Gilt denn immer §1 StVo: "Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht"?
Kennt ihr das auch?
Ein Beispiel aus meiner Stadt, denn an diesen Fahrspuren entbrennt jeden Abend ein typisch deutscher Kleinkrieg.
Die linke Fahrspur ist voll, es wird Richtung Innenstadt/Zentrum angezeigt.
Die rechte Fahrspur ist leer, kaum einer will in Richtung Autobahn.
Auf der rechten Spur jagen tagtäglich sehr schlaue Fahrzeuglenker bis kurz vor die Ampel, um dann wild entschlossen und ziemlich rüde auf die volle linke Fahrspur zu drängeln.
Da seit 3km angezeigt wurde, welche Fahrbahn wohin führt, unterstelle ich den meisten Fahrern, dass sie ihren persönlichen Zeitvorteil auf Kosten aller anderer Autofahrer verschaffen wollen, denn die müssen abrupt abbremsen.
Muß ich in so einem Fall gemäß Paragraph 1 StVo immer Nachsicht üben?
8 Antworten
Muß ich in so einem Fall gemäß Paragraph 1 StVo immer Nachsicht üben?
Von Nachsicht ist im Gesetz nicht die Rede.
Ist es aber nicht ein Armutszeugnis, dass der Gesetzgeber Dinge, die eigentlich für jeden Menschen selbstverständlich sein sollten, in ein Gesetz fassen muss?
Da es aber nicht möglich ist "Vorsicht" und "Rücksicht" allgemeingültig zu definieren wäre es im Fall eines Rechtsstreites notwendig, einen Verstoß gegen diese unbestimmten Rechtsbegriffe im Einzelfall eindeutig und unzweifelhaft nachzuweisen.
Das ist nicht nur extrem aufwändig sondern dürfte in nahezu allen Fällen sogar unmöglich sein.
Es bleibt Dir also nichts anderes übrig Dich weiterhin zu ärgern oder das Ganze mit stoischer Ruhe zu ertragen.
...Jain. Würde ich ja gerne. Ich wurde vom Hintermann bedroht, weil ich einen Drängler reingelassen habe. Fahr mal Auto, die haben alle einen leichten Knall bei uns.
Ja, Deutschland ist ein Land voller Lehrer und Schulmeister.
Es ist erlaubt, bis zur Trennung der beiden Spuren auf der Einen zu fahren und dann auf die andere zu wechseln. Daher ist dieses Verhalten nicht zu beanstanden.
Es ist nicht zulässig, den Verkehrsteilnehmer, der sich einfädeln will, zu blockieren. Hier gilt in der Tat das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme.
Nun gehöre ich zu den Menschen die das macht. Was glaubst Du haben die hinter mir herfahrenden Autos gemacht? Vom knappen Spurwechsler kam kein Dank, dafür gab es ein Hupkonzert mit Mittelfinger von den Hintermännern. Geschichte? Nein, Alltag im Straßenverkehr in einer deutschen Großstadt.
§ 1 StVO wird im Rahmen der Abwägung nach § 7 StVG herangezogen, wenn bei Betrieb eines KFZ ein Unfall zwischen 2 Fahrzeugen stattfindet. Nach der Rechtsprechung haftet auch der, der den Unfall nicht verursacht hat aus Betriebsgefahr in Höhe von 20%. Die Betriebsgefahr tritt dann zurück, wenn die Verursachung des Schädigers so gravierend ist, dass die Betriebsgefahr zurücktritt. Dann kann man mit § 1StVO argumentieren.
§ 1 StVO kann aber in deinem geschilderten Fall auch zu deinem Nachteil ausgelegt werden. Denn gerade die Rücksichtnahme erfordert es, dass man Falschabbieger einfädeln lässt.
Die haben andere Dinge zu tun: Sich nämlich um die Aufnahme der Unfälle zu kümmern:-)
Wie soll denn die Polizei präventiv tätig werden? Gegen jeden der Falsch abbiegt ein OWI-Verfahren einleiten? Es gibt ja auch viele ortfremde Menschen. Grundsätzlich ist es legitim die Spur bis zum Ende auszufahren, bis der Abbiegerpfeil kommt. Klar ist dies ärgerlich, aber bei Autobahnen ist es auch an der Tagesordnung hinsichtlich Baustellen und einfädeln.
Wobei auch beim Einfädeln auf Autobahnen ein allgemeiner Irrtum herrscht. Das Einfädeln soll dort erst am Ende der Spur stattfinden und nicht vorher, da der Verkehr sonst noch mehr stockt. Der ADAC hat dazu ein ganz gutes Video veröffentlicht ;-)
@ Werter skibbadee. Bei allem was Du schreibst habe ich überhaupt gar nichts dagegen einzuwenden, im Gegenteil ich bin vollkommen der gleichen Ansicht.
Leider aber gewinne ich immer mehr den Eindruck, dass unsere Gesetzgebung es zulässt, dass diejenigen die sich anständig im Straßenverkehr verhalten permanent durch diejenigen übervorteilt werden, die sich unanständig bis untragbar verhalten.
Aus meinen Erfahrungen im Alltag heraus bin mir sehr sicher, dass zu wenig gegen das wachsende Aggressionspotential auf deutschen Straßen unternommen wird.
Eine ähnliche Situation gibts hier auch, bloß ist da die linke Spur die freie und rechts staut sich alles.
Nach meiner subjektiven Empfindung sind es vor allem Männer zwischen 20 und 40 in Audi, BMW oder Mercedes, die sich da durchschummeln wollen. Ich lasse die grundsätzlich nicht rein, indem ich dicht genug zum Vordermann aufschließe. Allerdings sind teils die Reaktion derer, die ich nicht reinlasse, ziemlich heftig. Das macht mir aber nichts.
So ähnlich empfinde ich das inzwischen auch. Es lässt sich tatsächlich auf gewisse Fahrzeugklassen u. entsprechende Lenker reduzieren. Für mich sind diese Stellen der blanke Horror, weil ich persönlich ziemlich pazifistisch denke und einen dieser Helden reingelassen habe. Zum Dank dafür hat mich beinahe der Hintermann aus dem Auto geholt, d.h. der hat mir den Vogel gezeigt.
Was geht da bloss ab???
Nun ja, da gehts einigen mehr um ihren eigenen Vorteil als um Fairness. Und ich habe nicht selten das Gefühl, dass diejenigen sich ganz toll finden, weil sie alle anderen "ausgetrickst" haben.
Autos mit fremden Kennzeichen lasse ich immer rein, aber Ortskundige eben nicht.
Dabei achte ich aber darauf, stur gerade aus zu gucken und Augenkontakt zu vermeiden. Falls der andere per Gewalt reindrückt und es crasht, kann ich dann immer sagen, den hätte ich gar nicht rechtzeitig gesehen. Dann hat auf jeden Fall der andere 100% schuld.
In den Zusammenhang interessant ist ein Urteil:
LG Freiburg v. 21.05.2012:
Die Betriebsgefahr des vom Geschädigten geführten Kfz tritt vollständig zurück, wenn der Schädiger die Fahrspur unter Verstoß gegen seine Pflichten aus § 7Abs. 5 StVO wechselt und es dadurch zu einer Kollision mit dem von hinten kommenden Fahrzeug des Geschädigten kommt. Dies gilt auch dann, wenn sich nicht feststellen lässt, ob der Geschädigte die zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten hat oder nicht.
Weil die meisten Autofahrer der Meinung zu sein scheinen, dass ein frühzeitiger Spurwechsel oder auch das Vorlassen eines anderen sie mindesten 3 - 5 Jahre ihres Lebens kosten würde, kann man also besser mit dem Messer zwischen den Zähnen und ausgeschaltetem Gehirn zum Angriff blasen.
Jeden Tag holen sich milchbärtige TDI-Piloten einen Tennisarm beim Lichthupen und würden lieber in den Trümmern ihres Autos auf der linken Spur verenden, als diesen einen Wagen vorzulassen und dann 30 Sekunden später zu überholen. Ein Wahnsinn.
Erst heute kam im Radio die Meldung über einen 43 jährigen Fahrer eines Spinters, der den vor ihm fahrenden Wagen auf der Autobahn (!) mehrfach gerammt hat und schließlich, als beide Fahrzeuge auf dem Pannenstreifen zum Stehen kamen, dem Fahrer des anderen Wagens noch einen Zahn ausgeschlagen hat.
Bin gespannt, wann die ersten Pkw auf den Markt kommen mit Extras wie Boden-Boden-Raketen oder ausklappbaren Maschinengewehren....
Vermutlich ist der erste Schritt, dass schnellere, große Autos eine lautere Hupe bekommen als die popeligen Kleinwagen, damit die endlich mal respektvoll zur Seite huschen!
Vorbei auch dann die Zeit der SUVs - die sind einfach zu klein und mittlerweile nichts Besonderes mehr. Am besten einen "Hummer", und den auch noch höher + breiter als im Original. Da dann einen VA-Rammbügel dran und eine Hupe, die ausgeht, wenn man den Knopf in der Mitte des Lenkrades drückt!
Hoffentlich bleibt das Utopie....
Grüße, ----->
Aber du hast Recht. Die Fahrer von Sprintern und ähnlichem sind teils auch ziemlich auffällig.
Das heisst, du missachtest die STVO wissentlich und mit voller Absicht?
Oha, .....
Aha, und welchen § meinst du konkret? Ich konnte bisher keine Vorschrift finden, in der drin steht, dass ich die Vordrängler rein lassen muss. Im Gegenteil sagt der Gesetzgeber, dass die Sorgfaltspflicht beim Spurwechsel alleine beim Wechsler liegt.
Dann lies dir mal STVO Par. 7 Nr. 2, 2a und 4 durch. https://dejure.org/gesetze/StVO/7.html
Da gehts um mehrere Fahrstreifen in eine Richtung. Das liegt hier gar nicht vor.
Der Satz trifft allerdings zu:
(5) In allen Fällen darf ein Fahrstreifen nur gewechselt werden, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist. Jeder Fahrstreifenwechsel ist rechtzeitig und deutlich anzukündigen; dabei sind die Fahrtrichtungsanzeiger zu benutzen."
Da steht also auch, dass der Wechsler aufpassen muss, vom Reinlassen müssen steht da gar nichts.
Bis kurz vor der Ampel haben wir wohl zwei Fahrstreifen in die selbe Richtung und keine durchgezogene Linie. Nach der Ampel zweigt der eine Fahrstreifen ab. Folglich darf man bis kurz vor der Ampel den Fahrstreifen wechseln. Und selbstverständlich hat man dem Einfädelnden im stockenden Verkehr das Einfädeln zu ermöglichen.
Die Frage sagt, die Abbiegerregelung sei lange vorher angezeigt und das ist auch bei meiner Situation so. Der Abbiegerstreifen fängt da schon locker 100 m vor der Ampel an, aber auf dem fahren einige vor, um dann erst kurz vor der Ampel reinzudrücken.
ja, musst du, wenn du ihnen reinfahren solltest, bist du schuld, also §1
Aber doch keine volle Schuld immerhing machen die dann einen Fehler beim Fahrstreifenwechsel, wenn der nachfolgende Verkehr nicht mehr bremsen kann, oder irre ich mich da?
Da ich wie gesagt jeden Abend dieses "Drama" erlebe, frage ich mich warum die Polizei nicht präventiv eingreift.