Berliner Testament, Pflichtteil, Hartz-4
Der Sachverhalt:
Die alten Eltern haben ein Berliner Testament gemacht, als beide noch lebten.
Der Vater ist nun verstorben. Die Großmutter als seine Ehefrau ist Alleinerbin.
Ein direkter Nachkomme der Beiden hat bis vor 2 Monaten Arbeitslosengeld 2
erhalten. Wegen Aufnahme einer beruflichen Beschäftigung meldete er sich
beim Jobcenter ab, als sein Vater noch lebte. Danach ist der Vater gestorben.
Der Erbfall trat also ein, als der Sohn NICHT mehr im Leistungsbezug stand.
Der Sohn hätte angeblich die Möglichkeit, jetzt einen Pflichtteil einzuklagen,
den er neben seiner Mutter, der Alleinerbin, bekäme, der allerdings deutlich
niedriger ausfiele als das später von der Mutter in Aussicht stehende Erbe.
Durch Einklagen des Pflichtteils würde er seinen Anspruch als Nacherbe
seiner Mutter verlieren, wenn ich das richtig verstanden habe. Er möchte
diesen Pflichtteil NICHT einklagen.
Die Frage:
Falls er innerhalb der nächsten Wochen seine Anstellung verlieren würde
und wieder Arbeitslosengeld 2 beantragen müsste, könnte das Jobcenter
ihn dann zwingen, gegen seinen Willen diesen Pflichtteil einzuklagen, bzw.
könnte man ihm das Arbeitslosengeld verweigern mit dem Hinweis darauf,
dass ein vorrangiger Anspruch bestünde, der ausgeschöpft werden müsse,
auch wenn ihm dadurch Nachteile entstünden, weil er dann als Nacherbe
nicht mehr berücksichtigt werden könnte. Der Erbfall ist in einem Zeitraum
eingetreten, als er NICHT im Leistungsbezug stand. Wenn er länger als
6 Monate keine Leistungen benötigt, könnte er danach einen Neuantrag
stellen. Wenn er aber vor Ablauf von 6 Monaten wieder Arbeitslosengeld 2
beantragen müsste, würde das als Antrag auf Weiterbewilligung gelten.
Spielt das eine Rolle? Erhält das Jobcenter Information über den Erbfall,
wenn dieser eingetreten ist, während der der Sohn voll berufstätig war?
7 Antworten
ACHTUNG => BSG Az. B 14 AS 2/09 R
Ein Pflichtteilanspruch nach § 2303 Abs.. 1 Satz 2 BGB stellt grundsätzlich Vermögen im Sinne des § 12 SGB II dar.
Die Verwertung eines Pflichtteilsanspruchs kann aber dann eine besondere Härte darstellen, wenn dies notwendig zu einer unzumutbaren wirtschaftlichen Belastung des durch den Erbanspruch belasteten führen würde. Eine besondere Härte i.S. des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 2. Alt SGB II kann sich nicht nur aus den wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Hilfebedürftigen, sondern auch aus den besonderen persönlichen Umständen ergeben, die mit der Vermögensverwertung verbunden sind.
(http://www.anhaltspunkte.de/rspr/urteile/B_14_AS_2.09_R.htm)
Hallo nightdriver,
nach dem Berliner Testament ist die Ehefrau Alleinerbin, also ist doch auf Dich bezogen gar kein Erbfall eingetreten, und Du brauchst auch keine Meldung an die Arge machen.
Nein, Du kannst nicht verpflichtet werden, Dein Erbteil einzuklagen, zumindenst habe ich noch nie von einem solchen Fall gehoert !
Sollte jedoch der Fall eintreten, dass die Mutter ebenfalls verstorben ist und Du geerbt hast, dann musst Du Dein Erbe aufbrauchen, bevor ein erneuter Leistungsbezug bewilligt wird. Dabei spielt es dann keine Rolle, wann der Erbfall eingetreten ist, ob Du zu dem Zeitpunkt noch gearbeitet, oder wieder Leistungen bezogen hast.
Herzliches Beileid !
Die Arge zapft keine Quellen an, wenn Du derzeit KEINE Leistungen von ihnen beziehst, Deine Akte ist geschlossen !
Ja, es kommt vor, dass das ALGII gestrichen wird mit der Begründung, man möge zuvor seinen Pflichtteilanspruch geltend machen. Dann hilft nur klagen - in den mir (auch nur vom Hörensagen) bekannten Fällen musste das Amt dann doch zahlen.
Ein zitierfähiges Urteil kenne ich nicht, könnte daran liegen, dass die Fälle nur in erster Instanz verhandelt wurden. In einem entfernt ähnlichen Fall, bei dem nicht das Amt, sondern private Gläubiger den Pflichtteil verwerten wollten, hat aber der BGH entschieden, dass der Pflichtteilsberechtigte nicht verpflichtet ist, seinen Pflichtteilanspruch geltend zu machen:
http://www.finanztip.de/recht/erbrecht/br-erbrecht030598.htm
Bei einem Berliner Testament bestimmen sich Eheleute wechselseitig zu Alleinerben. Deren Kinder sind demnach von der Erbschaft ausgeschlossen, ein Pflichtteilsrecht müssen Hartzer ja nicht geltend machen, auch wenn die Arge das gerne hätte :-O
Selbstverständlich hat die Arge über Datenaustausch mit dem Finanzämtern Kenntnis von Vermögenserwerb eines Leistungsbeziehers: die Banken sind gesetzlich verpflichtet, Kontenbestände, Schließfächer und Depots ihrer Kunden der Erbschaftssteuerstelle mitzuteilen.
G imager761
Das Jobcenter kann ihn nicht zwingen, seinen Pflichtteil einzuklagen, es kann maximal darauf 'verzichten', ihm ALG 2 zu leisten bzw. ihm dieses nur als Darlehen zu gewähren.
Dann bliebe das Sozialgericht.
Das ist die Antwort, die ich am gernsten lese, weil ich hoffe, dass man es so auffassen kann. Für mein Empfinden ist für den Sohn KEIN Erbfall eingetreten. Das ist natürlich eine Auslegungssache. Aber wenn Du sagst, das Berliner Testament könne so ausgelegt werden, hoffe ich, dass andere es auch so sehen.
Weißt Du zufällig, auf welchem Wege die Jobcenter von einem Erbfall erfahren? Wer Leistungen bezieht, muss natürlich alles angeben, aber da derjenige aus dem Leistungsbezug draußen ist, geht er da zur Zeit nicht mehr hin und sie haben auch keine Befugnis, von ihm Auskünfte zu verlangen. Meine Frage wäre nun, ob die Jobcenter andere Informationsquellen anzapfen können, wenn der Betreffende KEINE Leistungen bezieht.