Arbeitnehmerseitige fristlose Kündigung wegen nichteinhaltung der Ruhezeiten möglich?
Guten Tag zusammen!
seit einem Jahr bin ich für meinen Arbeitgeber in ein neues Projekt untergekommen. Die Projektarbeit beinhaltet eine 24/7 abdeckung mit einem Mix aus festen Arbeitszeiten und anschließender Bereitschaft.
Nun zu meinem Problem:
Ich musste dieses Jahr schon mehrfach meine Ruhezeit drastisch zusammenkürzen. Samstags musste ich zum Beispiel 20 Uhr bis 0 Uhr in form eines Bereitschaftseinsatzs auf Arbeit erscheinen. Dummerweise fängt Sonntag mein regulärer Arbeitstag schon um 5 Uhr an. Das bedeutet weniger als 3h schlaf.
Meinen Chef habe ich vor monaten schon schriftlich informiert das dieses Schichtmodell nicht funktioniert, jedoch hat sich aus kostengründen und Personalmangel nichts verändert.
Ich bin teilweise zu müde zum Auto fahren und mein Körper und Geist steht unter enormen Stress und ich will das nicht mehr machen.
Leider beträgt meine Kündigungsfrist 5 Monate und ich würde lieber fristlos kündigen. Mein Chef hat sich auch noch nicht bereit erklärt den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben wegen fehlendem Ersatz.
Meine Frage:
Wie stehen meine Chancen eine fristlose Kündigung mit der nichteinhaltung von gesetzlichen Ruhezeiten zu begründen? Die unterschreitungen und die "abmahnung" an meinem Chef kann ich beweisen und vorlegen. Sperrzeiten beim Arbeitsamt sind kein Problem. Eine neue Stelle ist schon in aussicht.
Besten Dank!
7 Antworten
Wenn das in eurem "Dienstvertrag" so vereinbart ist, ist das kein Grund für eine fristlose Kündigung. (Kündigung aus wichtigem Grund)
Selbstverständlich kannst du jederzeit ordentlich kündigen.
Das ist dir auch ohne weiteres zuzumuten. Der Arbeitgeber muss sich ja um eine Ersatzkraft bemühen.
Bei einer unberechtigten "fristlosen Kündigung" kämen u.U, hohe Schadensersatzforderungen auf dich zu.
Im Arbeitsvertrag steht nichts, im Tarifvertrag steht nichts und in der Betriebsvereinbarung ist auch nichts definiert. Vertraglich ist somit keine minderung der gesetzlichen Ruhezeit niedergeschrieben.
„Hohe Schadenersatzforderung“ sind total abwegig. In der Theorie wäre es denkbar Schadensersatz einzufordern, in der Praxis macht das kein ArbG mit.
Der Arbeitnehmer kann ja diese unzulässige Mehrarbeit einfach verweigern. Dazu ist eben noch längst kein Grund für eine Kündigung mit "besonderem Grund" gegeben.
Wie stehen meine Chancen eine fristlose Kündigung mit der nichteinhaltung von gesetzlichen Ruhezeiten zu begründen?
Bei Null, denn du unterliegst einem Irrtum: Das „sich bereit halten” während einer Rufbereitschaft zählt laut Gesetz als Ruhezeit, wenn diese Ruhezeit nach der letzten Arbeitsstunde liegt.
Nur wenn der letzte Einsatz in der Nacht die Restruhezeit auf weniger als
5 ½ Stunden kürzt, brauchst Du am nächsten Morgen nicht zur regulären Arbeit zu kommen.
Meint: Selbst wenn du bis 23.30 Uhr während Bereitschaft einen Einsatz gehabt hättest, wäre die reguläre Arbeitszeit am nächsten Tag um 05:00 Uhr wieder aufzunehmen. Bis 0.00 Uhr zu warten, nicht.
Aufstehen, Duschen, Frühstücken und Arbeitsweg zählen nicht als Arbeitszeit.
G imager761
danke für die antwort. noch mal für mein verständnis: nach ArbZG §5 Abs. 3 kann die Ruhezeit auf 5,5h verkürzt werden mit späteren Ausgleich. Allerdings bin ich in der Logistik tätig und nicht in den im Abs. 3 genannten Bereiche. Trifft diese Regelung dann überhaupt auf meine Branche zu?
(3) Abweichend von Absatz 1 können in K rankenhäusern und anderen Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen Kürzungen der Ruhezeit durch Inanspruchnahmen während der Rufbereitschaft, dienicht mehr als die Hälfte der Ruhezeit betragen, zu anderen Zeiten ausgeglichen werden.
Zunächst gingen arbeits- oder tarifvertragliche Bestimmungen, die sog. "opt-out"-Regelung gemäß § 7 IIa ArbZG i. V. m. Abs. 7 ArbZG, der Norm ArbZG vor.
Bereitschaftsdienst liegt unabhängig der von dir benannten Fälle d. § 5 III ArbZG immer dann vor, "wenn ein Arbeitnehmer sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufhält, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen".
Auch eine Freizeitausgleich ist hier nicht anwendbar, da dein AG ein Gehalt "mit einem Mix aus festen Arbeitszeiten und anschließender Bereitschaft" vergütet. Noch enmal: Nur die "Wachzeit" (Arbeit), nicht die "Schlafzeit" (Bereitschaft) ist darunter zu verstehen. Wenn du in deiner Berietschaft liest, fernsiehst oder isst, ist das Pause ohne Anrechnung.
Unantastbar bleibt nur die tägliche Gesamt-Höchstarbeitszeit von (i. d. R.) 10 Stunden; nach 8 Stunden fester Arbeitszeit also max. 2 Stunden Arbeit während der Bereitschaft.
Würde das nicht ausnahmsweise aus betriebsbedingten Gründen (Notfallreparatur), sondern regelmäßig überschritten (Routineüberwachung), wäre das ein Fall für die zuständige Arbeitsschutzbehörde (http://lasi-info.com/ueber-uns/organisationen/dienststellen-der-asv-der-laender/).
Das löst deine Arbeitsüberlastung bis zum fühstmöglichen Kündigungstermin nicht, dürfte aber den AG zu einer Änderung des Personaleinsatzes verpflichten oder zu einem Aufhebungsvertrag bewegen, dich "Nestbeschmutzer" loszuwerden :-)
G imager761
Okey, besten dank. Arbeitsvertragliche und Tarifvertragliche bestimmungen liegen keine vor welche Regelungen zum thema beinhalten. Ja, die unterschreitung der Ruhezeit kommt regelmäßig (fast wöchentlich vor). Mein chef hat gemeint, das wenn wir durch Bereitschaftseinsätze (Wachzeit) unsere Ruhezeiten verletzen, wir das freiwillig machen und er uns sehr dank... :-D
Heute meinte er das er meiner vertragsaufhebung nicht zustimmt und besteht auf die 5 monatige kündigungsfrist.
Ich suche mir morgen einen Anwalt und nehme deinen Tipp mit der Arbeitsschutzbehörde mal als weiteres ass mit in die nächste verhandlung. Danke!
Du solltest eine Anwalt fragen und die Berufsgenossenschaft informieren.
Ich würde fristlos kündigen, aber erst wenn ich den Arbeitgeber nachweislich abgemahnt und aufgefordert habe den Zustand zu ändern und es sich nichts ändert.
Soll er mal versuchen etwas einzuklagen, das wird jeder vernünftige Richter ablehnen.
Teile deinem Chef mit das du in vielen Fällen kaum in der Lage bist mit dem Auto zu Arbeit zu fahren womit du dann eine Gefahr auf der Arbeit wärst da du nicht erholt zur Arbeit kommst! Das muss er anerkenne und was ändern weil er sonst seine pflichten nicht nachkommt! Bereitschaftsdienst ist was anderes aber er darf dich nicht so arbeiten lassen das du dich oder andere gefährdest!
Rede mit einem Anwalt für Arbeitsrecht oder mit der Gewerkschaft!So
Überfordert dein Chef dich nur Extrem!
Welche Branche ist das?
Sprechen wir über Deutschland?
Es handelt sich um die Logistikbranche in Deutschland.
Eine fristlose Kündigung deinerseits wäre vom Grundsatz her nicht rechtens.
In der Praxis ist es jedoch so, dass der AG in solchen Fällen keine Chancen beim Arbeitsgericht hat irgendwas gegen Dich durchzusetzen. Da AG das wissen verzichten die in den allermeisten Fällen auch darauf.
Hast Du denn schon mal mit Deinem Chef gesprochen und ihm gesagt, dass es so definitiv nicht weiter geht?
ja, ich habe es vor ca 5 monaten per mail darauf hingewiesen das unser schichtmodell unter der aktuellen bereitschaftseinsatzdichte nicht mehr funktioniert und die ruhezeiten nicht eingehalten werden können. er hat mir mitgeteilt das er aktuell auf der suche nach springern ist und um geduld bittet. aktuell ist noch kein springer in sichtweite und die einarbeitungszeit sind locker 3 monate + zertifizierung.
Soll er mal versuchen, Schadenersatz zu fordern. Mit den Beweisen schießt er sich ins eigene Bein.