Arbeitszeit (zu wenig Stunden)

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Du musst die Fehlstunden nicht nacharbeiten, wenn

erstens:

ihr Entstehen nicht Dir anzulasten ist, wenn also z.B. der Arbeitgeber Dir nicht genug Arbeit für die vereinbarte Stundenzahl zugewiesen hat.

Es gehört zu den arbeitsvertraglichen Hauptpflichten des Arbeitgebers, Dich für die vereinbarte Stundenzahl mit Arbeit zu "versorgen". Tut er das nicht, verstößt er gegen den Arbeitsvertrag; auf ein Verschulden kommt es dabei nicht an. In diesem Fall gerät der Arbeitgeber mit der Annahme Deiner Arbeitsleistung in den sogenannten "Annahmeverzug" nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch BGB § 615 "Vergütung bei Annahmeverzug und bei Betriebsrisiko" Satz 1 und 3:

Kommt der Dienstberechtigte [Anmerk.: der Arbeitgeber] mit der Annahme der Dienste in Verzug, so kann der Verpflichtete [Anmerk.: der Arbeitnehmer] für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste die vereinbarte Vergütung verlangen, ohne zur Nachleistung verpflichtet zu sein. [Das gilt] entsprechend in den Fällen, in denen der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt.

und/oder zweitens:

es kein Arbeitszeitkonto gibt, in dem Minus- und Plusstunden aufgezeichnet/saldiert werden. In diesem Falle spielt es keine Rolle, ob die Verantwortung für die Minusstunden bei Dir oder beim Arbeitgeber liegt.

Ein solches Arbeitszeitkonto darf aber nur dann als Grundlage heran gezogen werden, wenn das Konto über eine vertragliche Vereinbarung (Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung) eingerichtet worden ist. Ein Arbeitszeitkonto, das der Arbeitgeber eigenmächtig - also ohne das Einverständnis des Arbeitnehmers - eingerichtet hat, ist wertlos.

Trifft einer der beiden Punkte auf Deine Situation zu, musst Du die Stunden nicht nacharbeiten und sie sind Dir zu bezahlen!

Hört sich gut an... Jetzt ist es momentan so, dass ich im Juni schon ca. 17 Überstunden habe, laut Plan. Soll ich mich einfach weigern, so viel zu arbeiten? Ich würde sehr gerne eine Lösung finden, bei der ich nicht mit Anwalt drohen muss oder sonstwie unangenehm werden muss... :-( Jedenfalls sehe ich's nicht ein, für Fehler den Kopf hinzuhalten, die ich gar nicht verschuldet habe.

@Lea1989

Grundsätzlich - in besonderem Maße aber bei Teilzeitkräften - gilt:

Überstunden müssen nur dann geleistet werde, wenn es eine (wirkliche) dringende betriebliche Notwendigkeit und einen (echten) Notfall gibt, die/der Überstunden zwingend erfordert. Gibt es einen Betriebs-/Personalrat, muss er Überstunden genehmigen, sie sind dann vom Arbeitnehmer aber auch zwingend zu leisten.

Du bist nicht verpflichtet, jetzt Überstunden zu leisten, um die Minusstunden abzubauen.

Im Übrigens müssen Überstunden nur bei rechtzeitiger Ankündigung geleistet werden (von Notfällen abgesehen). Die Rechtsprechung wendet dabei analog die Bestimmung aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz TzBfG § 12 "Arbeit auf Abruf" Abs. 2 an:

Der Arbeitnehmer ist nur zur Arbeitsleistung verpflichtet, wenn der Arbeitgeber ihm die Lage seiner Arbeitszeit jeweils mindestens vier Tage im Voraus mitteilt.

Wie in der Antwort schon beschrieben:

Sind Deine Minusstunden unter den genannten Voraussetzungen entstanden, müssen sie Dir bezahlt werden und musst Du sie nicht nacharbeiten! Die entsprechenden rechtlichen Grundlagen wurden ja genannt: BGB § 615 "Vergütung bei Annahmeverzug und bei Betriebsrisiko" Satz 1 und 3 und (zum Arbeitszeitkonto in der Antwort von DerSchopenhauer) Urteil des Bun­des­ar­beits­ge­richts vom 21.03.2012, 5 AZR 676/11 (siehe dazu auch Artikel "Ar­beits­zeit­kon­to - Ver­rech­nung von Zeit­gut­ha­ben mit Mi­nus­stun­den" auf der Seite http://www.hensche.de/Arbeitszeitkonto\_Verrechnung\_Zeitguthaben\_Minusstunden\_Arbeitszeitkonto\_BAG\_5AZR676-11.html )

Vielleicht reicht ja schon der Hinweis auf die gesetzlichen Bestimmungen, um Deinen Arbeitgeber "auf den rechten Weg zu leiten"; ob Dir das gelingt, ohne dass Du "mit Anwalt drohen" oder "sonstwie unangenehm werden" musst, kann ich nicht sagen. Denn leider sind "Recht haben" und "Recht bekommen" viel zu oft zwei völlig verschiedene Dinge - und das einem selbstverständlich zustehende Recht ist dann nicht ohne Konflikte zu erlangen!

@Familiengerd

Vielen Dank für deine ausführliche und kompetente Antwort! Anscheinend kann das Internet manchmal einen Anwalt ersetzen (eine Anwältin, die ich besuchte, sagte genau das gleiche wie du). Ich hab ehrlich gesagt nicht genug Mumm in den Knochen gehabt, um mich deutlich zu wehren und mache die Stunden jetzt trotzdem... Gegen weitere Unverschämtheiten wehre ich mich aber, das hab ich schon gelernt (neulich hat man mir fast einen Urlaubstag mit Arbeit belegt, aber das habe ich verhindert). Ich habe meine Lektion gelernt: Ich mache wegen dieser Geschichte (und wegen dem Job an und für sich) in Zukunft nichts mehr bei "denen".

@Lea1989

Ich hab ehrlich gesagt nicht genug Mumm in den Knochen gehabt, um mich deutlich zu wehren

Das ist sicher nicht Jedermanns Sache, andererseits sind auch 70 unberechtigte Minusstunden kein "Pappenstiel" ...

Ich wünsche Dir viel Glück und Erfolg, auch für Deinen Berufswunsch - und "Danke!" für das Lob!!

Naja, Du kannst aber auch nicht erwarten, dass Dein Chef Stunden bezahlt, die Du nicht gearbeitet hast.

Dass zu viele Minusstunden hast, ist ärgerlich, aber dass hättest Du vielleicht früher ansprechen sollen. Dagegen hättest Du villeicht vorgehen können.


Ja, stimmt schon, das wäre nicht so fair... Besagter Chef hat im Januar noch gesagt, ich soll mir keine Sorgen machen und jetzt sitze ich auf nem Berg von Minusstunden. Ich habs nicht kontrolliert, weil er ja sagte, ich soll mir keine Sorgen machen... Oh man...

@Lea1989

An Deiner Stelle würde ich noch mal nachrechnen um auszuschliessen, dass Dir Minusstunden untergeschoben wurden. Dann kannst Du auch noch mal in Deinen Arbeitsvertrag oder Betriebsvereinbarung (falls Ihr so was habt) schauen ob es dazu eine Regelung gibt. Vielleicht steht da was, was Dir helfen könnte.

Doch das kann sie, ihr Chef muss sie im Ramen der vereinbarten Arbeitszeit auch einsetzten, wenn es nichts zu tun gibt ist das alleine das Problem des Arbeitgebers.

@ Raetselknacker:

Naja, Du kannst aber auch nicht erwarten, dass Dein Chef Stunden bezahlt, die Du nicht gearbeitet hast.

Da bist Du im Irrtum, denn doch, das kann sie, wenn die Minusstunden entstanden sind, weil die Arbeitnehmerin vom Arbeitgeber nicht für die vereinbarten Stundenzahl eingeteilt wird!

Es gehört zu den arbeitsvertraglichen Hauptpflichten des Arbeitgebers, die Arbeitnehmerin für die vereinbarte Stundenzahl mit Arbeit zu "versorgen". Tut er das nicht, verstößt er gegen den Arbeitsvertrag; auf ein Verschulden kommt es dabei nicht an.

Du mußt grundsätzlich die Stunden leisten, die im Arbeitsvertrag als regelmäßige Arbeitszeit vereinbart wurden.

Für die Minusstunden ist zu beurteilen, wer dafür verantwortlich ist:

Wenn Du aus eigenem Antrieb weniger arbeitest als vertraglich vorgesehen, dann bist Du für die Minusstunden verantwortlich.

Wenn Du weniger arbeitest, weil der ArbG Dich nicht in vollem Umfang der vertraglichen Arbeitszeit beschäftigt obwohl Du Deine Arbeitsleistung angeboten hast, dann kommt der ArbG in Annahmeverzug - in diesem Fall trägt der ArbG das Risiko und die Minisstunden können nicht geltend gemacht werden.

Allerdings:

Kei­ne Ver­rech­nung von Minusstunden auf ei­nem Ar­beits­zeitkon­to oh­ne Rechts­grund­la­ge in ei­nem Ar­beits­ver­trag, ei­ner Be­triebs­ver­ein­ba­rung oder ei­nem Ta­rif­ver­trag: Bun­des­ar­beits­ge­richt, Ur­teil vom 21.03.2012, 5 AZR 676/11

Bei Krankheitstagen dürfen ebenfalls keine Minusstunden angerechnet werden.

Ggf. sind alle Minusstunden nach obigen Gesichtspunkten zu differenzieren.

"""Bei Krankheitstagen dürfen ebenfalls keine Minusstunden angerechnet werden."""

Ausnahme: Der MA hat sich für einen Zeitraum "Frei vom Zeitkonto" genommen und ist anschließend Krank geworden.

Dann gibt es dafür KEINE LOHNFORTZAHLUNG!

Der Grund: Für einen Tag, an dem keine Verpflichtung zur Diensleistung besteht, kann keine Lohnfortzahlung gefordert werden.

@elektromeister

Das ist richtig, dass dann keine Lohnfortzahlung zu leisten ist.

Das hat aber mit der Minusstunden nichts zu tun!

hallo 

"Ich sehe es aber nicht ein, mehr arbeiten zu müssen oder Lohn gekürzt zu kriegen, nur weil mein Arbeitgeber es nicht hinbekommen hat, dass ich genug Stunden arbeite! Sehe ich das richtig?" 

ja das siehst du richtig! Der Arbeitgeber hat laut Vertrag die Pflicht dich im Ramen deiner vereinbarten Arbeitszeit auch einzusetzten. 

Ich würde mich da auf stur stellen.  Ich sehe das genau wie du, es ist nicht dein Verschulden. 

LG Coonz

Es scheint eine neue Masche in Deutschland Einzug zu halten.Die teuren Mitarbeiter werden klein gehalten und dafür führen wir die Billiglöhner ein.Gott sei Dank gibt es Betriebsräte und Gewerkschaften.