Darf ich einen Einbrecher in meiner Wohnung verletzen?

15 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Haha, das passiert wenn man so eine Frage in so einem Forum stellt. Jetzt weißt du ja alles und auch nichts :D

Es wurde hier was von Verhältnismäßigkeit geschrieben, die es bei Notwehr gar nicht gibt und in anderen Antworten gibt es auch ein paar Unschärfen.

Also mal ganz von vorn:

Verhältnismäßigkeit gibt es nur bei Notstand, nicht bei Notwehr. Notstand liegt gegen eine Sache vor, nicht gegen einen Menschen, der sich widerrechtlich verhält.

Angenommen auf der Straße findest du jemanden mit einer stark blutenden Wunde. Du bist zur Hilfe verpflichtet, hast aber kein Verbandszeug. Wie gut, das da ein Auto steht (5-Türer). Du schmeißt die Kofferaumscheibe ein und nimmst den Verbandskasten und versorgst damit die Verletzungen. Die Person überlebt nun bis der Notarzt da ist. Sonst wäre sie wohl mit Sicherheit verblutet. Es ging hier um Leib und Leben, das höchste Rechtsgut. Um das zu schützen hast du das Rechtsgut „Besitz“ eines Dritten verletzt. Du hast sein Auto beschädigt und sich dessen Verbandskasten geschnappt. Bei Notwehr werden die beiden Rechtsgüter mit einander aufgewogen.

Die gleiche Situation, aber im Auto sitzt der Besitzer, der den Verbandskasten nicht rausrücken will. Haust du ihn tot, dann war das unverhältnismäßig und du wirst bestraft. Haust du ihm nur eine Beule am Kopf, dann muss das ein Richter genau prüfen usw.

Bei Notwehr liegt ein gegenwärtiger, widerrechtlicher Angriff gegen dich selbst, deine Rechtsgüter oder gegen eine andere, wehrlose Person vor, oder gegen deren Rechtsgüter (Nothilfe, als Sonderfall der Notwehr). Bei Nothilfe gelten die gleichen Maßstäbe wie bei Notwehr, die Person allerdings, der Geholfen wird muss der Nothilfe zugestimmt haben, wovon aber in Extremfällen oder wenn das Opfer sich gar nicht mehr äußern kann, pauschal ausgegangen werden kann.

Notwehr kennt keine Verhältnismäßigkeit. Trotzdem soll man immer das mildeste Mittel wählen, was geeignet ist diesen gegenwärtigen Angriff zu beenden. Das mildeste Mittel kann unter Umständen auch eine Schusswaffe gegen einen unbewaffneten Angreifer sein, wenn dieser z. B. eindeutige Tötungsabsichten gegen das Opfer angekündigt hat und nun zur Tat schreiten will. Mit einer Schusswaffe gegen einen Unbewaffneten vorzugehen und diesen vielleicht tödlich zu verletzen um sich oder andere vor dem Tod zu bewahren ist ein Konstrukt, das sich eben nicht mit „Verhältnismäßigkeit“ erfassen lässt. Man kann nur aus den Mitteln wählen, die einem zur Verfügung stehen und man muss nicht auf kosten des eigenen Risikos den Angreifer schonen. Der Angreifer haftet und trägt die Verantwortung für alle Folgen seines Handelns.

Genau so einen Fall hat es gegeben, wo ein Mann nachts seine Frau verteidigt hat. Seine Frau wurde von ihrem Schwiegersohn schon die Treppe hinunter geschleift, der sich Zutritt zur Wohnung verschafft hatte und dabei mehrfach Tötungsabsichten geäußert hatte. Der Ehemann wurde unsanft aus dem Schlaf gerissen und stand zudem unter dem Einfluss von starken Schmerzmitteln. Er wollte dann mit seinem Revolver drohen um den Angriff abzuwehren. Jedoch war der Revolver geladen und es lösten sich zwei Schüsse, die den Angreifer tödlich trafen. In erster Instanz wurde der Ehemann der Notwehrüberschreitung schuldig gesprochen und verurteilt. Der BGH aber hob das Urteil wieder auf und sprach den Mann frei. Die Begründung ist seitenlang. U. a. wurde entschieden, dass eine versehentliche Tötung bei Notwehr nicht strafbar sein kann, wenn eine vorsätzliche Tötung ebenfalls nicht strafbar ist. Um einen lebensbedrohlichen Angriff abzuwehren kann die Tötung legitim sein. Oder bei Entführung. Denn es muss sichergestellt sein, das dem Opfer kein Leid mehr zugefügt werden kann. Ein schwer verletzter Täter kann auch noch morden... In diesem Fall entschied der BGH, dass auch eine vorsätzliche Tötung rechtens gewesen wäre, somit war es auch die ungewollte, weil der Ehemann dachte, er hätte eine ungeladene Waffe in der Hand. Die Furcht und Verwirrung wurden ebenfalls berücksichtigt. Denn wer in Furcht und Verwirrung eine Notwehr überschreitet, wird nicht bestraft. Es war also im doppelten Sinne keine Strafe für den Ehemann zu erwarten.

Ein Angriff ist gegenwärtig wenn er unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet, oder noch andauert. Man darf sich also schon wehren, noch bevor man angegriffen wird. Man muss natürlich einige Gründe ins Feld führen, warum man davon ausging, jeden Augenblick angegriffen zu werden. Wird man mit einer Waffe oder einem Messer bedroht, dann kann von diesem Umstand ausgegangen werden. Denn das allein stellt schon einen widerrechtlichen Angriff dar! Jeder der schon mal mit einer Schusswaffe oder einem Messer bedroht wurde, kann bestätigen welche unglaubliche „Gewalt“ einem da bereits schon angetan wird.

Zu deinen Konstrukten A B und C sage ich nichts, denn dazu müsstest du zu jedem Beispiel mindestens eine A4 Seite schreiben, damit man genau auf die Umstände eingehen kann. Es würde aber auch dann keinen Sinn machen. Wenn du in deiner Wohnung bedroht wirst, und hier liegt ein besonders extremer Fall der Notwehr vor, da die eigene Wohnung verletzt wurde, dann wehre dich so wie du meinst dich wehren zu müssen. Wenn du für dich selbst von Lebensgefahr ausgehen musst, dann bringt es nichts da schon zu überlegen wie du das dem Richter erklären willst. Pauschal kann man nicht sagen ob es okay ist einen Einbrecher zu verletzen. Pauschal kann man sagen, dass dir Mittel und Wege erlaubt sind einen gegenwärtigen, widerrechtlichen Angriff auf deine Rechtsgüter (Leib, Leben, Freiheit, Besitz, Ehre … ja auch Ehre ist ein Rechtsgut!) zu beenden. Wenn in diesem Rahmen der Einbrecher verletzt wird kann das zulässig sein, oder ein Richter entscheidet auf Notwehrüberschreitung.

Es gibt noch die fälschliche Annahme der Notwehr: Putativnotwehr. Deine Freunde brechen bei dir ein um für dich eine Überraschungsparty zu schmeißen. Du glaubst es wären Einbrecher und stürmst mit Tränengas in deine Wohnung und verletzt deine Freunde bevor du weißt was Sache ist. Wirst du dann wegen Körperverletzung angeklagt, dann kannst du dich darauf berufen, dass du davon ausgehen musstest, das Notwehr vorliegen würde.

Das Thema Notwehr ist so kompliziert, das selbst Urteile am laufenden Band von höheren Gerichten wieder aufgehoben werden. Du musst einfach ein Gefühl dafür entwickeln. Übungstexte für Jurastundenten und Fallbeispiele sind da ein guter Ansatz.

@FloTheBrain
  • "Bei Notwehr werden die beiden Rechtsgüter mit einander aufgewogen." Das war falsch! "Bei Notstand werden die beiden Rechtsgüter mit einander aufgewogen."!! So ist es richtig.
@FloTheBrain

Hab noch mal nach dem Fallbeispiel gesucht. Es ist nahe an meiner Version dran, grundsätzlich aber stimmen die wichtigen Faktoren überein. Habe ein paar Kleinigkeiten durcheinander gebracht, da ich ständig und viele solche Texte lese.

Keine Kleinigkeit ist aber, das hier nicht die gewollte Tötung als solche rechtens war, sondern der gewollte, tatsächliche Einsatz einer Schusswaffe. Von den Konsequenzen für den Angreifer und das Opfer aber nahe beieinander...

Hier nun die Urteilsbegründung und der Freispruch, beim Einsatz einer Schusswaffe gegen einen unbewaffneten Angreifer. Man sieht wie kompliziert es in Wahrheit ist und wieviele Faktoren nötig waren, damit ein Freispruch anwendung finden konnte:

http://www.hrr-strafrecht.de/hrr/1/01/1-48-01.php3

A und C werden durchgehen, bei B kommt es drauf an, wie glaubwürdig du deine Schreck- und Handlungssituation schildern kannst. Es hätte möglicherweise auch ausgereicht, die Tür einfach zuzuknallen. Der Effekt wäre der selbe, aber das Mittel der Abwehr ist vollkommen anders.

Die Notwehr umfasst NICHT nur das eigene Leben, ergo muß kein direkter Angriff erfolgen, um sich zu wehren. Alle Individualrechte, wie Leben, Freiheit, Eigentum fallen ebenso darunter.

Bei Notwehr ist lediglich die Art der Abwehr kritisch zu sehen, da diese verhältnismäßig sein soll. Aber auch in diesem Punkt gibt es verschiedene, situationsbedingte Auslegungen.

Von Verhältnismäßigkeit ist im deutschen Notwehrrecht keine Rede. Es geht um Erforderlichkeit. Erforderlich ist eine Verteidigungshandlung dann, wenn es kein milderes in gleichem Maße geeignetes Mittel zur Abwehr der Gefahr gibt.

@Reiswaffel87

Wiederspricht sich aber ein wenig mit dem §33 StGb. Wenn ich den Wortlaut umdrehe, muß es so etwas wie eine Verhältnismäßigkeit geben.

Zitat: Überschreitet der Täter die Grenzen der Notwehr aus Verwirrung, Furcht oder Schrecken, so wird er nicht bestraft.

Wenn ich also nicht aus Verwirrung, Furcht oder Schreck, sondern aus Kalkül handel, ist die mildeste Form aller möglichen Verteidigungen ja nicht mehr gewahrt.

Daher hatte ich bei B in Zweifel gezogen, ob der Einsatz des Küchenmesser als mildeste Form der Abwehr zu werten sein kann. Weiterhin, daß dies zumindest diskutabel ist.

@michi57319

Die Grenzen der Notwehr werden nicht durch Verhältnismäßigkeit der Mittel sondern deren Erforderlichkeit bestimmt. Und natürlich können auch diese, wie in § 33 StGB genannt, überschritten werden.

Erforderlich ist eine Verteidigungshandlung dann, wenn es kein milderes, in gleichem Maße zur Abwehr geeignetes Mittel, gibt.

Was für ein schlechten Krimi guckst Du grad an ? Ich würde dir dringenst raten solche Sachen wie Finger abhaken , ins Knie schiessen usw ganz schnell sein zulassen . Wenn was sein sollte , wähl die 110 , den Helden spielen kann schlimme Folgen haben . Es gibt da ein Sprichwort . Lieber 10 mal ein Angsthase , als 1 mal Tot sein

Ich habe gerade den Krimi Akte 2013 auf SAT1 gesehen

Deutschland - ein Paradies für Einbrecher Die Anzahl von Einbrüchen steigt enorm, immer mehr Menschen fühlen sich in Deutschland nicht mehr sicher. Bernhard Witthaut, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei, schätzt die Lage ein, nennt Gründe und erläutert Maßnahmen für Erfolge. 14.05.2013 22:20 Uhr © SAT.1

Schau Dir mal die Realität (ersatzweise den Beitrag im Netz) an.

Ich habe die Frage nicht gestellt um jemanden die Finger ab zu hacken (nicht ab zu haken !!) oder ins Knie zu schießen, sondern sie klar formuliert. Lies doch bitte noch einmal nach. Danke.

Du darfst niemals jemand anderen verletzten. Du wirst nur unter Umständen nicht dafür bestraft.

Zu Beispiel A: Es liegt eine Notwehrlage vor, denn auch Eigentum ist notwehrfähig. Du hast aber das mildeste geeignete Mittel zu wählen. Kannst du den Einbrecher also schon allein Kraft deiner Statur unter Kontrolle halten wirst du ihn nicht schlagen dürfen.

Zu Beispiel B: Gleiches wie bei A, nur dass hier schon bloßes Rufen den Einbrecher abschrecken dürfte. Würde er dennoch weitermachen kann man von nicht unerheblichem Gewaltpotential ausgehen und wird das Messer einsetzen können. Das aber auch nicht um die Finger abzutrennen, sondern um ihn zu schneiden.

Zu Beispiel C: Auch hier natürlich wieder Notwehrlage. Mit einer Waffe dürfte man den Einbrecher unter Kontrolle halten können. Da braucht es keinen Schuss. Startet der Einbrecher aber einen Angriff oder macht sich samt großer Beute auf die Flucht, kann man auch schießen.

Es hängt eben immer alles vom konkreten Einzelfall ab.

Letztlich hängt die Antwort davon ab, ob ein Richter Deine Notwehrsitution als solche akzeptiert.

Bei uns in der Nähe waren drei junge Männer - alle um die 20 - in ein Wohnhaus eingebrochen.

Der einzige Bewohner, ein älterer, körperbehinderter Mann bedrohte sie daraufhin mit einem Gewehr, das er als Jäger legal besass.

Es war stockdunkel im Haus und er hatte den Eindruck, dass die Knaben sich nicht entfernten, sondern weiter auf ihn zukamen, woraufhin er "aus der Hüfte" schoss, was einer nicht überlebte.

Im ersten Verfahren wurde er freigesprochen, aber ein weiteres Verfahren läuft jetzt.