Arglistige Täuschung – was kann man vor Gericht einklagen?
Guten Tag, ich habe eine Frage. Ich wohne über 40 Jahre in der Wohnung im Elternhaus, bin 20 Jahre verheiratet, meine Schwester hat mit meinen Eltern in der zweiten Wohnung gewohnt. Es wurde mir immer von den Eltern gesagt, ich soll das Haus samt Grundstück nach ihrem Tod übernehmen und pflegen.
Deswegen habe ich mich an sämtlichen Nebenkosten mit 50 % beteiligt – Verputzen des Hauses, Hof pflastern, Heizkessel, Abflussreinigung, Heizöl-kosten, Schornsteinfeger usw. Sprit und Öl für Rasenmäher habe ich selbst bezahlt, Fenster, Ersatzteile für Heizkessel und Rasenmäher auch.
Vor halbem Jahr habe ich noch Dach von Gartenhäuschen repariert. Ich habe immer meine Miete bezahlt, letzte 15 Jahre habe ich verschiedene Arbeiten rund ums Haus ganz übernommen – Gras mähen, Bäume und Büsche schneiden, Schnee räumen, Heizöl bestellen, Reparaturen durchführen, Handwerker bestellen etc.
Meine Eltern sind jetzt beide tot. Ich habe nicht gewusst, dass meine Mutter vor 2 Jahren ein Testament beim Notar erfasst hat. Meine Schwester hat die ganze Zeit Bescheid gewusst. Meine Mutter war beim Erfassen des Testaments 80 Jahre alt und leicht zu beeinflussen.
Meine Schwester wurde als Alleinerbin und Stammerbin eingesetzt. Zum Grundbesitz gehört Zweifamilienhaus mit Grundstück auf dem Lande.
Ich wurde arglistig getäuscht, ich soll laut Testament NUR Wohnrecht als Auflage erhalten, nicht als Vermächtnis, also NICHT einklagbar. Es ist noch nicht im Grundbuch eingetragen.
Muss das Wohnungsrecht in diesem Fall (Auflage) an meinen Pflichtanteil angerechnet werden, wenn es vor dem Erbfall nicht vereinbart wurde?
Welche Kosten, d.h. meine Leistungen und Investitionen aus der Vergangenheit kann ich vor Gericht einklagen und zurückverlangen? Wie ist dann der Ablauf und Kosten? Kann ich die von mir gekaufte Gegenstände (Fenster, Druckminderer, Ersatzteile usw) wieder ausbauen?
Ich habe keine schriftliche Abmachung mit meinen Eltern gehabt. Muss meine Schwester vor Gericht aussagen und bestätigen, dass ich das Haus übernehmen sollte? Danke für eure Hilfe.
10 Antworten
Zunächstmal sind 2 Eltern auch zwei Todesfälle und somit zwei Erbfälle, die getrennt zu betrachten sind.
ich soll laut Testament NUR Wohnrecht als Auflage erhalten, nicht als Vermächtnis, also NICHT einklagbar. Es ist noch nicht im Grundbuch eingetragen.
Eine Auflage ist durchaus einklagbar, aber nicht von den Begünstigten, sondern nach §2194 BGB:
Die Vollziehung einer Auflage können der Erbe, der Miterbe und derjenige verlangen, welchem der Wegfall des mit der Auflage zunächst Beschwerten unmittelbar zustatten kommen würde. Liegt die Vollziehung im öffentlichen Interesse, so kann auch die zuständige Behörde die Vollziehung verlangen.
Klageberechigt ist also der, der von wegfall der Schwester profitieren würde, sollte es keinen Ersatzerben geben, sind das Sie.
Muss das Wohnungsrecht in diesem Fall (Auflage) an meinen Pflichtanteil angerechnet werden, wenn es vor dem Erbfall nicht vereinbart wurde?
Nein, anzurechnen sind nur Vermächtnisse ( nach §2307 BGB ) und Erbteile ( dann gibt es nach §2305 BGB einen Zusatzpflichtteil ) Ein Vermächtnis und ein beschwertes Erbe kann aber ausgeschlagen werden und stattdessen der Pflichtteil verlangt werden.
Allerdings kann die Auflage gekürzt werden, soweit der Schwester sonst der eigene Pflichtteil nicht verbleiben würde. Alternativ könnte die Schwester auch ausschlagen und selbst den Pflichtteil verlangen.
Welche Kosten, d.h. meine Leistungen und Investitionen aus der Vergangenheit kann ich vor Gericht einklagen und zurückverlangen? Wie ist dann der Ablauf und Kosten? Kann ich die von mir gekaufte Gegenstände (Fenster, Druckminderer, Ersatzteile usw) wieder ausbauen?
Das wird schon deutlich schwieriger, Möglich wäre hier ein Herausgabeanspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung oder Wegfall der Geschäftsgrundlage.
Meine Schwester hat die ganze Zeit Bescheid gewusst.
Wissen kann man nur bei einen Erbvertrag oder Gemeinsamen Testament haben. Ansonsten kann der Erblasser das Testament ja zu lebzeiten jederzeit ändern.
Ich habe keine schriftliche Abmachung mit meinen Eltern gehabt.
Und genau das ist dein Problem und Glücksfall für die Alleinerbin :-O
Kein M würde in fremdes Eigentum investieren, ohne sich eine schriftliche Zusicherung über den Ausgleich der Aufwendungen geben zu lassen. Warum du? Im blinden Vertrauen auf eine vage Absichtserklärung?
Du hättest diese Arbeiten nur gegen lebzeitige Miteigentumsübertragung gegen Pflegevereinbarung erledigen oder dir zumindest eine erstrangige Grundschuld eintragen lassen sollen, um diesen Aufwendungsersatzanspruch auszugleichen.
Oder die Eigentümerin die Instandsetzung und Pflege ihrer Immobilie selbt bezahlen lassen sollen, wenn sie dazu nicht bereit wäre und hättest erkannt, was ihre wahren Absichten sind :-O
Es ist nicht arglistig, seinen letzen Willen zu ändern, ihn anderen gegenüber verschweigen, jemands Hoffnungen zu zerstören oder ihn in seiner Hilfsbereitschaft auszunutzen. Unredlich, hinterlistig vielleicht, aber das ist nicht justitiabel :-(
G imager761
Das klingt so, als würde sich die Investition in einen Anwalt lohnen.
Schwierig.
Zunächst mal muss ich Dir leider sagen, dass Deine Beiträge zum Unterhalt des Hauses als willentliche Verfügungen Deinerseits zu keinerlei Ansprüchen gegenüber der Erbin führen werden. Denn Nutznießer war die Erblasserin; da es keinerlei vertragliche Vereinbarung gab, handelt es sich schlicht um eine innerfamiliäre Angelegenheit ohne jeden besitzrechtlichen Belang.
Meine Eltern sind jetzt beide tot. Ich habe nicht gewusst, dass meine Mutter vor 2 Jahren ein Testament beim Notar erfasst hat.
Dies Dir mitzuteilen war sie aber auch keinesfalls verpflichtet.
Meine Schwester hat die ganze Zeit Bescheid gewusst.
Und das weißt Du - woher?
Meine Mutter war beim Erfassen des Testaments 80 Jahre alt und leicht zu beeinflussen.
Reine Vermutung Deinerseits.
Meine Schwester wurde als Alleinerbin und Stammerbin eingesetzt. Zum Grundbesitz gehört Zweifamilienhaus mit Grundstück auf dem Lande.
Es gilt der Wille der Erblasserin. Dir steht allerdings ein Pflichtteilsanspruch zu, sofern Du das Erbe ausschlägst. Da es sich hier um eine streng fristgebundene Entscheidung handelt (6 Wochen ab Kenntnisnahme), solltest Du das unbedingt unverzüglich mit einem Anwalt für Erbrecht besprechen.
Ich wurde arglistig getäuscht,
Vorsicht. Verleumdung.
ich soll laut Testament NUR Wohnrecht als Auflage erhalten, nicht als Vermächtnis, also NICHT einklagbar. Es ist noch nicht im Grundbuch eingetragen.
Ein Wohnrecht als Auflage wird auch i.d.R. nicht grundbuchamtlich eingetragen. Immerhin ist das Objekt damit faktisch unverkäuflich, weil der potentielle Käufer diese Auflage wissentlich verpflichtend mit übernehmen müsste, was praktisch nie vorkommt.
Muss das Wohnungsrecht in diesem Fall (Auflage) an meinen Pflichtanteil angerechnet werden, wenn es vor dem Erbfall nicht vereinbart wurde?
Nimmst Du das Erbe an, stellt sich die Frage nicht (kein Pflichtteil). Schlägst Du es aus, ist die Regelung hinfällig.
Welche Kosten, d.h. meine Leistungen und Investitionen aus der Vergangenheit kann ich vor Gericht einklagen und zurückverlangen?
Keine. Leistungs- respektive Schenkungsempfängerin war die Erblasserin, und die ist verstorben. Ansprüche gegen die Erbin sind hier m.E. von vorneherein ausgeschlossen, weil es keine Vertragsgrundlage gibt. Kausale macht des Faktischen - "geschenkt ist geschenkt".
Wie ist dann der Ablauf und Kosten? Kann ich die von mir gekaufte Gegenstände (Fenster, Druckminderer, Ersatzteile usw) wieder ausbauen?
Nein. Mit Einbringung in das Objekt sind sie Teil des Eigentums der Erblasserin geworden, und als solche Erbmasse.
Ich habe keine schriftliche Abmachung mit meinen Eltern gehabt.
Pech.
Muss meine Schwester vor Gericht aussagen und bestätigen, dass ich das Haus übernehmen sollte?
Nein. Und selbst wenn - was würde das ändern? Fakt ist, dass die Erblasserin zu ihren Lebzeiten ein (soweit bekannt) rechtsgültiges Testament verfasst hat. Wie sie über ihr Eigentum bestimmt, entscheidet sie ganz alleine - und das hat sie getan. Du gehst dabei - bis auf den Pflichtteil - eben leer aus, sofern das Testament nicht erfolgreich angefochten oder durch eine jüngere Verfügung aufgehoben wurde. C´est la vie.
NB.: Das Wohnrecht wird auf den Pflichtteil angerechnet, ja. Es handelt sich schlierßlich um einen realen Vermögenswert.
NB.: Das Wohnrecht wird auf den Pflichtteil angerechnet, ja. Es handelt sich schlierßlich um einen realen Vermögenswert.
Spielt hier bitte eine Rolle, ob es sich um eine Auflage oder ein Vermächtnis handelt? Wird es immer gleich angerechnet?
Hinsichtlich der Frage, ob evtl. Erbausschlagung oder nicht die günstigere Wahl wäre, ist entscheidend § 2306 BGB.
Falsch: Der pflichtteilsberechtigte Fragesteller ist gerade nicht "als Erbe berufen" noch "durch Auflage beschwert", sondern wäre begünstigt :-O
Beschwert ist die Erbin, die angesichts des erheblichen Wohnrechtwerts Erfüllung verweigern dürfte: §§ 2147, 2192 BGB :-)
G imager761
Hallo, FordPrefect, danke für Deine ausführliche Antwort.
Ein Wohnrecht als Auflage wird auch i.d.R. nicht grundbuchamtlich eingetragen. Immerhin ist das Objekt damit faktisch unverkäuflich, weil der potentielle Käufer diese Auflage wissentlich verpflichtend mit übernehmen müsste, was praktisch nie vorkommt.
Testament: Auflage - Meinem Sohn, wohnhaft … ist im Hause - Adresse .. ein lebenslängliches unentgeltliches Wohnungsrecht, im ..Adresse .., von meiner Erbin xx zu gewähren und dinglich zur Eintragung zu bewilligen und zu beantragen.
Auch in diesem Fall soll mein Wohnrecht als Auflage nicht grundbuchamtlich eingetragen werden?
Dann kann mich doch meine Schwester jede Zeit auf die Strasse setzen, oder? Und nach drei Jahren sowieso..
Vorweg: IANAL.
So wie hier geschrieben, würde das m.E. die Erbin verpflichten, Dir das Wohnrecht gurndbuchamtlich eintragen zu lassen, ja. Wie gesagt - per se zwingend wäre das aber nicht. Schon die Auflage des Wohnrechts ist eine Verpflichtung, derer sich der/die Verpflichtete nicht durch eine rein einseitige Willensbekundung entziehen kann. Aber so wie hier geschrieben stellt sich die Frage ja nicht.
NB.: Die Sache dürfte zwischenzeitlich ohnehin verfristet sein. Oder glaubst Du, die Faktenlage hätte sich seit Deiner Frage vom 30.9.2014:
https://www.gutefrage.net/frage/die-anfechtung-des-testaments
dramatisch geändert?
So wie hier geschrieben, würde das m.E. die Erbin verpflichten, Dir das Wohnrecht gurndbuchamtlich eintragen zu lassen, ja.
Eben nicht. Im Unterschied zum Vermächtnis ist die Auflage nach § 1940 BGB dadurch gekennzeichnet, dass die Erben testamentarisch zu einer Leistung einem Dritten gegenüber verpflichtet werden, ohne dass diesem ein Recht auf die Leistung zugewendet wird. Der Auflagenbegünstigte hat also keinen Erfüllungsanspruch.
Wieso beharrts du auf einer rechtirrigen Meinung zu dem geschilderten Sachverhalt, den der Fragesteller selbst bereits richtig erkannt hat: "... ich soll laut Testament NUR Wohnrecht als Auflage erhalten, nicht als Vermächtnis, also NICHT einklagbar"?
Dir steht allerdings ein Pflichtteilsanspruch zu, sofern Du das Erbe ausschlägst.
Das ist rechtsirrig. Ganz abgesehen davon, dass der Fragesteller ausdrücklich durch gewillkürte Erbfolge eines Testamentes von der gesetzlichen Ernfolge ausgeschlossen ist und deshalb als Abkömmlinmg der Verstorbenen seinen Pflichtteilsanspruch gem. § 2303 I BGB geltend machen kann:
Grundsätzlich bedeutet eine Erbausschlagung einen kompletten Verzicht auf sämtliche erbrechtlichen Ansprüche :-O.
Ausnahmen sieht der Gesetzgeber nur bei Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft vor, die Schuldentragung des Erblassers umgehen können, ohne auf ihre Mindestansprüche verzichten zu müssen und bei Vermächtnisnehmern, die zusätzlich oder statt mlgw. nicht mehr vorhandenem oder unerfüllbarem Vermächtnis ihren Pflichtteil gleichwohl beanspruchen können.
Nun ist der Fragesteller aber nicht Vermächtnisnehmer i. S. d. § 1939 BGB geworden, sondern sein etwaiges Wohnungrecht durch Auflage n. § 1940 BGB bestimmt :-O
G imager761
I stand corrected. So genau kenne ich mich nun in den Details dazu nicht aus, nicht zuletzt deswegen habe ich dem OP ja dringend geraten, sich einen rechtskundigen Beistand zu suchen. Allerdings bin ich auch davon ausgegangen, dass man bei Abfassung eines Testaments einen Testamentsvollstrecker benennt - denn ansonsten wäre die Auflage des Erblassers aus § 1940 i.Vm. § 2194 BGB ja völlig beliebig zu ignorieren. Oder sehe ich das falsch?
NB.: In Anbetracht der Tatsache, dass der OP dieselbe Thematik im Oktober 2014 bereits erstmalig eingebracht hatte und auf die Anregung des Fachanwalts nirgends näher einging bisher, gehe ich stark davon aus, dass der anwaltliche Rat bereits gesucht wurde, und selbiger ihm wohl klar gemacht hat, dass eine Klage aussichtslos ist.
Hallo FordPrefect, hier wurde im Testament keiner Testamentsvollstrecker benannt - also ist alles nur Augenwischerei?
korrigiere: kein Testamentsvollstrecker
dir steht ein pflichtanteil zu... immer... such dir nen fachanwalt.
Nachtrag (sorry, Bearbeitungszeit war abgelaufen):
Hinsichtlich der Frage, ob evtl. Erbausschlagung oder nicht die günstigere Wahl wäre, ist entscheidend § 2306 BGB. Ich kann nur nochmals dringend zum Fachanwalt raten.