, ist die Sache Rechtshängig - und damit die Frist grundsätzlich gewahrt. Wird dann festgestellt, dass die Klage unzulässig ist, weil z.B. das örtlich unzuständige Gericht gewählt wurde, wird gem. § 17a Abs. 2 S. 1, 2 GVG auf den zulässigen Rechtsweg verwiesen. Dabei bleiben die Wirkungen der Rechtshängigkeit (und damit auch die Fristwahrung) aber eben bestehen ( § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG).

Viel Glück & Erfolg ;-)

@Mindermeinung

Ein Problem seh ich dann doch noch: § 17b I GVG besagt, dass der Rechtsstreit mit Eingang der Akten bei dem im Beschluss bezeichneten Gericht anhängig wird. Das bedeutet, er würde anhängig werden, sobald er beim richtigen Gericht ankommt. Da es beim richtigen Gericht aber verfristet ankommt, würde es nicht anhängig werden. Oder sehe ich das jetzt falsch?

Ich geh jetzt eh gleich in die Bib, dann arbeite ich mich in die Anhängigkeit mal rein, vielleicht erschließt es sich mir dann von selbst.

@bianchaneunzehn

Ja, er wird dort anhängig. Das ändert aber nichts an der bereits bestehenden Rechtshängigkeit. Das sind unterschiedliche Begriffe. ;-)

@Mindermeinung

So, hat sich alles erklärt. Vielen Dank für deine Hilfe.

Wenn es ein Gericht des gleichen Bezirks ist, reicht es.

Ebenso ein Finanzamt, wenn man ein anderes Finanzamt meint.

Nur Gerichtspost an ein Finanzamt schicken geht nciht.

https://www.haufe.de/recht/weitere-rechtsgebiete/prozessrecht/berufungsbegruendung-an-falsche-gerichtsadresse-geschickt_206_106958.html

Hätte ich vielleicht erwähnen sollen: Brief geht an das Verwaltungsgericht München, zuständig wäre das Verwaltungsgericht Regensburg gewesen. Unterschiedliche Bezirke, gleiche sachliche Zuständigkeit.

Der Link hilft mir leider nicht weiter, da das Problem nicht war, dass versehentlich eine falsche Adresse draufgeschrieben wurde, stattdessen wurde verkannt, dass es ein Verwaltungsgericht in Niederbayern gibt, demnach "müsste ja wohl München immer zuständig sein".

Nein ist es nicht da du den fehler gemacht hast und es an das falsche gericht geschickt hast. Die behörde hat ihr bestes getan aber letztendens bist du schuld .

Gilt das in jedem Fall oder nur, wenn ich einfach zu faul war, es an das richtige Gericht zu schicken.

Wenn ich also einfach nicht das richtige Gericht weiß und nicht herausfinden konnte, ist es dann trotzdem noch zu meinen Lasten?

Das ist ganz eindeutig und durch unzählige Rechtsprechung entschieden: Dein Fehler = dein Problem. Falsches Gericht = keine Fristwahrung !

Hm, unzählige Rechtsprechung? Ich suche schon seit Stunden.

Das ärgert mich nämlich, weil dann die Zulässigkeit mangels Fristwahrung nicht gegeben ist und ich hilfsgutachterlich weiter prüfen müsste. Das kann eigentlich nicht sein, da ich mir sehr sicher bin, dass das so nicht gewollt war.

@bianchaneunzehn

Möglicherweise kommst du irgendwie zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand?

@bianchaneunzehn

Das kann eigentlich nicht sein, da ich mir sehr sicher bin, dass das so nicht gewollt war.

Doch, das ist so gewollt ! Egal ob Verwaltungsakt, Widerspruchsbescheid oder Bußgeldbescheid. Es steht immer eine Rechtsbehelsbelehrung drunter, die dir erklärt, wo du in welcher Frist ein Rechtsmittel einlegen kannst.

Aus Gründen der Rechtssicherheit muss das zuständige Gericht am Tag nach Fristablauf erkennen können, ob Klage, Beschwerde, Berufung etc. eingelegt ist oder ein Beschluss rechtkräftig ist. Es dürfte doch nicht sein, dass das Gericht noch Wochen auf eventuelle Irrläufer warten muss. Wann soll denn Schluss sein ? Nein, das ist alles längst entschieden.

@Geochelone

Es war eine öffentliche Bekanntgabe, zwei Wochen später galt der VA als bekanntgegegeben, dann wurde er somit umgesetzt. In der Zeit war der Kläger im Urlaub.

Wie dein Vorsprecher schon sagte: Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, da könnten immer eventuelle Irrläufer daherkommen. Deswegen ist mit Fristablauf nicht immer zu 100 Prozent klar, dass alles rechtskräftig ist.

Mein Fehler allerdings, hätte den Fall wohl doch genauer schildern müssen.

@Geochelone

Auf Irrläufer muss es nicht unbedingt warten - also bei Adressierungsfehlern. Aber selbst das ist umstritten.

Bei Klageerhebung vor dem örtlich oder instanziell unzuständigen Gericht ist die Sache jedoch schon rechtshängig. Es wird dann nur noch ans richtige Gericht verwiesen. die Frist ist gewahrt. Siehe oben. ;-)

Das gilt auch dann, wenn ich entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung Klage nicht vor dem dort bezeichneten Gericht erhebe, sondern die Klage vor einem anderen Gericht erhebe.