Darf ein Zeuge die Aussage von seinen Unterlagen ablesen?
Letztens habe ich als Zuschauer eine Verhandlung verfolgt. Dabei ist mir aufgefallen, dass der eine Zeuge, der die Aussage des vorangegangenen Zeugen bestätigte, seine Aussage zuvor notiert hatte. Nun zu meinen Fragen. Darf dein Belastungszeuge so verfahren? Letztendlich hat der Zeuge die Aussage des vorangegangenen Zeugen im nahezu gleichen Wortlaut bestätigt. Ich hatte das Gefühl, dass der Zeuge seinen Text nicht auswendig lernen konnte und er deshalb auf seine Unterlagen zurückgreifen musste, um nichts Falsches auszusagen. Darf ein Gericht eine solche Aussage überhaupt als Zeugenaussage werten?
5 Antworten
Mich verwundert das oben beschriebene Ablesen vom Zettel sehr.
Ich habe 8 Jahre als Schöffe sehr viele Verhandlungen erlebt.
Die jeweiligen Vorsitzenden hätten das komplette Ablesen NICHT zugelassen. Ich bin mir sogar sicher, dass sie bei einem Spickzettel gesagt hätten (in etwa): "Nun stecken sie mal den Zettel weg und antworten Sie auf die Fragen !"
Das muss ja dort ein Stiesel von Vorsitzendem Richter gewesen sein......
Eine Aussage komplett abzulesen ist nicht gestattet, ein Zeuge hat seine Wahrnehmungen zu schildern. Es bedarf also einer AusSAGE, keiner AusLESE. Polizeibeamte können aber zum Beispiel wegen der Vielzahl ihrer Vorgänge Details in ihrer Akte nachsehen. - Auch in Berufungsverhandlungen können Zeugenaussagen aus dem Protokoll verlesen werden.
Aber natürlich darf ein Zeuge vorher darüber nachdenken und sich aufschreiben, was wichtig ist, und was er sagen will. Ein Spickzettel ist nicht schlecht, wenn man nervös ist und womöglich die Hälfte vergisst.
Finde ich aber nicht korrekt, vor allem dann, wenn nicht nur Stichworte notiertt sind, sondern die komplette Aussage
Also einen guten Eindruck macht das nicht - das kommt so rüber als mache er eine Falschaussage und hat sich das nur notiert, damit er sich nicht verquatscht... Ich denke aber nicht dass es verboten ist.
dass ein Zeuge zunächst im Zusammenhang das zu berichten hat, was er zum Zeitpunkt seiner Vernehmung noch in Erinnerung hat, und nicht das, was er gestern gelesen hat. Im Gegenteil, wenn der Zeuge ohne Nachlesen nichts mehr weiß, darf ihm auch nichts mehr vorgehalten werden.
Es gilt doch der Grundsatz der freien Beweiswürdigung für das Gericht.
Wenn der Zeuge einen Vorgang schildern soll, der Jahre zurück liegt und über den er damals Aufzeichnungen machte, dann wäre es nur plausibel, wenn er die heute vorliest.
Wenn er dagegen eine "vorbereitete und abgestimmte" Zeugenaussage über Ereigbisse verliest, die sich erst kürzlich ereigneten und dabei ständig einen "roten Kopf" und Schweißausbrüche bekommt, dann wirkt das nicht sehr glaubwürdig.
Mir ist keine Vorschrift bekannt, die das Verhalten der Zeugen derartig reglementiert, dass sie ihnen das Verlesen verbietet.